Der Fall
Die Mutter (Schenkerin) des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) wandte diesem einen Geldbetrag zu. Ihr Wohnsitz befand sich zum Zeitpunkt der Zuwendungen im Kanton Tessin (Schweiz). Der Kläger war Inländer i.S. des § 2 Abs. 1 ErbStG. Nachdem der Kläger die Zuwendung gegenüber dem deutschen Finanzamt (FA) erklärt hatte, setzte das FA Schenkungsteuer fest.
Die Finanzbehörde des Kantons Tessin setzte später ebenfalls Schenkungsteuer fest, die der Kläger bezahlte. Er beantragte beim deutschen FA, die tessinischen Schenkungsteuer unter Änderung der Bescheide auf die deutsche Schenkungsteuer anzurechnen. Das FA lehnte die begehrte Änderung ab, da die Festsetzung und Zahlung der tessinischen Schenkungsteuer den Tatbestand einer Korrekturnorm der Abgabenordnung (AO) nicht erfülle. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und das Finanzamt ging in Revision zum BFH
Die Entscheidung des BFH
Der BFH entschied durch das am 22.12.2010 veröffentlichte Urteil vom 22.09.2010, II R 54/09, das Finanzgericht habe zu Recht entschieden, dass die vom Kanton Tessin festgesetzte und vom Kläger gezahlte Schenkungsteuer nach § 21 ErbStG auf die (deutsche) Schenkungsteuer anzurechnen ist.
Die Gründe
Die tessinische Schenkungsteuer ist nach § 21 ErbStG auf die (deutsche) Schenkungsteuer anzurechnen.
Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ist bei Erwerbern, die in einem ausländischen Staat mit ihrem Auslandsvermögen zu einer der deutschen Erbschaftsteuer entsprechenden Steuer – ausländische Steuer – herangezogen werden, in den Fällen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, sofern nicht die Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung anzuwenden sind, auf Antrag die festgesetzte, auf den Erwerber entfallende, gezahlte und keinem Ermäßigungsanspruch unterliegende ausländische Steuer insoweit auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen, als das Auslandsvermögen auch der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt. Die ausländische Steuer ist nach § 21 Abs. 1 Satz 4 ErbStG nur anrechenbar, wenn die deutsche Erbschaftsteuer für das Auslandsvermögen innerhalb von fünf Jahren seit dem Zeitpunkt der Entstehung der ausländischen Erbschaftsteuer entstanden ist. § 21 ErbStG gilt gemäß § 1 Abs. 2 ErbStG auch für Schenkungen unter Lebenden.
Im Streitfall war der Tatbestand des § 21 ErbStG erfüllt. Der Kanton Tessin hat gegen den Kläger Schenkungsteuer festgesetzt. Der Kläger hat diese Steuer gezahlt und ihre Anrechnung beantragt. Die Schenkungsteuer unterfällt keinem Doppelbesteuerungsabkommen. Ferner ist die deutsche Schenkungsteuer innerhalb von fünf Jahren seit dem Zeitpunkt der Entstehung der tessinischen Schenkungsteuer entstanden.
Die deutschen Schenkungsteuerbescheide waren somit gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern. Denn bei der Zahlung der festgesetzten tessinischen Schenkungsteuer handelt es sich entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung um ein rückwirkendes Ereignis.
Gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis). Zu den rückwirkenden Ereignissen zählen alle rechtlich bedeutsamen Vorgänge, aber auch tatsächliche Lebensvorgänge, die steuerlich – ungeachtet der zivilrechtlichen Wirkungen – in der Weise Rückwirkung entfalten, dass nunmehr der veränderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist.
§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer nur dann anwendbar, wenn der Gesetzgeber vorsieht, dass einem nach der Entstehung der Steuer eintretenden Ereignis Wirkung für die Vergangenheit zukommt. Wird festgesetzte ausländische Steuer gezahlt, nachdem das FA die Erbschaft- oder Schenkungsteuer festgesetzt hat, kommt diesem Ereignis nach dem Willen des Gesetzgebers Wirkung für die Vergangenheit zu. Zwar ergibt sich dieser Wille des Gesetzgebers nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 21 ErbStG, jedoch folgt er nach der überzeugenden Auffassung des BFH aus dessen materiell-rechtlichem Regelungsgehalt.
§ 21 ErbStG hat den Sinn und Zweck, Überschneidungen im internationalen Besteuerungsbereich möglichst zu vermeiden. Er will eine doppelte steuerliche Belastung von Erwerbern mit inländischer und ausländischer Steuer beseitigen bzw. mildern, indem die ausländische Steuer bei der deutschen Steuer anzurechnen ist.
Das FA kann die festgesetzte und gezahlte ausländische Steuer jedoch nur dann bei der Festsetzung der inländischen Steuer berücksichtigen, wenn die Zahlung der festgesetzten ausländischen Steuer Wirkung für die Vergangenheit hat. Denn die Erbschaftsteuer ist – beim Erwerb von Todes wegen – so festzusetzen, wie sie im Zeitpunkt des Todes des Erblassers entstanden ist. Da eine ausländische Steuer denklogisch erst nach dem Tod des Erblassers festgesetzt und gezahlt worden sein kann, muss die Festsetzung und Zahlung der ausländischen Steuer auf den Zeitpunkt der Entstehung der Erbschaftsteuer im Moment des Todes des Erblassers zurückwirken. Für die Schenkungsteuer kann hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nichts anderes gelten.
Im Übrigen ist, so der BFH, im Fall des § 34c EStG die Festsetzung und Zahlung ausländischer Steuer ein rückwirkendes Ereignis. Es sei nicht erkennbar, weshalb die Zahlung festgesetzter ausländischer Steuer im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrecht hiervon abweichend nicht als rückwirkendes Ereignis zu beurteilen sein sollte, zumal der Gesetzgeber § 21 ErbStG nach dem Vorbild des § 34c EStG geschaffen habe.
Hinweis:
Erwerber von Schenkungen oder Erbschaften, die wegen empfangenen Auslandsvermögen in Deutschland bestandskräftig zur Erbschaft- oder schenkungsteuer herangezogen wurde, später aber noch einmal im Ausland wegen desselben Vermögensanfalls noch einmal im Ausland veranlagt wurden, sollten in jedem Fall unter Berufung auf die Entscheidung des BFH vom 22.09.2010, II R 54/09, die Anrechnung der ausländischen Steuer auf die deutsche Steuer beantragen, selbst wenn die deutschen Bescheide schon unanfechtbar geworden sind.
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