14.09.2010 -

Der Fall

Zwischen einer Krankenhausträgerin und einer Ersatzkasse war die Frage streitig, ob die Ersatzkasse gegenüber der Krankenhausträgerin zur Zahlung der Aufwandspauschale nach § 275  Abs. 1c Satz 3 SGB V verpflichtet ist. In einer Einrichtung der Krankenhausträgerin war im Mai 2007 eine Versicherungsnehmerin der Ersatzkasse stationär behandelt worden. Unstreitig war die Hauptdiagnose in der Abrechnung des Krankenhauses nicht richtig kodiert worden. Dies ergab sich aus einer von der Ersatzkasse veranlassten MDK-Prüfung. Die im Anschluss vorgenommene Korrektur führte nicht zu einer Änderung des Rechnungsgesamtbetrages.

In den beiden ersten sozialgerichtlichen Instanzen wurde der klagenden Krankenhausträgerin der Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale mit dem Hinweis auf den klaren Wortlaut des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V zugesprochen. Die  Vorschrift lautet wie folgt: „Falls die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags führt, hat die Krankenkasse dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale in Höhe von 300 € (Anmerkung der Verfasserin: Im Zeitpunkt der Abrechnung waren es 100 €) zu entrichten.“

In der Revision hat das Bundessozialgericht (BSG) nun die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Begründung des BSG

Zwar seien die Grundvoraussetzungen des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V erfüllt. Jedoch habe das Rechtsschutzbegehren der Krankenhausträgerin keinen Erfolg, weil die beklagte Krankenkasse durch eine fehlerhafte Abrechnung des Krankenhauses veranlasst wurde, das Prüfverfahren einzuleiten. In derartigen Fällen löse alleine die Wahrnehmung der den Krankenkassen obliegenden, in Ausfluss des Wirtschaftlichkeitsgebots normierten Prüfpflicht keine Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V aus, selbst wenn sich der Gesamtabrechnungsbetrag für die Krankenhausbehandlung anschließend nicht vermindere.

Das BSG erreicht dieses Ergebnis über eine einschränkende Auslegung der Vorschrift, die es aus den Grundprinzipien der partnerschaftlichen Zusammenarbeit einer gegenseitigen Rücksichtnahme von Krankenhäusern und Krankenkassen und den Gesetzesmaterialien herleitet.

Aufgrund der Sonderrechtsbeziehung zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen ziele die Vorschrift nur auf die Einschränkung von Prüfungen ab, die Krankenkassen ohne berechtigten Anlass, ggf. gar durch „missbräuchliche“ Prüfungsbegehren eingeleitet haben, nicht aber auf Verfahren, zu denen es nur durch ein Fehlverhalten des Krankenhauses gekommen sei.

Als Anlass zur Schaffung der Vorschrift ergebe sich aus den Gesetzesmaterialien der Wunsch der Vermeidung einer unnötigen Bürokratie. Mit der Pauschale sollte ein Anreiz für die Krankenkassen geschaffen werden, Einzelfallprüfungen zukünftig zielorientierter und zügiger einzusetzen. In den Gesetzesmaterialien finde sich gerade kein Hinweis, dass eine Krankenkasse die Aufwandspauschale auch unabhängig davon entrichten müsse, ob sie selbst oder das Krankenhaus die wesentlichen Gründe für die Einschaltung des MDK gesetzt habe.

Hätte der Gesetzgeber auch in Fällen einer feststehenden Falschkodierung durch das Krankenhaus eine umfassende Zahlungspflicht der Krankenkassen und einen Ausschluss von Einwendungen gegen die Erhebung der Aufwandspauschale anordnen wollen, hätte es auf der Hand gelegen, sich an bereits existierenden Regelungsmodellen zu orientieren und die Aufwandspauschale ähnlich den für das sozialgerichtliche Verfahren geltenden Kostenregelungen als erfolgs- und verursacherunabhängige Pauschgebühr auszugestalten. Hiervon habe der Gesetzgeber jedoch keinen Gebrauch gemacht; die Vorschrift des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V sei daher entsprechend auszulegen.

Fazit

Die Entscheidung des BSG ist nicht nachvollziehbar, da sie sich gegen den klaren Wortlaut des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V richtet. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts hätte es einer Auslegung der Vorschrift auch nicht bedurft, da der Wortlaut grundsätzlich die Grenze der Auslegung bildet. Zudem übersieht das BSG, dass mit dieser Rechtsprechung Rechtsstreitigkeiten geradezu provoziert werden, nämlich zu der Frage, ob das Krankenhaus eine fehlerhafte Kodierung verursacht hat. Dem Zweck des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V einer unbürokratischen Handhabung wird diese Entscheidung daher nicht gerecht.

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • Top-Kanzlei für Medizin­recht (Behand­ler­seite)
    (WirtschaftsWoche 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Wirtschafts­kanzlei Deutsch­lands im Bereich Gesundheit & Pharmazie
    (FOCUS SPEZIAL 2024, 2023, 2022, 2021 - 2013)

  • Top-Anwalt (Wolf Constantin Bartha) für Medizinrecht
    (WirtschaftsWoche 2023, 2022, 2021, 2020)

  • „Eine der besten Wirtschaftskanzleien für Gesundheit und Pharmazie„
    (brand eins Ausgabe 23/2022, 20/2021, 16/2020)

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sprechblasen

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.

Kontakt aufnehmen