17.01.2002 -

Mit Wirkung zum 1. Januar 2002 ist bekanntlich das „Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts“ in Kraft getreten (Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts, BGBl. I S. 3138; kann im Volltext im Internet unter www.bundesanzeiger.de abgerufen werden). Auch wenn sich die Schuldrechtsmodernisierung im Wesentlichen auf das allgemeine Recht der Leistungsstörungen und seine Anwendung auf den Kauf- und den Werkvertrag konzentriert, beinhaltet es dennoch Auswirkungen auf das Arbeitsrecht. Diejenigen Bereiche, die für die Praxis dabei von besonderer Bedeutung sind, wollen wir deshalb nachfolgend in einem kurzen Überblick darstellen.

 

I. Verjährungsrecht

Regelmäßige Verjährung jetzt drei Jahre

Im Arbeitsrecht galt bislang eine regelmäßige Verjährungsfrist für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis von zwei Jahren. Die insoweit bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Sonderregeln des § 196 Abs. 1 Nrn. 8 u. 9 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sind ersatzlos gestrichen worden. Nach § 195 BGB nF beträgt nunmehr die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre.

 

Die Verkürzung der Verjährungsfrist gilt nunmehr uneingeschränkt auch für den Arbeitgeber. Soweit deshalb im alten Recht eine Verjährungsfrist von 30 Jahren galt, z.B. der Bereicherungsanspruch des Arbeitgebers wegen versehentlicher Lohnüberzahlung, gilt nunmehr auch für diesen Rückzahlungsanspruch die einheitliche neue 3-Jahresfrist.

 

Der Beginn der Frist wurde hingegen hinausgeschoben. Der neue § 199 Abs. 1 BGB verlangt, das der Anspruch entstanden und der Gläubiger die den Anspruch begründenden Umstände und die Person des Schuldners kennen muss bzw. in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kennen konnte. Zu dem bislang erforderlichen objektiven Moment kommt damit noch ein subjektives hin. Der Lauf der Frist beginnt zudem erst mit dem Schluss des Jahres, in dem diese beiden Voraussetzungen eingetreten sind. Dies hat den Vorteil, dass man den Verjährungsbeginn nicht genau auf den Tag bestimmen muss, was in vielen Fällen besondere Schwierigkeiten bereitete.

 

10-Jahres-Höchstfrist

Wegen des subjektiven Momentes hat man ferner eine Höchstfrist vorgesehen, bei deren Überschreitung die Verjährung auf alle Fälle eintritt. Diese Höchstfrist beträgt nach § 199 Abs. 4 BGB 10 Jahre und beginnt von der Entstehung des Anspruchs an zu laufen. Für Schadensersatzansprüche gelten zudem Sonderregelungen in § 199 Abs. 2 u. 3 BGB.

 

Hinweis:

Die Verlängerung der Verjährungsfrist für das Arbeitsrecht wird nach unserer Auffassung das Rechtsinstitut der so genannten Verwirkung weiter beleben. Über die Verwirkung von Ansprüchen z.B auf Überstundenvergütung oder Gehaltsrückzahlung hatten wir bereits an anderer Stelle berichtet2). Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung und mit dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens verwandt (vgl. § 242 BGB). Damit der Tatbestand der Verwirkung erfüllt ist, benötigt sowohl ein Zeitmoment als auch einen Vertrauenstatbestand (Umstandsmoment). Die in diesem Bereich ergangene Rechtsprechung wird auch für die neuen Vorschriften entsprechend anzuwenden sein.

Ohnehin dürfte die Verjährungsproblematik im Arbeitsrecht eher gering sein, da in einer Vielzahl von Tarifverträgen und/oder Arbeitsverträgen Ausschlussfristen enthalten sind, die die Geltendmachung arbeitsvertraglicher Ansprüche innerhalb kurzer Fristen vorsehen.

 

Hemmung und Neubeginn der Verjährung

Neu geregelt worden sind auch die Fragen der Hemmung und des Neubeginns (bisher Unterbrechung bezeichnet) der Verjährung. Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die ihn begründenden Umstände, ist die Verjährung für die Dauer dieser Verhandlung solange gehemmt, bis die eine oder die andere Seite die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Der Neubeginn der Verjährung tritt hingegen nach § 212 Abs. 1 BGB nur dann ein, wenn der Anspruch insgesamt anerkannt wird oder eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird.

 

Sonderregelung für die betriebliche Altersversorgung

Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz hat nicht nur das BGB geändert. Für das Arbeitsrecht von Bedeutung ist u.a. eine Änderung im „Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung“ (BetrAVG). Nach dem neueingefügten § 18 a BetrAVG verjähren Ansprüche auf Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung abweichend von der kurzen dreijährigen Verjährungsfrist des BGB in 30 Jahren. Damit wird die ständige Rechtsprechung des BAG, die dem Schutzweck der betrieblichen Altersversorgung Rechnung trägt, festgeschrieben.

 

Übergangsvorschriften

Grundsatz: Bei Arbeitsverhältnissen, die nach dem 31. Dezember 2001 begründet werden, greift sofort das neue Verjährungsrecht ein; Übergangsvorschriften haben für diese neuen Verträge keine Bedeutung.

