07.11.2010 -

Leiharbeitnehmern steht nach § 7 Satz 2 BetrVG das aktive Wahlrecht im Entleiherbetrieb zu, wenn sie länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden. Die Wählbarkeit von Arbeitnehmern ist in § 8 BetrVG geregelt. Dort findet sich aber keine Regelung zur Frage des passiven Wahlrechts von Leiharbeitnehmern. Das passive Wahlrecht wird allerdings im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz für Leiharbeitnehmer bei gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung ausdrücklich ausgeschlossen, § 14 Abs. 2 Satz 1 AÜG. Das Bundesarbeitsgericht hatte nun die interessante Frage zu entscheiden, ob dieser Ausschluss auch in Fällen nicht gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung anzuwenden ist (BAG, Beschl. v. 17.2.2010 – 7 ABR 51/08).

Der Fall:

Die Beteiligten streiten über die Wählbarkeit einer Arbeitnehmerin zum Betriebsrat. Bei dem Arbeitgeber handelt es sich um eine gemeinnützige GmbH, die eine Sozialstation betreibt. Träger der Sozialstation waren u.a. ein DRK-Kreisverband. Bei diesem DRK-Kreisverband wurde bereits im Jahre 1986 eine Mitarbeiterin als Hauspflegerin ausdrücklich für die Sozialstation eingestellt.

Einem späteren Betriebsübergang des DRK-Kreisverbandes auf die Sozialstation widersprach diese Mitarbeiterin ausdrücklich. Ihr ging es darum, ihr Arbeitsverhältnis weiter im DRK-Kreisverband fortzusetzen, um erworbene Rechte auf eine betriebliche Altersversorgung nicht zu verlieren.

Die Mitarbeiterin gehörte dem bei der Sozialstation gebildeten Betriebsrat seit 1999 an, im Mai 2006 wurde sie zur Vorsitzenden gewählt. Von den 79 in der Sozialstation beschäftigten Arbeitnehmern stehen 72 in einem Arbeitsverhältnis zu der Sozialstation gGmbH, vier haben ein Arbeitsverhältnis zum DRK-Kreisverband, der seinerseits insgesamt 19 Arbeitnehmer beschäftigt. Diese vier vom DRK-Kreisverband überlassenen Arbeitnehmer werden in der Sozialstation auf der Grundlage von Gestellungsverträgen eingesetzt.

Der Arbeitgeber hat die Auffassung vertreten, die Mitarbeiterin sei in der Sozialstation nicht passiv zum Betriebsrat wählbar. Als vom DRK-Kreisverband überlassene Arbeitnehmerin habe sie in der Sozialstation zwar nach § 7 Satz 1 BetrVG das aktive, nicht jedoch das passive Wahlrecht. Dies folgte aus der zumindest entsprechend anwendbaren Regelung in § 14 Abs. 2 AÜG.

Betriebsrat und Mitarbeiterin haben beantragt, den Antrag abzuweisen. Die Vorschrift des § 14 Abs. 2 AÜG sei weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar. Im Übrigen liege jedenfalls ein Gemeinschaftsbetrieb vor.

Arbeitsgericht und auch Landesarbeitsgericht haben dem Antrag stattgegeben. Im Rechtsbeschwerdeverfahren verfolgten Betriebsrat und Mitarbeiterin weiterhin die Abweisung des Antrages der Sozialstation gGmbH.

Die Entscheidung:

Im Rechtsbeschwerdeverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt.

I. Aktives Wahlrecht

Das aktive Wahlrecht folgt auch für Leiharbeitnehmer aus § 7 Satz 2 BetrVG. Das Bundesarbeitsgericht unterscheidet dabei nicht zwischen der gewerbsmäßigen wie der nicht gewerbsmäßigenArbeitnehmerüberlassung. Leiharbeitnehmer können daher sowohl im Entleiher- als auch im Verleiherbetrieb aktiv ihr Wahlrecht ausüben.

II. Passives Wahlrecht

Von der Wahlberechtigung ist die Wählbarkeit, das passive Wahlrecht, zu unterscheiden. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 AÜG sind Leiharbeitnehmer bei der Wahl der betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretung im Entleiherbetrieb nicht wählbar. Dies ist allerdings gesetzlich nur für die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung ausdrücklich ausgeschlossen. Das BAG hat nun klargestellt, dass sich aus der Gesetzessystematik und auch der Gesetzesgeschichte ergeben, dass die Vorschrift des § 14 Abs. 2 AÜG auch in Fällen der nicht gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung anzuwenden ist. Leiharbeitnehmer sind also in keinem Fall im Entleiherbetrieb in den Betriebsrat wählbar. Dies stehe auch in Einklang mit § 7 Satz 2 BetrVG, der hinsichtlich des aktiven Wahlrechts ebenfalls nicht zwischen gewerbsmäßiger und nicht gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung unterscheide.

Fazit:

Leiharbeitnehmer sind im Entleiherbetrieb nicht wählbar. Dies gilt sowohl in Fällen der gewerbsmäßigen als auch der nicht gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Der Entscheidung des BAG ist zuzustimmen.

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