Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zum ärztlichen Werberecht hat das Bundesverfassungsgericht bereits wiederholt entschieden. Danach ist Werbung berufswidrig, die keine interessengerechte und sachangemessene Information darstellt. Als berufswidrig gilt unter anderem das Führen von Zusätzen, die im Zusammenhang mit den geregelten Qualifikationsbezeichnungen und Titeln zu Irrtümern führen können und auf diese Weise einen Werbeeffekt hervorrufen. Aus dem Werbeträger allein kann aber nicht auf eine Gefährdung eines Gemeinwohlbelangs wie der Gesundheit der Bevölkerung oder mittelbar auf einen Schwund des Vertrauens der Öffentlichkeit in die berufliche Integrität der Ärzte geschlossen werden, solange sich die Werbemittel im Rahmen des Üblichen bewegen .

 

Die Entscheidung:

Das Bundesverfassungsgericht hat nun in einem Urteil vom 8. Januar 2002 entschieden, dass die wettbewerbsrechtliche Verurteilung wegen unzulässiger Werbung in dem Faltblatt einer Klinik, in der zwei dort beschäftigte Ärzte als Knie – bzw. Wirbelsäulenspezialisten bezeichnet worden sind, die Betroffenen in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs.1 GG (Berufsfreiheit) verletzt.

 

Die Klinik hatte in dem Faltblatt mit den Worten „…ist eine Fachklinik, die sich ausschließlich auf die Knie- und Wirbelsäulenchirurgie spezialisiert hat. Unsere Einrichtung wurde 1985 durch den Kniespezialisten Dr. J. T. als Ambulatorium für arthroskopische Chirurgie gegründet. Die Wirbelsäulenchirurgie wurde 1989 durch den holländischen Wirbelsäulenspezialisten, Dr. Th. H., aufgebaut. In beiden Abteilungen wurden bisher ca. 20.000 Patienten operiert.“ geworben.

 

Das Landgericht und in der Berufung das Oberlandesgericht München sahen hierin, insbesondere in der Verwendung des Begriffs Spezialist, einen Verstoß gegen das in § 27 Berufsordnung für die Ärzte Bayerns (BO)  enthaltene berufsrechtliche Werbeverbot (Ausnahme: sachliche Informationen) in Verbindung mit §§ 2 und 5 der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns, welche die gewählten Bezeichnungen nicht enthält. Die angegriffenen Entscheidungen bejahten zudem einen Wettbewerbsverstoß nach § 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Der Bundesgerichtshof nahm die Revision nicht an.

 

Das Bundesverfassungsgericht sah in den beiden Urteilen eine Verletzung der Klinikbetreiberin und der beiden Ärzte in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs.1 GG, da einerseits die verfassungsrechtlich gebotenen Einschränkungen des Werbeverbots nicht beachtet und andererseits auch dem Umstand, dass hier für eine Klinik geworben wird, zu wenig Rechnung getragen worden sei. Zudem hätten die Richter die Normen der Berufsordnung und der Weiterbildungsordnung nicht verfassungskonform ausgelegt und angewendet. Das Rechtsgut der Gesundheit der Bevölkerung und das hierdurch veranlasste Werbeverbot zur Vermeidung einer gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufs rechtfertigten es nicht, Angaben über Besonderheiten der Berufsausübung ohne Rücksicht auf ihren Sinn und Zweck oder ihren Informationswert für Dritte generell zu verbieten. Sofern die Hinweise in sachlicher Form erfolgten und nicht irreführend seien, wären sie erlaubt. Dies folge aus Art. 12 Abs. 1 GG.

 

Die Entscheidungsgründe des Bundesverfassungsberichts im Einzelnen:

 

a) Die sachliche und wahrheitsgemäße Information

Die Bezeichnung eines bestimmten Arztes als Wirbelsäulen- oder Kniespezialist stellt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich eine interessengerechte und sachangemessene Information dar.: „Es handelt sich um die Angabe, dass ein Arzt auf einem Gebiet, das enger ist als seine Gebietsbezeichnung – hier: der Wirbelsäulen- und der Kniechirurgie -, Fachmann ist. Ein solcher Arzt bietet ein bestimmtes Behandlungsspektrum an, das möglicherweise alle Orthopäden oder Chirurgen beherrschen, in dem er sich aber einer ihn auszeichnenden besonderen Praxis berühmen kann, weil er sich diesem Teilbereich besonders intensiv gewidmet hat. Ein Arzt, der besondere Erfahrungen auf einem Teilgebiet hat, hat ein berechtigtes Interesse, das Publikum darüber zu informieren. Auch die Patienten haben ein legitimes Interesse daran zu erfahren, welche Ärzte über solche vertieften Erfahrungen auf dem Gebiet der Wirbelsäulen- und der Kniechirurgie verfügen.“

 

