Hat eine Gesellschaft für ihren Gesellschafter-Geschäftsführer eine Lebensversicherung abgeschlossen, sind die hieraus an die Hinterbliebenen des Gesellschafter-Geschäftsführers geflossenen Versicherungsleistungen nach einem Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg erbschaftsteuerpflichtig.
Der Fall:
Der Erblasser war im Jahr 2002 verstorben. Alleinerbe war der Fiskus (§ 1964 BGB), nachdem alle Erben die Erbschaft wegen Überschuldung des Nachlasses ausgeschlagen hatten (§ 1943 BGB).
Die Ehefrau des Erblassers war allerdings Bezugsberechtigte zweier Risiko-Lebensversicherungen, so dass ihr außerhalb des Nachlasses insgesamt ca. 727.000 € gezahlt wurden.
Versicherungsnehmerin war eine GmbH, an welcher der Erblasser zuletzt mit 49 % beteiligt war. Bei Abschluss der Verträge 1979 und 1992 war der Erblasser mit 33,3 % bzw. 38,7 % beteiligt.
Das Finanzamt erließ im Jahr 2004 einen Erbschaftsteuerbescheid, in dem die Zahlungen der Versicherung als Erwerb von Todes wegen besteuert wurden. Den Einspruch der Klägerin wies das Finanzamt zurück. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, der Erblasser sei nach den Gesamtumständen aufgrund seiner beherrschenden Stellung in der GmbH in der Lage gewesen, deren Geschicke wie ein Unternehmer zu lenken. In einem solchen Fall führten die Leistungen aus der betrieblichen Direktversicherung zu einem steuerpflichtigen Erwerb aufgrund eines Vertrags zu Gunsten Dritter auf den Todesfall gem. § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG. Eine beherrschende Stellung sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) auch dann anzunehmen, wenn – wie hier – ein nicht ganz unbedeutend beteiligter Minderheitsgesellschafter zusammen oder mit mehreren anderen Gesellschafter-Geschäftsführern über die Mehrheit verfüge, von den anderen aber keiner allein eine Mehrheitsbeteiligung innehabe (Urteil vom 13. Dezember 1989 II R 23/85, BStBl II 1990, 322). Diese Voraussetzungen seien beim Erblasser erfüllt.
Die Ehefrau des Erblassers wandte sich hiergegen an das Finanzgericht. In ihrer umfangreichen Begründung führt sie im Wesentlichen aus, der Erblasser sei bei Abschluss der Versicherungsverträge als abhängiger und nicht als herrschender Gesellschafter-Geschäftsführer anzusehen gewesen. Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH-Urteile vom 9. Juni 1980 II ZR 255/78, BGHZ 77, 233 und vom 13. Juli 2006 IX ZR 90/05, DStRE 2007, 303), auf die die Rechtsprechung des BFH Bezug nehme (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1989 II R 23/85, BStBl II 1990, 322), unterlägen Allein- oder Mehrheitsgesellschafter wegen ihrer Unternehmereigenschaft nicht dem Schutz des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG). Es erfasse nur Arbeitnehmer oder Personen in einem vergleichbaren Vertragsverhältnis. Wenn das Finanzamt darauf verweise, eine beherrschende Stellung sei auch dann anzunehmen, wenn ein nicht ganz unbedeutend beteiligter Minderheitsgesellschafter zusammen oder mit mehreren anderen Gesellschafter-Geschäftsführern über die Mehrheit verfüge, von den anderen aber keiner allein eine Mehrheitsbeteiligung innehabe, so könne dies nur bei gleichgerichteten Interessen der Gesellschafter gelten. Solche seien im Streitfall aber nicht gegeben.
Die Entscheidung des Gerichts:
Das Finanzgericht sah die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG als erfüllt an mit der Folge, dass die Versicherungssumme der Erbschaftsteuer unterliegt.
Als Erwerb von Todes wegen gilt jeder Vermögensvorteil, der auf Grund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrags bei dessen Tod von einem Dritten unmittelbar erworben wird (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG).
Nach Auffassung des Gerichts wurde der Versicherungsvertrag zwar nicht vom Erblasser, sondern von der GmbH als Versicherungsnehmerin abgeschlossen. Die vertragliche Grundlage für den Erwerb der Klägerin bildete jedoch der Geschäftsführeranstellungsvertrag des Erblassers mit der GmbH.
