08.06.2010

Hinweis

Der BFH hob dieses Urteil mit seiner am 23.02.2011 veröffentlichten Entscheidung vom 03.11.2010 auf (BFH-Urteil vom 3.11.2010, I R 98/09; siehe Beitrag vom 23.02.2011 auf dieser Hompage).

 

Mit seinem Urteil vom 16.09.2009 (Aktenzeichen 8 K 9250/07) widerspricht das FG der Auffassung der Finanzverwaltung. Das hat Vor- und Nachteile für die Stiftung und die Begünstigten der Stiftung (sog. Destinatäre“). Denn unterstellte man

  • kapitalertragsteuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen der Destinatäre, so unterläge zwar die Stiftung der Pflicht zur Einbehaltung von Kapitalertragsteuern, die Destinatäre könnten aber die Abgeltungsteuer mit einem pauschalen Abgeltungsteuersatz von 25% (zzgl. SolZ und KiSt) nutzen;
  • sonstige Einkünfte entsprechend dem Auffangtatbestand des § 22 Nr. 1 Satz 2 lit.a) EStG, so entfiele die Kapitalertragsteuerpflicht, aber die Einkünfte der Destinatäre unterlägen zwar dem Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 lit. i) EStG), aber dem progressiven Einkommsteuertarif (§ 32a EStG), der einkommensabhängig individuell über 25% liegen kann.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Finanzverwaltung hat Revision gegen das Urteil eingelegt (Aktenzeichen des BFH I R 98/09).

Der Fall

Im Streitfall hatte eine Familienstiftung Zahlungen an Familienmitglieder geleistet. Das Finanzamt verlangte dafür die Abgabe einer Kapitalertragsteueranmeldung und nahm die Stiftung, nachdem diese sich geweigert hatte, eine solche einzureichen, für die abzuführende Kapitalertragsteuer – als Vorauszahlung auf die Einkommensteuerschuld der Zahlungsempfänger – in Haftung.

Die Klage gegen die Haftungsbescheide war vor dem FG Berlin-Brandenburg erfolgreich.

Die Entscheidung

Die Stiftung war nicht nach § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG in Verbindung mit § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7a EStG zur Einbehaltung der Kapitalertragsteuer verpflichtet. Denn die Zahlungen an die Destinatäre gehören nicht zu den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG. Nach dieser Vorschrift gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Einnahmen aus Leistungen einer nicht von der Körperschaftsteuer befreiten Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes – KStG -, die Gewinnausschüttungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wirtschaftlich vergleichbar sind, soweit sie nicht bereits zu den Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören.

Die Familienstiftung ist eine nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Stiftung, die nicht von der Körperschaftsteuer befreit ist.

Die Zahlungen der Familienstiftung an die Destinatäre stellen keine Leistungen, die Gewinnausschüttungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wirtschaftlich vergleichbar sind, dar. Zwar hat die Familienstiftung die entsprechenden Leistungen aus ihren Erträgen erbracht. Jedoch genügt es nach Auffassung des Senats für die Annahme einer wirtschaftlichen Vergleichbarkeit mit Gewinnausschüttungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht, dass es sich bei den unter § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG fallenden Leistungen, um Leistungen aus Erträgen handelt. Vielmehr knüpft § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG in sachlicher Hinsicht an die Ausschüttung eines Ertrags aufgrund einer vermögensmäßigen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft an. Indessen besteht eine vermögensmäßige Beteiligung der Destinatäre an der Familienstiftung nicht, da eine Stiftung nicht aus einem Personenverband besteht, sondern ein rechtlich verselbständigtes Vermögen verkörpert. Mangels eines Beteiligungsertrags der Destinatäre sind die Leistungen der Familienstiftung daher nicht wirtschaftlich mit einer Gewinnausschüttung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG vergleichbar.

Die Leistungen der Familienstiftung sind auch nicht in sonstiger Weise mit einer Gewinnausschüttung wirtschaftlich vergleichbar. Denn die Destinatäre sind keine hinter der Familienstiftung stehenden Personen, die eine mit einem Anteilseigner oder einem Mitglied vergleichbare Position innehaben. Vielmehr sind die Destinatäre lediglich die Empfänger der vom Stifter bestimmten Stiftungsleistungen.

Die Leistungen der Familienstiftung stellen keinen Bezug im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG dar. Denn die Destinatäre haben nicht die Stellung eines Anteilseigners oder eines Mitglieds inne. Ferner setzt eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG unter anderem voraus, dass die bei der Kapitalgesellschaft eingetretene Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 KStG ausgewirkt hat. Jedoch haben die Leistungen der Familienstiftung die Einkünfte der Familienstiftung nicht gemindert.

Hinweis

Der BFH hob dieses Urteil mit seiner am 23.02.2011 veröffentlichten Entscheidung vom 03.11.2010 auf (BFH-Urteil vom 3.11.2010, I R 98/09; siehe Beitrag vom 23.02.2011 auf dieser Hompage).

 

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    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2022/2023)

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