Zum 1. Juli 2008 ist bekanntlich das neue Pflegezeitgesetz in Kraft getreten. Wir hatten hierzu ausführlich berichtet (siehe Beihefter Nr. 1/2008 Heft 7/2008 B+P; ausführlich zum Thema N. Besgen/Plack, Das Pflegezeitgesetz, 1. Aufl. 2009, 90 Seiten). Die Arbeitsgerichte hatten sich bislang nicht in nennenswertem Umfang mit dem neuen Pflegezeitgesetz und den dort aufgeworfenen Fragen zu beschäftigen. Das Arbeitsgericht Stuttgart hatte nun die für die Praxis äußerst interessante Frage zu klären, ob der maximal sechsmonatige Pflegezeitanspruch pro pflegebedürftigen nahen Angehörigen auf mehrere Zeitabschnitte aufgeteilt werden kann (Arbeitsgericht Stuttgart, Urt. v. 24.9.2009 – 12 Ca 1792/09, BB 2009, 2477).
Der Sachverhalt der Entscheidung:
Der klagende Arbeitnehmer war seit 1986 als Betriebsmittelkonstrukteur bei dem beklagten Arbeitgeber beschäftigt. Die Mutter des Arbeitnehmers wurde mit Wirkung ab 1. Februar 2005 durch die Pflegekasse nach der Pflegestufe I als pflegebedürftig anerkannt.
Der Kläger hat am 19. Februar 2009 die Pflege seiner pflegebedürftigen Mutter für den Zeitraum vom 15. Juni bis 19. Juni 2009 mitgeteilt, was der Arbeitgeber ihm bestätigt hat.
Mit Schreiben vom 9. Juni 2009 zeigte er weiter an, dass er seine pflegebedürftige Mutter auch vom 28. Dezember 2009 bis zum 29. Dezember 2009 pflegen werde. Der Arbeitgeber wies darauf hin, dass er bereits einmal von seinem Recht auf Freistellung zur Pflege seiner Mutter Gebrauch gemacht habe. Ein weiteres Mal sei dies nicht mehr zulässig. Stattdessen wurde ihm eine unbezahlte Freistellung angeboten.
Der Kläger ist der Auffassung, dass der Anspruch auf Pflegezeit für sechs Monate bestehe und zwar für jeden pflegebedürftigen nahen Angehörigen. Dieser Anspruch sei noch nicht erschöpft. Er könne auch mehrmals bis zur Erreichung der Pflegehöchstdauer von sechs Monaten geltend gemacht werden.
Die Entscheidung:
Das Arbeitsgericht hat den klageweise geltend gemachten Anspruch abgewiesen und die Rechtsauffassung des Arbeitgebers bestätigt.
I. Unterscheide kurzzeitige Arbeitsverhinderung – Pflegezeit
Das Pflegezeitgesetz unterscheidet zwischen der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung bis zu maximal 10 Tagen bei einer akut aufgetretenen Pflegesituation (§ 2 Pflegezeitgesetz) und der dauerhaften Pflegezeit bis zu maximal sechs Monaten bei pflegebedürftigen nahen Angehörigen (§ 3 Pflegezeitgesetz). Vorliegend ging es um letzteren Anspruch. Dazu regelt § 4 Pflegezeitgesetz, dass „die Pflegezeit nach § 3 für jeden pflegebedürftigen nahen Angehörigen längstens sechs Monate (Höchstdauer) beträgt. Für einen kürzeren Zeitraum in Anspruch genommene Pflegezeit kann bis zur Höchstdauer verlängert werden, wenn der Arbeitgeber zustimmt.
Vorliegend ging es nicht um eine Verlängerung, sondern um eine weitere Pflegezeit nach mehrmonatige Unterbrechung. Festzuhalten ist damit zunächst, dass die rechtlich aufgeworfene Frage sich aus dem Gesetzeswortlaut heraus nicht eindeutig bestimmen lässt.
II. Keine Aufteilung der Pflegezeit auf verschiedene Zeitabschnitte
Die Pflegezeit kann nicht auf verschiedene Zeitabschnitte mit zeitlicher Unterbrechung verteilt werden. Eine solche Aufteilung sieht das Gesetz nicht vor. Die Vorschrift regelt ausdrücklich den Fall der einmaligen Verlängerung unter bestimmten Voraussetzungen, wenn der Beschäftigte nicht von vornherein die sechs Monate in Anspruch genommen hat. Eine Splittung ist danach also nicht vorgesehen. Schließlich fehlt es im Pflegezeitgesetz an einer § 16 Abs. 1 Satz 5 BEEG entsprechenden Regelung, wonach die Elternzeit auf zwei oder mehr Zeitabschnitte verteilt werden kann. Das Landesarbeitsgericht hat schließlich darauf hingewiesen, dass die Beanspruchung einer kurzzeitigen Pflegezeit auch Einfluss auf den Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses hat. Nach § 5 Pflegezeitgesetz besteht von der Ankündigung bis zur Beendigung der Pflegezeit Sonderkündigungsschutz. Würde man also der Auffassung des Arbeitnehmers folgen, dass ein Beschäftigter Pflegezeiten bis zu einem Zeitkonto von sechs Monaten beliebig aufteilen und in seinem Arbeitsleben verteilen könnte, wäre es gewissermaßen möglich, durch geschicktes zeitliches Verteilen von Ankündigung und Durchführung von mehreren Pflegezeiten einen durchgehenden Kündigungsschutz zu erlangen.
Fazit:
Der Entscheidung ist zuzustimmen. Die Pflegezeit ist darauf ausgerichtet, einen Angehörigen über einen längerfristigen Zeitraum zu pflegen. Bei kurzfristigem Pflegebedarf greifen allein die Regelungen des § 2 Pflegezeitgesetz zur kurzfristigen Arbeitsverhinderung. Allerdings werden in der Literatur hierzu auch andere Auffassungen vertreten.
Auszeichnungen
-
TOP-Wirtschaftskanzlei für Arbeitsrecht(FOCUS SPEZIAL 2024, 2023, 2022, 2021, 2020)
-
TOP-Kanzlei für Arbeitsrecht(WirtschaftsWoche 2023, 2022, 2021, 2020)
-
TOP-Anwältin für Arbeitsrecht: Ebba Herfs-Röttgen(WirtschaftsWoche, 2023, 2022, 2021, 2020)
-
TOP-Anwalt für Arbeitsrecht: Prof. Dr. Nicolai Besgen(WirtschaftsWoche 2023, 2020)
Autor
UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME
UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME
Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.