 

Für Arbeitsverhältnisse die hingegen vor dem 31. Dezember 2001 zustande gekommen sind, enthält das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz insbesondere für das Verjährungsrecht komplizierte Übergangsregelungen, die wir hier für jeden Sonderfall nicht im Einzelnen darstellen können. Im Grundsatz gilt das neue Recht. Dieses Prinzip wird zwar durch Ausnahmen entscheidend durchbrochen, doch sollte man hier von dem Grundsatz ausgehen, dass bei Übergangsfällen stets das kürzere Verjährungsrecht Anwendung findet.

 

II. Leistungsstörungsrecht

Eines der wesentlichen Ziele des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes war ferner die Vereinfachung des Leistungsstörungsrechts. So haftet nunmehr nach § 280 Abs. 1 BGB der Schuldner wegen jeder „Pflichtverletzung“, soweit er nicht beweisen kann, dass er diese nicht zu vertreten hat.

 

Besondere Arbeitnehmerhaftung

Die bislang im Arbeitsrecht geltende besondere Arbeitnehmerhaftung, die unter dem bekannten Schlagwort gefahrgeneigte bzw. betrieblich veranlasse Haftung in einer Vielzahl von Urteilen in der Rechtsprechung des BAG ausgeprägt worden ist, sollte jedoch durch diese Neufassung nicht berührt werden. Aus diesem Grunde ist ein neuer § 619 a BGB eingefügt worden. Danach hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber Ersatz für den aus der Verletzung einer Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis entstehenden Schaden nur dann zu leisten, wenn er die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Die bislang zur so genannten schadensgeneigten bzw. betrieblich veranlassten Tätigkeit entwickelten Grundsätze finden deshalb auch weiterhin uneingeschränkt Anwendung.

 

Die Darlegungs- und Beweislast für das Verschulden des Arbeitnehmers liegt damit auch weiterhin beim Arbeitgeber.

 

Zivilrechtliche Haftung

Für den umgekehrten Fall, also der zivilrechtlichen Haftung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer, gelten allerdings nunmehr in vollem Umfange die neuen Vorschriften, insbesondere § 280 BGB nF findet daher auf diese Ansprüche Anwendung.

 

Gefahrtragung bei Arbeitsausfall

Lediglich der Klarstellung dient deshalb auch der in § 615 BGB neueingefügte Satz 3, der die Entgeltfortzahlung bei Annahmeverzug auch für den Fall vorsieht, dass der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt. Dies betrifft insbesondere das Betriebs- und das Wirtschaftsrisiko. Kann z.B. wegen Stromausfall nichts gearbeitet werden oder sind Produkte etc. unverkäuflich, behalten deshalb Arbeitnehmer (wie bisher) grundsätzlich ihren Entgeltanspruch.

 

III. AGB-Kontrolle und Arbeitsverträge

Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen war bislang im „Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ (AGB-Gesetz) geregelt. Nach § 23 Abs. 1 AGBG fand dieses Gesetz ausdrücklich keine Anwendung auf Verträge aus dem Gebiet des Arbeitsrechts. Das AGB-Gesetz ist nunmehr vollständig in das BGB integriert worden. Allerdings war die Bundesregierung der Auffassung, dass die Bereichsausnahme des Arbeitsrechts hinsichtlich des AGB-Gesetzes im Grundsatz aufzuheben ist. Dies wurde nun auch in § 310 Abs. 4 BGB nF so normiert. Das Arbeitsrecht ist damit aus der AGB-Kontrolle nicht weiter ausgeklammert. Allerdings sollen nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB nF „die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen“ bei der AGB-Kontrolle berücksichtigt werden.

 

Ausgeklammert ist hingegen, was § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nF klarstellt, die Kontrolle von Tarifverträgen, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Das System der funktionierenden Tarifautonomie soll unangetastet bleiben.

 

Übergangsvorschriften

Auch hier gilt, dass Arbeitsverträge, die nach dem 31. Dezember 2001 geschlossen worden sind, uneingeschränkt das neue Recht anwendbar ist. Auf Arbeitsverhältnisse, die vor dem 1. Januar 2002 entstanden sind, findet hingegen eine besondere Übergangsvorschrift Anwendung (Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB). Um den Vertragsparteien eine Anpassung an das neue Recht zu ermöglichen, greift danach  die AGB-Kontrolle für Alt-Verträge erst ab dem 1. Januar 2003.

 

Hinweis:

Die weiteren Auswirkungen im Einzelnen, die die Anwendung der AGB-Kontrolle auf das Arbeitsrecht hat, können hier nicht abschließend dargestellt und beurteilt werden. Allerdings wird man angesichts der schon bislang vorhandenen und auch von den Arbeitsgerichten praktizierten Billigkeitskontrolle davon ausgehen können, dass die Gesetzesänderung jedenfalls im Regelfall nicht zu abweichenden Ergebnissen führen wird. Änderungen der Rechtsprechung, die für die betriebliche Praxis von Bedeutung sind, werden wir wie gewohnt zeitnah besprechen.                          

 

Verfasser: Rechtsanwalt Dr. Nicolai Besgen

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