04.01.2011 -

Kündigungen müssen dem Empfänger nachweisbar zugehen. Den Zugangsbeweis muss in vollem Umfange der Arbeitgeber führen. Gerade bei fristwahrenden Kündigungen trägt der Arbeitgeber daher das Risiko dieses Zugangs. In einem aktuellen Urteil hatte das Landesarbeitsgericht Berlin Brandenburg nun die Frage zu klären, ob eine morgens um 10.15 Uhr in den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers eingeworfene Kündigungserklärung dem Arbeitnehmer noch am selben Tag zugeht, auch wenn die Post bei ihm üblicherweise schon zwischen 08.00 Uhr und 08.30 Uhr morgens zugestellt wird (LAG Berlin Brandenburg, 11.06.2010 – 6 Sa 747/10).

Der Fall:

Der Kläger stand seit dem 1. April 2009 als Bautechniker in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Es war eine Probezeit von sechs Monaten vereinbart. Die Probezeit endete am 30. September 2009.

Der Arbeitgeber sprach mit Schreiben vom 29. September 2009 eine Beendigungskündigung zum 13. Oktober 2009 aus. Der Arbeitnehmer hat die Unwirksamkeit der Kündigung mit der Argumentation geltend gemacht, die Kündigung vom 29. September 2009 sei offensichtlich am 30. September in seinen Briefkasten eingeworfen worden. Er habe sie aber erst am 1. Oktober zur Kenntnis nehmen können, da er am 30. September morgens auf dem Weg zum Arzt um 09.30 Uhr seinen Briefkasten geleert habe. Zu diesem Zeitpunkt sei die Kündigung noch nicht im Briefkasten gewesen. Die Post komme üblicherweise zwischen 08.00 Uhr und 08.30 Uhr und er habe keine Veranlassung gehabt, später nochmals in seinen Hausbriefkasten zu sehen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Kündigung sei am 30. September um 10.15 Uhr zugegangen. Zu diesem Zeitpunkt sei die erforderliche Wartezeit nach dem Kündigungsschutzgesetz noch nicht abgelaufen gewesen. Den zu dieser Zeit erfolgten Einwurf in seinen Briefkasten könne der Arbeitnehmer nicht wirksam mit Nichtwissen bestreiten, weil sein eigener Briefkasten stets Gegenstand der eigenen Wahrnehmung sei.

Die Entscheidung:

Das Landesarbeitsgericht hat die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.

I. Zugang von Kündigungen

Zugegangen ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung – wie eine Kündigung – dann, wenn sie der Gestalt in den Machtbereich des Adressaten (des Arbeitnehmers) gelangt ist, dass unter gewöhnlichen Umständen dessen Kenntnisnahme erwartet werden kann. Dies beurteilt sich nach allgemeinen Gepflogenheiten, während es auf eine etwa vorhandene Kenntnis des Erklärenden von konkreten örtlichen oder persönlichen Gegebenheiten des Adressaten nicht ankommt. Deshalb kam es hier nicht darauf an, wann die Post im Zustellbereich des Klägers üblicherweise ausgeliefert wurde, zumal es im Falle einer Vertretung des jeweiligen Stammzustellers der verschiedenen Dienstleister wegen Urlaubs oder Krankheit ohnehin zu veränderten Zustellzeiten hätte kommen können.

Eine per Boten überbrachte Kündigungserklärung geht dem Adressaten erst dann ausnahmsweise am nächsten Tag zu, wenn das Kündigungsschreiben erhebliche Zeit nach der allgemeinen Postzustellung in seinen Briefkasten geworfen wird. Diese reichte jedoch hier bis weit über die Mittagszeit hinaus.

II. Vorsichtsmaßnahmen des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber trägt nach der Rechtsprechung grundsätzlich das Risiko, eine Kündigung nicht wirksam am Tage eines Fristablaufs zustellen zu können. Er muss daher unter allen Umständen Sorge dafür tragen, dass die Kündigung nachweisbar in den Empfangsbereich des Arbeitnehmers gelangt. Wird der Arbeitnehmer nicht persönlich angetroffen, bleibt nur der Hausbriefkasten. Dieser ist aber, sofern er individualisiert gekennzeichnet ist und es sich nicht um einen Sammelbriefkasten handelt, rechtssicher für den Zugang und dessen Nachweis.

Aber: Der Zugang am gleichen Tage der Zustellung ist nur dann gewährleistet, wenn unter gewöhnlichen Umständen noch mit der Kenntnisnahme gerechnet werden darf. Wird ein Kündigungsschreiben erst spät abends in den Hausbriefkasten eingeworfen, liegt diese erforderliche mögliche Kenntnisnahme gerade nicht mehr vor. Arbeitnehmer sind nicht verpflichtet, abends nochmals in den Hausbriefkasten zu sehen und zu prüfen, ob nicht doch noch ein Schreiben zugegangen ist. Sie können sich vielmehr an üblichen Postleerungszeiten orientieren.

Hinweis für die Praxis:

Für den Arbeitgeber verbleiben immer dann Unsicherheiten, je später er am Tag ein Kündigungsschreiben zustellt. Zwar könnte damit argumentiert werden, dass ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer seinen Briefkasten erst gegen späten Nachmittag oder abends leert, wenn er nach Hause kommt. Sind aber andere Familienmitglieder tagsüber zu Hause und übernehmen die Leerung, könnte hier auch anders argumentiert werden. Je früher der Einwurf in den Hausbriefkasten am Tag erfolgt, desto besser. Alle Risiken trägt der Arbeitgeber. Bei späteren Uhrzeiten sollte in jedem Fall versucht werden, das Kündigungsschreiben persönlich auszuhändigen.

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