16.08.2010

Einkommensänderungen – sei es Einkommenserhöhungen oder Einkommensverringerungen – nach Rechtskraft der Scheidung führen immer wieder zu Schwierigkeiten. Die Interessenslage der geschiedenen Ehegatten ist eindeutig. Bei einer Einkommenssteigerung möchte der unterhaltsberechtigte Ehegatte davon profitieren – was der verpflichtete Ehegatte wiederum vermeiden möchte; bei einer Einkommensreduzierung wünscht der verpflichtete Ehegatte eine Anpassung der Unterhaltspflicht zu seinen Gunsten – was wiederum der berechtigte Ehegatte verhindern will. Ein besonderes Streitthema sind hierbei Abfindungen. Abfindungen im Zusammenhang mit Sozialplänen oder der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses können zu erheblichen Zahlungen führen. Der Unterhaltsverpflichtete möchte diese Abfindungen ungerne mit dem Unterhaltsberechtigten über den Unterhalt teilen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat hierzu mit Urteil vom 2. Juni 2010 – XII ZR 138/08 – eine bemerkenswert knappe Lösung gefunden.

Die Parteien dieses Verfahrens haben sich anlässlich der Scheidung in 2003 über den Nachscheidungsunterhalt so geeinigt, dass die Klägerin (Ehefrau) Unterhalt nicht geltend macht, solange der Beklagte (Ehemann) sein Nettoeinkommen abzüglich des Unterhalts für die gemeinsame Tochter sowie eines Selbstbehaltes zur gemeinsamen Schuldentilgung einsetzt. Der Beklagte war zum Zeitpunkt der Scheidung als Arbeitnehmer angestellt. In 2005 hat der Beklagte als Abfindung für die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses 56.000,00 € erhalten. Der Beklagte hat diesen Betrag zur Tilgung der gemeinsamen Schulden eingesetzt. Die Klägerin hat dies offenbar erst später erfahren und begehrt nunmehr Nachscheidungsunterhalt, da der Beklagte weniger zur gemeinsamen Schuldentilgung aufwenden musste als in dem ursprünglichen Scheidungsfolgenvergleich in 2003 vereinbart. Streitentscheidend war daher, ob der Beklagte gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau mit den ursprünglichen Verbindlichkeiten aus 2003 „rechnen“ durfte oder mit der tatsächlichen Belastung nach anteiliger Tilgung durch die Abfindung.

Der BGH hat zugunsten des Ehemannes entschieden. Die Abfindung sei bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs der Ehefrau nicht zu berücksichtigen. Nach dem Grundsatz der sich wandelnden ehelichen Lebensverhältnisse nach Rechtskraft der Scheidung können spätere Einkommensveränderungen – sowohl Erhöhungen als auch Verminderungen – unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen sein. Allerdings seien solche nachehelichen Einkommensveränderungen unberücksichtigt zu lassen, die auf einer unerwarteten und vom Normalverlauf abweichenden Entwicklung beruhten. Ein Abfindung stelle einen solchen unerwarteten Verlauf dar. Eine weitere Begründung erfolgt nicht mehr.

Fazit:

Die Entscheidung des BGH in dem konkreten Fall mag im Ergebnis zutreffend sein. Es überrascht allerdings, dass der BGH kein Wort der Begründung dafür verliert, weshalb eine Abfindung aus einem Arbeitsverhältnis zwei Jahre nach Scheidung der Parteien bei der Unterhaltsberechnung keine Berücksichtigung finden soll, wenn das Arbeitsverhältnis unstreitig während der Ehezeit bestand. Wäre die Abfindung im Zeitpunkt des Zusammenlebens oder auch im Trennungszeitpunkt geleistet worden, wäre sie – jedenfalls ratierlich – zu berücksichtigen gewesen.

Im Nachscheidungszeitraum hat der BGH Abfindungen bei der Unterhaltsberechnung angesetzt, wenn einem Arbeitnehmer vor Renteneintritt gekündigt wurde und die Abfindung auch den Lebensstandard in der Übergangszeit der Arbeitslosigkeit bis zum gesetzlichen Renteneintritt erhalten sollte (BGH, Urteil vom 28. März 2007 – XII ZR 163/04).

Die Abfindung bleibt dagegen in den Fällen unberücksichtigt, in denen der Verpflichtete nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein neues Arbeitsverhältnis eingeht, auch wenn dieses Arbeitsverhältnis geringer dotiert ist als das vormalige. Zu letzterem hatte der BGH schon in 2003 entschieden, dass sich der Unterhaltsberechtigte zwar die Einkommensreduzierung aufgrund eines geringer bezahlten Arbeitsverhältnisses zurechnen lassen muss, eine Abfindung aufgrund des vormaligen Arbeitsverhältnisses aber trotzdem unberücksichtigt bleibt (BGH, Urteil vom 29. Januar 2003 – XII ZR 92/01). Vor dem Hintergrund der Entscheidung vom 2. Juni 2010 wird der BGH daran sicherlich festhalten.

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