01.08.2010 -

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) spielt vor allem im Bewerbungsverfahren eine praktische Rolle. Immer wieder kommt es zu neuen Fallkonstellationen und die Gerichte haben darüber zu befinden, ob Entschädigungsansprüche nach dem AGG zugesprochen werden müssen. Das LAG Köln hatte sich nun in einer aktuellen Entscheidung mit der Frage zu befassen, ob ein Entschädigungsanspruch bei provokantem Auftreten des Bewerbers und möglicher Altersdiskriminierung ausgeschlossen ist (LAG Köln, Beschl. v. 10.2.2010 – 5 Ta 408/09). Der Beschluss des LAG Köln enthält interessante und praxisrelevante Hinweise, so dass wir die Entscheidung nachfolgend vorstellen möchten.

Der Fall (verkürzt):

Der Arbeitgeber veröffentlichte eine Stellenanzeige und suchte einen Vertriebsleiter im Angestelltenverhältnis, der insbesondere die Aufgabe hatte, den Vertriebsbereich mit insgesamt 15 unterstellten Mitarbeitern zu führen. Hierauf bewarb sich der im Jahre 1948 geborene Kläger zunächst telefonisch bei der Personalleiterin der Beklagten. Im Anschluss an das Telefongespräch übersandte er eine E-Mail mit einer Kurzbewerbung und fügte dieser Kurzbewerbung ein einseitiges Kurzprofil bei. Ende Mai bedankte sich die Personalleiterin für die Übersendung der Bewerbung und teilte mit, dass man sich im Moment im Auswahlprozess befinde und hierfür noch einige Zeit benötigen werde.

Anfang Juli erschien der Kläger unangemeldet am Sitz der Beklagten und forderte ein Gespräch mit der Personalleiterin. Im Verlauf des Gesprächs verwies er darauf, dass er der bestgeeignete und bestqualifizierte Bewerber für die ausgeschriebene Position sei. Die Personalleiterin entgegnete hierauf, dass er dies mangels Kenntnis der Qualifikation der anderen Bewerber nicht beurteilen könne.

Der weitere Verlauf des Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig. Der Bewerber behauptet, die Personalleiterin habe am Schluss des Gesprächs auf seine wiederholten Aussagen hin, er sei der bestgeeignetste und bestqualifizierteste Bewerber, erklärt, er sei aus Sicht der beklagten Arbeitgeberin einfach zu alt und passe nicht in deren Vertriebsteam. Der Bewerber leitet hieraus ab, wegen seines Alters diskriminiert worden zu sein und begehrt mit seiner Klage, für die er Prozesskostenhilfe beantragt hat, Entschädigung und Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG.

Das Arbeitsgericht hat die Gewährung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussichten der Klage abgelehnt.

Die Entscheidung:

Das Landesarbeitsgericht hat im Beschwerdeverfahren (sofortige Beschwerde) die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.

I. Offenkundig fehlende Eignung

Der Bewerber war bereits nach seiner Kurzbewerbung offenkundig nicht geeignet. Der Arbeitgeber suchte ausweislich der Stellenanzeige einen angestellten Vertriebsleiter. Dieser hatte insbesondere die Aufgabe, Personalverantwortung für insgesamt 15 Personen zu übernehmen, die dem Vertriebsbereich zugeordnet waren. Eine solche Personalführungskompetenz hatte der Bewerber aber offensichtlich nicht. Vielmehr war er seit Jahren lediglich selbständig als Projektberater tätig.

Schon vor diesem Hintergrund war es bei ca. 80 weiteren Bewerbungen sachgerecht, dem Bewerber bereits im Zeitpunkt des Eingangs seiner Kurzbewerbung von der Aufnahme in den engeren Bewerberkreis auszuschließen.

II. Provokantes Auftreten

Die fehlende Eignung des klagenden Bewerbers ergab sich des Weiteren aus dem provokanten Auftreten bei der Personalleiterin. Dieser Auftritt ist nur als von Selbstüberschätzung geprägt zu qualifizieren. Aus dem Umstand, dass er unangemeldet und ohne vorherige Absprache bei der Personalleiterin erschien und ohne Kenntnis der Qualifikation anderer Bewerber von sich behauptete, er sei der bestgeeignetste und bestqualifizierteste Bewerber, musste der Arbeitgeber den Schluss ziehen, dass der Kläger in eine betriebliche Organisation nicht zu integrieren und sachgerechte Arbeit von ihm nicht zu erwarten war. Die Bewerbung scheiterte spätestens an dieser Provokation.

III. Nachfolgende Altersdiskriminierung irrelevant

Selbst wenn die Personalleiterin tatsächlich geäußert haben sollte, der Kläger sei für die ausgeschriebene Position zu alt gewesen, konnte dadurch eine spätere altersbedingte Benachteiligung nicht mehr verursacht werden. Die Bewerbung war aus den zuvor genannten Gründen bereits offenkundig von vornherein ungeeignet. Diese lagen zeitlich vor der behaupteten Äußerung der Personalleiterin. Diese Äußerung, wenn sie denn tatsächlich getroffen worden wäre, konnte daher nicht mehr ursächlich zu einer altersbedingten Benachteiligung führen.

Fazit:

Wer als Bewerber aus sachlichen Gründen ausscheidet, kann später nicht mehr diskriminiert werden. In dieser erfreulichen Klarstellung ist dem LAG Köln in vollem Umfange zuzustimmen. Der Praxis kann im Übrigen nur empfohlen werden, sich auf persönliche oder telefonische Diskussionen mit Bewerbern nicht einzulassen. Bewusste Provokationen von Bewerbern, die darauf abzielen, Personaler zu unvorsichtigen Äußerungen zu verleiten, können so vermieden werden.

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