Neben dem Erfordernis der vertraglichen Begründung des erworbenen Vermögensvorteils setzt die Steuerbarkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG auch voraus, dass die Zuwendung an den Dritten, die Klägerin, im Verhältnis zum Erblasser eine freigebige Zuwendung darstellt. Bei dem nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG steuerpflichtigen Erwerb durch Vertrag zugunsten Dritter handelt es sich vom Typus her um eine freigebige Zuwendung i. S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, die nur deshalb den Erwerben von Todes wegen zugerechnet ist, weil die die Steuerpflicht auslösende Bereicherung des Dritten erst beim Tode des Erblassers (Zuwendenden) eintritt. Insofern besteht eine vergleichbare Rechtslage wie beim Erwerb aufgrund Schenkung auf den Todesfall. Es handelte sich hier um eine freigebige Zuwendung, denn der Erblasser war gegenüber der Klägerin zum Abschluss einer solchen Hinterbliebenenversorgung nicht verpflichtet. Zwar besteht für den erwerbstätigen Ehegatten aufgrund der §§ 1360, 1360a BGB die Verpflichtung nicht nur für den gegenwärtigen, sondern entsprechend seinen wirtschaftlichen Verhältnissen auch für die dauernde Sicherung des zukünftigen Unterhalts des anderen Ehegatten zu sorgen. Ein konkreter Leistungs- oder Zahlungsanspruch gegen den unterhaltsverpflichteten Ehegatten ergibt sich hieraus nicht. Dieser ist vielmehr im Verhältnis zum anderen Ehegatten in der Art und Weise der Unterhaltssicherung frei, wobei der überlebende, unterhaltsberechtigte Ehegatte nur Anspruch auf eine vom unterhaltsverpflichteten Ehegatten abgeleitete Sicherung des künftigen Unterhalts hat.
Ein Erwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG setzt nach Auffassung des Gerichts nicht voraus, dass sich die Bereicherung des Begünstigten, hier der Klägerin, aus dem Vermögen des Erblassers ergeben muss, weil bei einem von § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG erfassten Vertrag regelmäßig der vom Erblasser Verpflichtete die steuerbare Leistung zu erbringen hat, ohne dass es darauf ankommt, mit welchen eigenen Leistungen der Erblasser den Vertragsschluss hat bewirken können.
Die Rechtsprechung, wonach solche Zuwendungen dann nicht der Erbschaftsteuer unterliegen, wenn es sich um den Erwerb einer Rente durch die Witwe eines Arbeitnehmers oder einer Person handelt, die einem Arbeitnehmer gleichzustellen ist, kommt nach Auffassung des Gerichts im Streitfall nicht zur Anwendung.
Dabei sei in diesem Zusammenhang unschädlich, dass die Klägerin keine Rente, sondern eine Einmalzahlung erhalten hatte. Denn die genannte Rechtsprechung des BFH sei auch auf einen solchen Vermögensvorteil anwendbar. Sämtliche Vermögensvorteile, die ein Hinterbliebener beim Tod eines Arbeitnehmers auf Grund des Arbeitsverhältnisses unmittelbar erwirbt, sind nicht steuerbar. Die Steuerbarkeit fehlt mithin nicht nur bei wiederkehrenden Versorgungsbezügen, sondern auch bei Ansprüchen auf Einmalzahlungen, die durch ein Arbeitsverhältnis veranlasst sind und – wie z.B. der Anspruch auf die Versicherungssumme aus einer betrieblichen Direktversicherung – beim Tod des Arbeitnehmers unmittelbar in der Person des Hinterbliebenen entstehen.
Der Erblasser war jedoch nicht im Sinne dieser Rechtsprechung Arbeitnehmer oder einem Arbeitnehmer gleichzustellen. Er war – so das Finanzgericht – kraft seiner Beteiligung an der GmbH vielmehr herrschender Gesellschafter-Geschäftsführer (zu den diesbezüglichen Anforderungen vgl. BFH-Urteil in BFHE 159, 228, BStBl II 1990, 322, m.w.N., sowie BFH-Beschluss vom 24. Mai 2005 II B 40/04, BFH/NV 2005, 1571).
Der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH sei nur dann als „Arbeitnehmer“ zu behandeln, „wenn er wie ein Nichtgesellschafter als abhängiger Geschäftsführer anzusehen ist“. Hingegen ist eine Freistellung der Hinterbliebenenbezüge von der Erbschaftsteuer nicht zu rechtfertigen, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer kraft seiner Beteiligung an der GmbH ein herrschender ist. Für die Beurteilung sind die tatsächlichen Verhältnisse in der Kapitalgesellschaft und insbesondere in der Geschäftsführung in dem Zeitpunkt maßgebend, in dem die Hinterbliebenenversorgung vereinbart wurde.
