29.08.2010 -

Der Fall

Bei der Klägerin wurde als sie drei Wochen alt war von den Beklagten, einem Chirurgen und einem Anästhesisten, eine Leistenhernien-Operation durchgeführt. Einige Tage vor der Operation hatten die Eltern gemeinsam die Praxis des Chirurgen besucht. Dieser führte mit der Mutter der Klägerin ein Aufklärungsgespräch in seinem Behandlungszimmer, während der Vater der Klägerin sich im Wartezimmer das schriftliche Aufklärungsformular durchlas, ausfüllte und am Ende, wie später auch die Mutter der Klägerin, unterzeichnete. Aus welchen Gründen der Vater der Klägerin nicht an dem Aufklärungsgespräch teilnahm, ist zwischen den Parteien streitig. Zwei Tage vor der Operation führte der Anästhesist mit dem Vater der Klägerin ein etwa 15minütiges Telefonat als Aufklärung über die bevorstehende Operation, welches der Vater als angenehm und vertrauensvoll beschreibt. Am Morgen vor der Operation erschienen aufgrund der entsprechenden Aufforderung des Anästhesisten beide Elternteile in der Praxis und unterzeichneten den Anästhesiebogen als Einwilligungsformular. Bei der Operation kam es zu einem Narkosezwischenfall, aufgrund dessen die Klägerin eine schwere zentralmotorische Störung erlitt. Die Klägerin begehrt Schmerzensgeld und die Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten unter Berufung darauf, dass ihre Eltern vor der Operation weder chirurgisch noch anästhesiologisch hinreichend aufgeklärt worden seien. Soweit das Berufungsurteil Behandlungsfehler verneint hat, wird dieses nicht angegriffen.

Die Entscheidung

Im Ergebnis hat der BGH festgestellt, dass die Aufklärung der Eltern zu der Leistenhernien-Operation der Klägerin insgesamt nicht zu beanstanden sei. Die Aufklärungspflicht obliege grundsätzlich jedem Arzt für diejenigen Eingriffs- und Behandlungsmaßnahmen, die er selbst durchführe, und nur soweit sein Fachgebiet betroffen sei.

Bezüglich des Vorwurfs der unzureichenden Aufklärung stellte der BGH Folgendes fest:

Das durch den Chirurgen einige Tage vor der Operation geführte Aufklärungsgespräch mit der Mutter der Klägerin sei hinreichend, da es zutreffend und vollständig gewesen sei. Bei einer Leistenhernien-Operation handelt es sich nach Aussage der im Prozess angehörten Sachverständigen um einen einfachen Eingriff, daher sei eine ausführliche Besprechung der Vorgehensweise und der Risiken mit beiden Elternteilen nicht erforderlich gewesen. Es sei ausreichend, dass der Vater das Aufklärungsformular erhalten, ausgefüllt und unterzeichnet habe. Es seien beide Elternteile  somit ausreichend informiert und einverstanden gewesen. Nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats bedarf es bei einem minderjährigen Kind in den Fällen, in denen die elterliche Sorge beiden Eltern gemeinsam zusteht, grundsätzlich zu einem ärztlichen Heileingriff zwar der Einwilligung beider Elternteile. Jedenfalls in Routinefällen könne man aber davon ausgehen, dass der mit dem Kind beim Arzt erschienene Elternteil  ermächtigt sei, die Einwilligung in die ärztliche Behandlung für den abwesenden Elternteil mit zu erteilen, worauf der Arzt in Grenzen vertrauen dürfe, solange ihm keine entgegenstehenden Umstände bekannt seien. Hier habe aufgrund der besonderen Umstände eines einfachen Eingriffs und der Tatsachen, dass der Vater in der Praxis anwesend war, den Einwilligungsbogen ausgefüllt und mit unterzeichnet hat, der Arzt von der Ermächtigung der Mutter ausgehen können, das Aufklärungsgespräch alleine zu führen.

Der BGH hält ebenso die Aufklärung des Anästhesiologen für nicht zu beanstanden. Der Vater sei in dem etwa 15minütigen Telefonat zwei Tage vor der Operation inhaltlich zutreffend und vollständig über den Eingriff und die Risiken informiert worden und habe zudem hinreichend Gelegenheit für Nachfragen erhalten.  Er sei überdies auch über die Gefahren, die sich bei der Operation verwirklicht haben, informiert worden. Nach der Einschätzung der im Prozess gehörten Sachverständigen handelt es sich bei dem Eingriff anästhesiologisch um ein mittleres Anforderungs- und Risikoprofil. Daher war es nach Auffassung des BGH ausreichend, nur den Vater in dem persönlichen Gespräch über die entsprechenden Risiken zu informieren. Zudem habe der Anästhesist darauf bestanden, dass beide Elternteile vor der Operation anwesend seien und habe diesen nochmals Gelegenheit für Fragen gegeben.  Beide Elternteile hätten dann ihr Einverständnis mit der Operation erteilt und den Aufklärungsbogen unterzeichnet. Der BGH stellte fest, dass als persönliches Aufklärungsgespräch in einfach gelagerten Fällen auch ein Telefonat zulässigerweise geführt werden dürfe. Auch in einem solchen telefonischen Aufklärungsgespräch könne sich der Arzt davon überzeugen, dass der Patient die entsprechenden Hinweise und Informationen verstanden habe. Ein Telefongespräch gebe ihm ebenfalls die Möglichkeit, auf individuelle Belange des Patienten einzugehen und eventuelle Fragen zu beantworten. Dem Patienten bleibe es dann unbenommen, darüber hinaus auf einem persönlichen Gespräch zu bestehen. Handelt es sich dagegen um komplizierte Eingriffe mit erheblichen Risiken, wird eine telefonische Aufklärung regelmäßig unzureichend sein. Hier sah der BGH das zwischen dem Anästhesisten und dem Vater der Klägerin geführte Telefonat aufgrund des einfachen Eingriffs als zulässig und ausreichend an, zumal vor der Operation beide Elternteile die Einwilligungserklärung persönlich nach einer weiteren Gelegenheit zu Rückfragen unterzeichneten.

Hinweis für die Praxis

Nach diesem Urteil des BGH kann ein Aufklärungsgespräch in einfach gelagerten Fällen und im Einverständnis des Patienten ausnahmsweise telefonisch durchgeführt werden.

Grundsätzlich ist jedoch zur Vermeidung von Arzthaftungsprozessen zu einem persönlichen Aufklärungsgespräch zu raten, in welchem dem Patienten detaillierte mündliche Erläuterungen in Ergänzung zu dem standardisierten Aufklärungsbogen gegeben werden, welcher im Anschluss unterzeichnet wird.

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