10.04.2002

Das Bundesverfassungsgericht hat in einer in FamRZ 2002, 527, veröffentlichten Entscheidung festgestellt, dass es gegen Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes verstößt, bei der Unterhaltsberechnung das Erwerbseinkommen des unterhaltsberechtigten Ehegatten mit der sogenannten Abzugsmethode nur als eheprägend zu berücksichtigen, wenn die Erwerbstätigkeit schon während der Ehe aufgenommen worden war.

 

Bis zu dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. Juni 2001 (FamRZ 2001, 986) hatten die meisten Gerichte danach unterschieden, ob der unterhaltsberechtigte Ehegatte die Erwerbstätigkeit schon vor oder erst nach der Trennung aufgenommen hatte: Hatte die Erwerbstätigkeit schon vor Trennung begonnen, so war der Unterhaltsanspruch nach dieser Rechtsprechung gemäß der sogen. Differenzmethode deutlich höher als in dem Fall, dass die Erwerbstätigkeit erst nach der Trennung begonnen hatte (Abzugsmethode). Außer Acht gelassen wurde grundsätzlich der wirtschaftliche Wert der Haushaltsführung und Kinderbetreuung.

 

Der Bundesgerichtshof hat der Abzugsmethode jedoch in seinem Urteil vom 13. Juni 2001 weitgehend eine Absage erteilt, da sie der Gleichwertigkeit von Kinderbetreuung und Haushaltsführung einerseits und Erwerbstätigkeit andererseits nicht gerecht werde. Ein nach der Scheidung erzieltes Einkommen sei ein Surrogat des wirtschaftlichen Wertes der bisherigen Tätigkeit des haushaltsführenden Ehegatten und deshalb  in die Unterhaltsberechnung nach der Differenzmethode mit einzubeziehen.

 

Mit seiner neuen Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht die bis zum Urteil des Bundesgerichtshofs übliche Berechungsmethode sogar als verfassungswidrig verworfen und die neue Methode des Bundesgerichtshofs als verfassungsgemäß gebilligt.

 

So führt das Bundesverfassungsgericht aus:

 

Wenn die Ehegatten gleiches Recht und gleiche Verantwortung bei der Ausgestaltung ihres Ehe- und Familienlebens hätten, so seien auch die Leistungen gleichwertig, die sie im Rahmen ihrer Arbeits- und Aufgabenverteilung erbringen. Das zwinge – auch bei der Unterhaltsberechnung – zu dem Schluss, dass beide Ehegatten grundsätzlich am gemeinsam Erwirtschafteten gleichmäßig, also je zur Hälfte, zu beteiligen seien.

 

Dem widerspreche es, wenn bei der Unterhaltsberechung als Bestandteil der ehelichen Verhältnisse zwar nach der Trennung eintretende Einkommenszuwächse des schon während der Ehezeit erwerbstätigen Ehegatten berücksichtigt würden, nicht aber das Einkommen, das der in der Ehe nicht oder nur teilweise erwerbstätige Ehegatten erzielt, wenn er nach der Scheidung erstmals oder wieder erwerbstätig wird. Würde man den während der Ehe auf eigenes Einkommen verzichtenden Ehegatten hieran nach Beendigung der Ehe unterhaltsrechtlich festzuhalten, so hätte er allein die finanziellen Nachteile zu tragen, die aufgrund der gemeinsamen Entscheidung in der Ehe beide Ehegatten übernommen hatten.

 

Im Übrigen entspreche die bei der Anwendung der Abzugsmethode unterstellte Endgültigkeit einer einmal von den Ehegatten vereinbarten Arbeitsteilung nicht der Ehewirklichkeit: Wenn ein Ehegatte zeitweilig auf Erwerbstätigkeit, z.B. wegen der Kindererziehung, verzichtet habe, so sei es normal und vorhersehbar, dass er wieder erwerbstätig werde. Es dürfe eben nicht allein auf den Zeitpunkt der Scheidung abgestellt werden; auch eine normale Weiterentwicklung nach der Trennung gehöre noch zu den ehelichen Lebensverhältnissen.

 

Damit hat das Bundesverfassungsgericht die Abzugsmethode für den Fall als verfassungswidrig verworfen, in dem der unterhaltsberechtigte Ehegatte, der wegen der Ehe eine Erwerbstätigkeit aufgegeben oder nicht begonnen hatte, erst nach der Scheidung – wieder – erwerbstätig wird. Zu der Frage, wie vorzugehen ist, wenn ein Ehegatte während der Ehe aus anderen Gründen – z.B. wegen einer Ausbildung – kein Einkommen hatte und erst nach der Trennung erwerbstätig wird, hat sich das Verfassungsgericht nicht geäußert; in solchen Fällen greifen die Entscheidungsgründe nicht und es dürfte bei der Abzugsmethode bleiben.

 

Nach den Entscheidungen des BGH und des BVerfG hängt es jetzt nicht mehr vom Zufall ab, wie Unterhalt zu berechnen ist. Es darf unterhaltrechtlich eben nicht darauf ankommen, ob der Ehegatte, der Kinderbetreuung und Haushaltsführung übernommen hatte, zufällig schon vor oder erst nach der Trennung wieder eine Erwerbstätigkeit aufnimmt.

 

Offen gelassen hat das Bundesverfassungsgericht, in welcher Form die Familiengerichte die Gleichwertigkeit von Familienarbeit und Arbeitseinkünften bei der Unterhaltsermittlung zu berücksichtigen haben. Jedoch hat das Gericht ausdrücklich die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13. Juni 2001 als einen „möglichen, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Weg“ bezeichnet. Es ist deshalb zu erwarten, dass sich die Gerichte an dem Urteil des Bundesgerichtshofs orientieren und die Abzugsmethode nicht mehr anwenden werden, wenn ein bisher in der und für die Familie tätiger Ehegatte Arbeitseinkommen erzielt.

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