Dies ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei Geschäftsführern, die Allein- oder Mehrheitsgesellschafter sind, stets der Fall; darüber hinaus aber auch dann, „wenn ein nicht ganz unbedeutend beteiligter Minderheitsgesellschafter zusammen mit einem oder mehreren anderen Gesellschafter-Geschäftsführern über die Mehrheit verfügt, von den anderen aber keiner allein eine Mehrheitsbeteiligung inne hat“ (zum Ganzen BFH-Urteil in BFHE 159, 228, BStBl II 1990, 322, unter Verweis auf mehrere Entscheidungen des BGH zu § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG).
Entgegen der Auffassung der Klägerin stehe die Rechtsprechung des BFH in Einklang mit der Rechtsprechung des BGH, auf die sie sich bezieht.
Nach der Rechtsprechung des BGH sind auch solche Personen, die zwar nicht selbst die Mehrheit an einem Unternehmen besitzen, diese aber zusammen mit anderen zur Geschäftsführung berufenen Gesellschaftern erreichen, jedenfalls dann vom Insolvenzschutz auszunehmen, wenn die jeweiligen Beteiligungen nicht gänzlich unbedeutend seien. Als Beispiel nennt der BGH die Konstellation, dass an einer GmbH drei Gesellschafter mit gleichen Geschäftsanteilen beteiligt und zugleich die Geschäftsführer sind. Hier genüge es sogar, wenn sich jeweils zwei der Gesellschafter-Geschäftsführer einigen, weil sie bereits dann – jedenfalls über gewöhnliche Angelegenheiten – durch Mehrheitsbeschluss entscheiden könnten. Auch bei einer solchen Gruppierung sei es wegen der wirtschaftlich vergleichbaren Situation geboten, alle drei Gesellschafter als Mitunternehmer zu behandeln.
Nichts anderes könne für den Fall gelten, dass zwei Gesellschafter-Geschäftsführer in der Lage seien, die Entscheidungen im Unternehmen unter Ausschluss anderer Gesellschafter zu treffen, weil sie bei Zusammenfassung ihrer Beteiligungen mehrheitsfähig seien. Auch bei ihnen präge die Tatsache, dass sie zusammen die Geschicke eines Unternehmens bestimmen könnten, dessen Gewinnrisiko und Verlustrisiko sie infolge ihrer kapitalmäßigen Bindung überwiegend trügen, noch so stark den Charakter ihrer Tätigkeit, dass sie nach der Verkehrsanschauung als typische Mitunternehmer anzusprechen seien, die ihr eigenes Unternehmen leiteten und deshalb nicht als Lohnempfänger und Versorgungsempfänger aufgrund von Dienstleistungen für ein fremdes Unternehmen im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG gelten könnten. Dabei komme es nicht entscheidend auf besondere persönliche (etwa verwandtschaftliche oder freundschaftliche) Beziehungen dieser Personen untereinander an. Ebenso sei es gleichgültig, wie sich ihre Zusammenarbeit im Einzelfall tatsächlich gestalte, da solche Umstände nicht für die Anwendung eines Gesetzes maßgebend sein könnten, das im Interesse der Betroffenen in besonderem Maße eine Auslegung nach generellen und damit überschaubaren Regeln erfordere. Das Merkmal der mit einem entsprechend hohen Kapitalbesitz verbundenen Leitungsmacht sei vielmehr bereits dadurch gewahrt, dass im Allgemeinen Gesellschafter-Geschäftsführer, die zusammen über die Mehrheit verfügten, der Gesellschaft ihren Willen aufzwingen könnten und vielfach auch müssten, wenn notwendige Entscheidungen anstünden
Hinzu kam, dass das Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB abbedungen war. Dies stelle ein Indiz für eine herrschende Stellung dar (vgl. H 8 [Vertragliche Hinterbliebenenbezüge aus einem Arbeitsverhältnis des Erblassers; Herrschender Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH] Satz 2 ErbStH 2003).
Die bloße rechtliche (theoretische) Möglichkeit der Abberufung des Erblassers als Geschäftsführer genügt nicht, um die herrschende Stellung auszuschließen. Ebenso ist es gleichgültig, wie sich die Zusammenarbeit der Gesellschafter-Geschäftsführer im Einzelfall tatsächlich gestaltet, da solche Umstände nicht für die Anwendung eines Gesetzes maßgebend sein können, das im Interesse der Betroffenen in besonderem Maße eine Auslegung nach generellen und damit überschaubaren Regeln erfordert (BGHZ 77, 233 ff., dort unter I.2.d der Gründe).
Die Entscheidung des Finanzgerichts finden Sie hier im Volltext.
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