„Auch die Gefahr einer Verwechselung mit Facharztbezeichnungen besteht nicht, da beide Bezeichnungen einen unterschiedlichen Bedeutungsgehalt aufweisen: Unter der Bezeichnung „Spezialist“ wird ein Fachmann verstanden, der über besondere Erfahrungen in einem engeren (medizinischen) Bereich verfügt, während die Facharztbezeichnung eine förmlich erworbene Qualifikation darstellt.“

 

Zudem führten die Richter aus, dass zwar bereits die Angabe des Behandlungsschwerpunktes „Sektion Kniechirurgie“ oder „Sektion Wirbelsäulenchirurgie“ im Faltblatt dem Anliegen der Allgemeinheit Rechnung trage, über ein bestimmtes Leistungsangebot der Klinik informiert zu werden. Die Bildung einer besonderen Abteilung innerhalb einer Klinik besage aber nichts darüber, ob hierfür spezialisiertes Personal zur Verfügung stehe, da jeder Facharzt eine solche Sektion leiten dürfe, ohne dass die Angabe beanstandet werden könne. Deshalb erkundigten sich Patienten vielfach nicht nur nach einer Klinik mit Fachabteilungen, sondern dort auch nach einem Spezialisten für das gewünschte medizinische Teilgebiet. Insofern sei es gerechtfertigt, in der Werbung diesem Informationsinteresse Rechnung zu tragen und es der Klinik zu gestatten, die handelnden Ärzte als Spezialisten zu bezeichnen, sofern die hierfür nötigen Kriterien, wie hier, erfüllt seien. Dr. Th. H.. habe  bereits über 7.000 Operationen an der Wirbelsäule und Dr. J. T. mehr als 13.000 Operationen im Bereich des Knies durchgeführt. Insofern sei es legitim, sie als Spezialisten zu bezeichnen. Denn jedenfalls die ungewöhnlich große Zahl gleichartiger Operationen sei ein ausreichender Indikator für die Spezialisierung in Wirbelsäulen- oder in Kniechirurgie.

 

b) Bedeutung von Werbeträger und Art der Verbreitung

Weiterhin machte dass Bundesverfassungsgericht deutlich, dass die streitgegenständliche sachliche Information auch nicht allein durch den Werbeträger zu einer berufswidrigen Werbung werde. Das Faltblatt war der Sommer- und Winterbroschüre der X-GmbH beigelegt und die Broschüre auch in Fitness-Studios und ähnlichen Einrichtungen verbreitet worden. Diese Art der Verbreitung des Faltblattes sei weder ungewöhnlich noch aufdringlich; sie rechtfertige es nicht, die Werbung als anpreisende, vorwiegend kommerzielle und damit verbotene Werbung zu qualifizieren.

 

c) Modifizierte Werbebeschränkungen bei Klinikwerbung

Überdies kritisierten die Richter, dass die Gerichte nicht berücksichtigt hätten, dass § 27 BO die Werbung für die ärztliche Tätigkeit des niedergelassenen Arztes betrifft und dass für Kliniken nicht dieselben Werbebeschränkungen gelten würden. Die betreffende Klinik sei eine mit aufwendigen Einrichtungen und technischen Apparaturen ausgestattete Privatklinik mit 9 Zimmern, in welcher überwiegend stationäre Behandlungen durchgeführt werden. Insofern sei es angemessen, dass sie wahrheitsgemäß und in sachlicher Form auf ihre Hauptindikationsgebiete sowie ihre spezifische Behandlungsmethode – hier die Knie- und die Wirbelsäulenchirurgie – hinweise. Dazu könne auch ein Hinweis auf besonders erfahrene Klinikärzte gehören. Dies schränkt das Bundesverfassungsgericht jedoch in folgender Weise ein:

„Nennt eine Klinik die Namen ihrer Knie- und Wirbelsäulenspezialisten und benennt sie nicht nur ihre Fachabteilung, hält sie sich nicht mehr im Rahmen der bloßen Klinikwerbung, wenn damit zugleich den Benannten als niedergelassenen Ärzten Patienten zugeführt werden sollen. Ob das der Fall ist, dürfen die Gerichte aber nicht aus der bloßen Namensnennung der behandelnden Ärzte schließen. Es muss vielmehr abgegrenzt werden, ob die Werbung dem niedergelassenen Arzt oder aber der Klinik zugute kommen soll. Dafür kommt es darauf an, ob die Leistungen auch ambulant, d.h. ohne die apparative Ausstattung der Klinik, erbracht werden könnten.“

 

Das hier streitige Faltblatt betraf jedoch nur Operationen in der beworbenen Klinik, da unklar war, ob die benannten Spezialisten auch als niedergelassene Ärzte tätig sind, so dass für sie das Werbeverbot unmittelbar gelten könnte.

 

Verfasser. Daniel Möller

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