Für eine deutsche Partei, die an einer grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeit beteiligt ist, besteht das vordringliche Interesse in aller Regel darin, vor deutschen Gerichten klagen zu können oder verklagt werden zu müssen. Eine sichere Gewähr dafür bietet nur eine wirksame Gerichtsstandvereinbarung. Doch nicht immer nimmt man sich im täglichen Geschäftsverkehr Zeit dafür, eine solche Vereinbarung einzeln abzuschließen und auf ihre Wirksamkeit überprüfen zu lassen, zumal solche Klauseln sich ja meistens am „ungeliebten Ende“ eines Vertrages befinden. So finden sich Gerichtsstandsklauseln in der Unternehmenspraxis sehr häufig in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Partei. Oft kommt es vor, dass jede der Parteien in Vertragskorrespondenz die jeweils eigenen AGBs abdruckt und die darin jeweils enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarungen einander widersprechen. Ebenso häufig findet sich eine Gerichtsstandsklausel nur in der Auftragsbestätigung der Lieferpartei.

Wann unter diesen Umständen Gerichtsstandsklauseln Vertragsinhalt werden und die Parteien binden können, richtet sich unter EU-Mitgliedsstaaten nach Art. 23 Abs.1 Satz 3 lit. b und c der EG-Anerkennungs- und Vollstreckungs-Zuständigkeitsverordnung (EuGVVO). Hiernach muss die Vereinbarung entweder in einer Form beschlossen werden, die den zwischen den Parteien entstandenen Gepflogenheiten entspricht, oder, im internationalen Handel, in einer Form, die einen Handelsbrauch entspricht, den die Parteien kannten oder kennen mussten und den Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig allgemein kennen und regelmäßig beachten.

Die deutsche Rechtsprechung beschäftigt sich seit Jahren intensiv damit, wann eine dieser Voraussetzungen gegeben ist. Besonders instruktiv hierzu ist ein jetzt veröffentlichtes Urteil des Landgerichts Aachen vom 22.06.2010 (Az: 41 O 94/09). Das Gericht stellt u.a. fest:

  • Gepflogenheiten setzen eine tatsächliche Übung voraus, die auf einer Einigung der Vertragsparteien beruht. Der laufende Abdruck einer Gerichtsstandsklausel auf Rechnungen oder Auftragsbestätigungen als solcher reicht hierfür nicht aus. Vielmehr muss feststehen, dass die Gerichtsstandsvereinbarung im Rahmen der laufenden Geschäftsbeziehungen der Parteien zumindest einmal Gegenstand einer Willensübereinstimmung geworden ist. Der Empfänger der Auftragsbestätigung verstieße gegen Treu und Glauben, wenn er bei einer solchen Sachlage die Zuständigkeitsvereinbarung leugnen wollte, auch wenn es einer schriftlichen Annahme seinerseits steht.
  • Bei AGB kann die Vereinbarung ihrer Geltung dann durch eine abstrakte Einbeziehung ersetzt werden, wenn eine laufende Geschäftsbeziehung aufgrund der AGB stattfindet. Die Partner müssen die Geltung der AGB in der Anfangsphase mindestens einmal ausdrücklich vereinbart und sich in der Praxis nach ihnen gerichtet haben. Von diesem Grundsatz ist auch dann nicht abzuweichen, wenn die AGB jedesmal mit Auftragsbestätigung übergeben worden sein sollten.
  • Ein Handelsbrauch im Sinne von Art. 23 EuGVVO ist autonom auszulegen und nur für den jeweiligen Geschäftszweig, in dem die Parteien tätig sind, zu bestimmen. Die Annahme eines solchen Handelsbrauchs setzt voraus, dass die tätigen Kaufleute bei Abschluss einer bestimmten Art von Verträgen allgemein oder regelmäßig ein bestimmtes Verhalten befolgen. Er braucht nicht für bestimmte Länder, insbesondere nicht für alle Vertragsstaaten nachgewiesen zu werden; es genügt, wenn am Sitz irgendeiner der Parteien ein entsprechender Handelsbrauch besteht.
  • Dass die Vertragsparteien einen solchen Handelsbrauch kennen, steht dann fest oder wird vermutet, wenn sie untereinander oder mit anderen in dem betreffenden Geschäftszweig tätigen Vertragsparteien schon früher Geschäftsbeziehungen geknüpft hatten oder wenn in diesem Geschäftszweig ein bestimmtes Verhalten bei Abschluss einer bestimmten Art von Verträgen allgemein oder regelmäßig befolgt wird und daher hinreichend bekannt ist, um als ständige Übung angesehen zu werden.

Die Entscheidung des LG Aachen verdeutlicht noch einmal, wie wichtig gerade für Parteien, die häufig und „im großen Stil“ internationale Vertragsverhältnisse abschließen, ein präzises Augenmerk auf die Gerichtsstandsklausel ist. Beschäftigt sich erst das angerufene Gericht – wie hier das LG Aachen – mit der Wirksamkeit einer solchen Klausel, lässt sich vieles argumentieren, aber nichts mehr gestalten. Auch routinierten Unternehmern ist deshalb hier die vorausschauende Inanspruchnahme spezialisierten Rechtsrats dringend zu empfehlen.

Autor

Bild von  Thomas Krümmel, LL.M.
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