24.08.2010 -

Mit den Sanktionsmöglichkeiten bei privater Internet- und E-Mailnutzung hatten wir uns bereits mehrfach befasst. Immer wieder kommt es zu neuen Fallkonstellationen. Die Auswertung der Urteile belegt, dass zwar durch das Bundesarbeitsgericht klare Vorgaben für mögliche Kündigungsfälle gemacht wurden. In der betrieblichen Praxis treten aber dennoch zahlreiche Fälle auf, die deutlich machen, dass Kündigungen nicht ohne weiteres, selbst bei Verstößen, ausgesprochen werden können. Dies bestätigt ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts Mainz, das insbesondere die Beweisprobleme auf Arbeitgeberseite kenntlich macht (LAG Mainz, Urt. v. 26.2.2010 – 6 Sa 682/09, abrufbar unter www.justiz.rlp.de/rechtsprechung).

Der Fall (verkürzt):

Der klagende Arbeitnehmer war bereits seit Oktober 1991 bei dem beklagten Arbeitgeber als Mitarbeiter im Umbruch beschäftigt. Der Arbeitgeber beschäftigt ca. 100 Arbeitnehmer und verlegte Wochenzeitungen mit öffentlichen Bekanntmachungen der Kommunalverwaltung. Der Arbeitnehmer war zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs 41 Jahre alt, schwerbehindert mit einem GdB von 50, verheiratet und einem Kind zum Unterhalt verpflichtet. Die Bruttomonatsvergütung belief sich auf 2.735,41 €.

Am 4. August 2004 unterschrieb der Kläger eine Mitarbeitererklärung Internet/PC-Nutzung, die unter 1. folgende Regelung enthält:

Der Zugang zum Internet und E-Mail ist nur zu dienstlichen Zwecken gestattet. Jeder darüber hinausgehende Gebrauch – insbesondere zu privaten Zwecken – ist ausdrücklich verboten. Verstöße gegen diese Anweisung werden ohne Ausnahme mit arbeitsrechtlichen Mitteln sanktioniert und führen – insbesondere bei Nutzung von kriminellen, pornographischen, rechts- oder linksradikalen Inhalten – zur außerordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Der Vorgesetzte des Klägers erlaubte diesem jedenfalls im September 2008 zumindest einmal von seinem Arbeitsplatz aus privat ins Internet zu gehen, um den Kontostand bei der S-Bank abzufragen.

Ende Februar 2009 erklärte der Arbeitgeber nach Zustimmung des Integrationsamtes die ordentliche Kündigung zum 31. August 2009 wegen unerlaubter Nutzung des Internets während der Arbeitszeit.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers stattgegeben.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht Mainz die Entscheidung des Arbeitsgerichts Koblenz bestätigt und ebenfalls die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung festgestellt.

I. Beweislast des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber ist hinsichtlich der Kündigungsvorwürfe in vollem Umfange beweisbelastet (Vgl. auch Besgen/Prinz, Handbuch Internet-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2009). Es reicht also nicht aus, einem Mitarbeiter die private Nutzung während der Arbeitszeit nachweisen zu können. Erforderlich ist vielmehr, dass jede Verweildauer und jedes unerlaubte Aufsuchen von Internetseiten, die nicht zur dienstlichen Nutzung geeignet sind, nachgewiesen wird.

Daran fehlte es bereits im vorliegenden Fall. Der Arbeitgeber konnte dem Arbeitnehmer zwar nachweisen, dass er sich auf bestimmten Internetseiten zu bestimmten Uhrzeiten aufhielt. Eine Darstellung der konkreten Verweildauer erfolgte jedoch nicht. Dies war wohl dem Arbeitgeber technisch nicht möglich. Dies wäre aber nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts insbesondere im Hinblick auf den Einwand, dass etwa Rückfragen bei der Bank zum Kontostand allenfalls 20 Sekunden betragen hätten, erforderlich gewesen, um die Schwere der behaupteten Pflichtverletzungen entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts festzustellen. Grundsätzlich ist die Dauer der Zugriffe auch technisch feststellbar.

Hinweis für die Praxis:

Bei der Kündigung wegen privater Internetnutzung muss der Arbeitgeber genau belegen können, dass der Arbeitnehmer während der Arbeitszeit tätig geworden ist. Wenn der Arbeitnehmer einwendet, er habe lediglich während seiner Pausen das Internet privat genutzt, kann dies eine Kündigung ausschließen. Im hier zu besprechenden Fall konnte der Arbeitgeber zudem nicht widerlegen, dass auch andere Mitarbeiter den PC des Arbeitnehmers während seiner Abwesenheiten benutzt haben. Damit lag kein ausreichender Kündigungssachverhalt vor.

II. Vorherige Abmahnung regelmäßig erforderlich!

Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt das so genannte Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich hierbei noch in Zukunft belastend auswirken. Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Arbeitsvertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus. Erst wenn eine ordnungsgemäße Abmahnung vorliegt und der Arbeitnehmer erneut seine vertraglichen Pflichten verletzt, kann davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen.

Nur wenn im Einzelfall eine Abmahnung als nicht mehr erfolgsversprechend angesehen werden kann, insbesondere bei der Schwere der Pflichtverletzung, kann davon ausnahmsweise abgesehen werden. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer zu erkennen gibt, dass er sich auch künftig nicht vertragsgerecht verhalten möchte.

Hinweis für die Praxis:

An einer vorherigen Abmahnung fehlte es hier. Schwere Verstöße konnten dem Arbeitnehmer nicht vorgehalten werden. Auch die Tatsache, dass der Vorgesetzte des Klägers diesem jedenfalls in einem Fall die private Nutzung zur Kontoabstandsfrage erlaubte, war für das Landesarbeitsgericht ein Indiz dafür, dass das Verbot der Privatnutzung „aufgeweicht“ wurde.

Fazit:

Eine Kündigung wegen privater Nutzung des Internets oder des E-Mails bedarf sorgfältiger Vorbereitung. Im Regelfall muss zunächst geprüft werden, was genau sanktioniert werden soll. Nur bei schweren Verstößen kann dabei auf eine Abmahnung verzichtet werden. Besonderes Augenmerk ist auf die Beweissicherung zu legen. Für weitere konkrete Handlungshilfen verweisen wir auf das von Besgen/Prinz herausgegebene Handbuch Internet-Arbeitsrecht.

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