In der mietrechtlichen Praxis kommt kaum einem Fehler eine solch gravierende Bedeutung zu, wie der Nichtbeachtung des Schriftformerfordernisses bei der Erstellung eines Mietvertrags. Die Nichteinhaltung des aus §§ 550 i.V.m. § 578 BGB folgenden Schriftformgebotes hat zur Folge, dass das zwischen den Mietvertragsparteien begründete Mietverhältnis als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt. In der Konsequenz bedeutet dies, dass eine Befristungsabsprache der Parteien ihre Wirkung verliert, so dass ein Mietverhältnis, welches nach dem Willen der Parteien eine Mindestlaufzeit von 5, 10, 15 oder 30 Jahre haben sollte, von jeder Seite unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfristen des § 580a BGB beendet werden kann. Die in diesem Fall eintretenden Vermögenseinbußen können erheblich sein.

Ein instruktives Beispiel für die fehlende Beachtung des Schriftformerfordernisses ist eine am 02.06.2010 ergangene Entscheidung des BGH: Dieser hatte über die Frage zu entscheiden, ob ein auf 30 Jahre abgeschlossener Mietvertrag vorzeitig im Wege einer ordentlichen Kündigung beendet werden kann, wenn das Mietobjekt – vorliegend eine Grundstücksparzelle auf einer größeren Liegenschaft – im Mietvertrag nicht hinreichend konkret benannt worden ist.

Der Sachverhalt der Entscheidung (verkürzt):

Im Jahr 2001 „pachtete“ die Beklagte auf einem Gelände, auf welcher die Eheleute H und C B eine Wochenend- und Ferienhausanlage betrieben, für die Dauer von 30 Jahren mit einem Optionsrecht für weitere 30 Jahre eine lediglich durch handschriftlich eingefügte qm-Angaben umschriebene Grundstücksparzelle, auf der ihnen die Errichtung eines Holzmobilheims bzw. eines Holzblockhauses gestattet wurde. Der Mietvertrag enthielt keine Bezugnahme auf einen Lageplan. Ein Lageplan war mit dem Mietvertrag auch nicht verbunden.

Im Oktober 2007 wurde die Klägerin als neue Eigentümerin der Liegenschaft in das Grundbuch eingetragen. Mit Anwaltsschriftsatz vom 31.10.2007 kündigte sie den mit der Beklagten bestehenden Vertrag zum 29.02.2008.

Die Entscheidung:

In den Gründen der Entscheidung vom 02.06.2010 führt der 12. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zur Frage der Wirksamkeit der Kündigung vom 31.10.2007 aus:

„[20] Der Mietvertrag ist durch die fristlose Kündigung der Kl. vom 31.10.2007, die den Bekl. am 24.11.2007 zugegangen ist, zum 29.2.2008 beendet worden. Die vereinbarte Laufzeit des Mietvertrags von mehr als einem Jahr ist nicht wirksam, weil der Mietvertrag nicht der schriftlichen Form genügt (§ 550 i.V. mit§ 578 IBGB). Der Mietvertrag gilt deshalb für unbestimmte Zeit und konnte von der Kl. mit der Frist des § 580 a I Nr. 3 BGB ordentlich gekündigt werden.

[21] a) § 550 BGB will nach ständiger Rechtsprechung des Senats in erster Linie sicherstellen, dass ein späterer Grundstückserwerber, der kraft Gesetzes auf Seiten des Vermieters in ein auf mehr als ein Jahr abgeschlossenes Mietverhältnis eintritt (§ 566 I BGB), dessen Bedingungen aus dem schriftlichen Vertrag ersehen kann. Dazu ist erforderlich, dass sich die für den Abschluss des Vertrags notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen – insbesondere über den Mietgegenstand, den Mietzins sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses – aus einer von beiden Vertragsparteien unterzeichneten Urkunde ergibt (Senat, BGHZ 176, 301 = NJW 2008, 2178 = NZM 2008, 482 Rdnrn. 13, 18). Werden wesentliche vertragliche Vereinbarungen nicht im Mietvertrag selbst schriftlich niedergelegt, sondern in Anlagen ausgelagert, müssen die Parteien die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich machen (Senat, BGHZ 176, 301 = NJW 2008, 2181 = NZM 2008, 484).

[22] b) Danach wahrt der Mietvertrag nicht die Schriftform des § 550 BGB.

[23] aa) Zu Recht rügt die Revision, dass bereits das Mietgrundstück im Vertrag nicht hinreichend bezeichnet ist. Dem Mietvertrag ist nicht zu entnehmen, welcher Teil des Grundstücks Gegenstand des Vertrags ist. Er enthält bis auf verschiedene handschriftlich eingefügte Quadratmeterangaben keine Anhaltspunkte für eine Bestimmbarkeit des Mietobjekts. Soweit die Bekl. behaupten, mit Abschluss des Mietvertrags sei das Mietgrundstück in einen Lageplan eingezeichnet worden, der Bestandteil des Mietvertrags geworden sei, wird dadurch die Schriftform nicht gewahrt. Denn der Mietvertrag enthält keine Bezugnahme auf einen Lageplan, auch ist ein solcher nicht mit dem Mietvertrag verbunden.“

Anmerkung:

Ob die Parteien eines Mietvertrages die Folgen des § 550 BGB vertraglich in der Weise abbedingen können, dass ein gegenseitiger Kündigungsverzicht für den Fall eines Verstoßes gegen das Schriftformgebot festgeschrieben wird, ist derzeit noch nicht höchstrichterlich geklärt. Vorsorglich sollte eine entsprechende Klausel in einen gewerblichen Mietvertrag aufgenommen werden.

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sprechblasen

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.

Kontakt aufnehmen