20.06.2010 -

Das Kündigungsschutzgesetz ist seiner Konzeption nach ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz. An einem Auflösungsgrund und damit an den Auflösungsantrag sind also nach der ständigen Rechtsprechung strenge Anforderungen zu stellen. Das Bundesarbeitsgericht (vgl. BAG, Urt. v. 8.10.2009, 2 AZR 682/08) hat in einem aktuellen Urteil die bestehenden Anforderungen zusammengefasst und präzisiert. Wir möchten die Entscheidung zum Anlass nehmen, um auf die wesentlichen Punkte hinzuweisen. Auf die Wiedergabe des sehr speziellen Sachverhalts wird an dieser Stelle verzichtet.

I. Voraussetzungen eines Auflösungsantrages

Der Auflösungsantrag richtet sich nach § 9 KSchG. Der Arbeitnehmer kann den Antrag stellen, wenn ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist. Der Arbeitgeberantrag ist begründet, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht erwarten lassen. Voraussetzung ist, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist.

II. Auflösungsgründe des Arbeitgebers

Ein Auflösungsantrag kommt vor allem dann in Betracht, wenn während eines Kündigungsschutzprozesses zusätzliche Spannungen zwischen den Parteien auftreten, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen. Daneben kommen als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen allerdings nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die objektive Lage die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist.

III. Zeitpunkt

Für die Entscheidung über den Auflösungsantrag kommt es auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (Arbeitsgericht oder Landesarbeitsgericht) an. Der Auflösungsantrag ist trotz seiner gesetzlich angeordneten Rückwirkung auf den Kündigungszeitpunkt in die Zukunft gerichtet. Das Gericht hat eine Vorausschau anzustellen. Im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag ist zu fragen, ob in Zukunft noch mit einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit der Parteien zu rechnen ist. Es geht um die Würdigung, ob die zum Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung in der Tatsacheninstanz gegebenen Umstände eine künftige gedeihliche Zusammenarbeit noch erwarten lassen.

Hinweise für die Praxis:

Im konkreten Fall hatte das Landesarbeitsgericht den Kläger als „unehrlich“ charakterisiert und als jemanden angesehen, der in der Verfolgung eigener Interessen „Grenzen überschreite“. Diese Würdigungen korrespondieren aber nicht mit den gesetzlichen Anforderungen an den Auflösungsgrund. Maßgeblich ist, ob das Arbeitsverhältnis irgendwie fassbar – etwa im Bereich der Hauptleistungspflichten oder einzelner Nebenpflichten – in Mitleidenschaft gezogen wird. Dies konnte nicht festgestellt werden.

Auflösungsanträge auf Arbeitgeberseite sind äußerst schwer durchzusetzen. Urteile, in denen der Arbeitgeber obsiegt, sind rar. Oftmals wird der Auflösungsantrag vor allem aus taktischen Gründen gestellt, um nachhaltig zu verdeutlichen, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr erwünscht ist. Für Abfindungsverhandlungen kann der Antrag daher sinnvoll sein.

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