Für Erblasser, die nicht in dem Staat leben, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen oder die mit einem Ausländer verheiratet sind, könnte sich bald die Notwendigkeit ergeben, ein bereits errichtetes Testament überprüfen und überarbeiten zu lassen.

Die Europäische Kommission hat den Entwurf einer Verordnung zum internationalen Erb- und Verfahrensrecht vorgestellt, die bald in Kraft treten soll. Sie eröffnet betroffenen Erblassern einerseits neue Gestaltungsmöglichkeiten, andererseits kann die neue Rechtslage auch dazu führen, dass wirksam errichtete Testamente unwirksam werden oder die gewünschten Rechtsfolgen nicht erzielt werden können.

Die Ausgangslage:

Erbfälle mit internationalem Bezug werden gerade innerhalb der Europäischen Union immer häufiger. Die Schwierigkeiten in diesen Fällen fangen nach der bisherigen Rechtslage nicht erst damit an, dass jedes Land die Erbfolge unterschiedlich regelt, sondern beginnen bereits bei der Frage, das Recht welches Staates überhaupt auf den jeweiligen Erbfall Anwendung findet.
So richtet sich die Erbfolge etwa aus deutscher Sicht regelmäßig nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers, während beispielsweise nach englischem Recht der letzte gewöhnliche Aufenthaltsort (im Sinne eines gewählten Lebensmittelpunkts: „domicile“) maßgeblich ist. Lebt also ein deutscher Erblasser in England, entscheidet ein deutsches Gericht nach deutschem, ein englisches Gericht jedoch nach englischem Recht. Umgekehrt würde ein englisches Gericht bei einem englischen Staatsangehörigen, der in Deutschland lebt, nach deutschem Recht, das deutsche Gericht jedoch nach englischem Recht entscheiden.
Auch ist bisher häufig unklar, welches Gericht für die Entscheidung über den Erbfall zuständig ist, so dass Gerichte in verschiedenen europäischen Mitgliedsstaaten in derselben Erbsache zu einander widersprechenden Entscheidungen kommen können.

Zudem entstehen in erbrechtlichen Fällen mit internationalem Bezug bisher teilweise schier unüberwindliche Schwierigkeiten bei der Nachlassabwicklung, weil die in einem Land zur Vermögensübertragung erforderlichen Dokumente in dem anderen Land schlicht nicht existieren. Beispielsweise kennt das englische Rechtssystem keinen Erbschein, sondern nur ein „Grant of Probate“, eine amtliche Bestätigung des Testaments mit obligatorischer Einsetzung eines Testamentsvollstreckers. Dies wiederum ist etwas grundlegend anderes als das deutsche Testamentsvollstreckerzeugnis.

Die Europäische Verordnung zum Erb- und Verfahrensrecht soll dazu dienen, solche Schwierigkeiten aus der Welt zu schaffen.

Der Entwurf:

Welches Gericht entscheidet und welches materielle Recht dann anwendbar ist, soll nach dem Entwurf zukünftig eindeutig zu beantworten sein. Außerdem soll die Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, das von allen Mitgliedstaaten anerkannt wird, den Beweis der Erbenstellung im europäischen Rechtsverkehr erleichtern.

Sowohl die Zuständigkeit der Gerichte als auch die Erbfolge richten sich dem Entwurf zufolge nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers. Das kann zu überraschenden Ergebnissen gegenüber dem jetzigen Recht führen, denn künftig wird dann beispielsweise ein deutscher Erblasser, der seinen letzten Wohnsitz auf Mallorca hatte, auch aus deutscher Sicht grundsätzlich nach spanischem Recht beerbt. Allerdings besteht nach dem Entwurf für jeden Erblasser die Möglichkeit, statt des Rechtes seines letzten gewöhnlichen Aufenthaltes sein Heimatrecht zu wählen. Ordnet also besagter Erblasser in seinem Testament die Anwendung deutschen Rechtes an, so richtet sich die Erbfolge nach deutschem Recht, auch wenn sein Vermögen sich vollständig in Spanien befindet und ein spanisches Gericht über den Erbfall zu entscheiden hat.

Die internationale und örtliche gerichtliche Zuständigkeit richten sich zukünftig ebenfalls nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers. Nur dann, wenn der Erblasser sein Heimatrecht gewählt hat, kann das Gericht des Aufenthaltsortes die Angelegenheit auf Antrag einer Partei an das zuständige Gericht im Heimatland des Erblassers verweisen. Dieses muss die Angelegenheit jedoch nur übernehmen, wenn es ebenfalls der Auffassung ist, es könne die Sache besser als das zunächst angerufene Gericht beurteilen.

Handlungsbedarf für den Erblasser:

Hat ein Erblasser, der im Ausland lebt oder beabsichtigt, seinen Wohnsitz ins Ausland zu verlegen, bereits ein Testament errichtet, so muss dieses nach Inkrafttreten der Reform unbedingt überprüft und ggf. überarbeitet werden. Findet aufgrund der Rechtsänderung eine andere Rechtsordnung auf den Erbfall Anwendung, kann es passieren, dass gerade die Rechtsfolgen, derentwegen das Testament errichtet wurde, nicht erreicht werden können. So sind beispielsweise nach dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten gemeinschaftliche Ehegattentestamente insgesamt unwirksam.

Erst Recht können kompliziertere Testamente, die fein auf die deutsche Rechtsordnung abgestimmt sind, leerlaufen, wie etwa Geschiedenentestamente, die eine (mittelbare) Erbschaft des anderen Elternteils des gemeinsamen Kindes ausschließen, oder „Behindertentestamente“, die dazu dienen, einen Zugriff des Sozialhilfeträgers auf die Erbschaft eines behinderten Kindes auszuschließen.
Will der Erblasser an seinen Anordnungen in der gewählten Form festhalten, so muss er das deutsche Recht ausdrücklich wählen. Die Rechtswahl ist nur dann wirksam, wenn dabei die Testamentsform eingehalten wird.

Handlungsmöglichkeiten für Erblasser

Andererseits eröffnen sich durch die Reform für den Erblasser ganz neue Wahlmöglichkeiten. Zunächst stehen einem Erblasser, der nicht in seinem Heimatland lebt, anders als bisher immer (mindestens) zwei Rechtsordnungen zur Verfügung. Aber auch der Erblasser, der in seinem Heimatland lebt, kann sich nach dem Entwurf theoretisch für jede Rechtsordnung entscheiden, die in der Europäischen Union gilt, indem er seinen Wohnsitz in den entsprechenden Mitgliedstaat verlegt. So kennt etwa Großbritannien kein zwingendes Pflichtteilsrecht der Angehörigen. Dort kann lediglich das Nachlassgericht im Einzelfall eine Versorgung naher Angehöriger aus dem Nachlass anordnen.

Hinweis für die Praxis

Jeder Erblasser, der nicht in seinem Heimatstaat lebt oder mit einem Ausländer verheiratet ist, sollte die Entwicklung des europäischen Rechts auf dem Gebiet des Erbrechts in naher Zukunft genau beobachten. Tritt der Entwurf der Kommission in Kraft, ist dringend zu empfehlen, bereits getroffene Anordnungen überprüfen zu lassen, um die durch das neue Wahlrecht eröffneten Möglichkeiten auszuschöpfen oder jedenfalls eine mögliche Unwirksamkeit der bisherigen Anordnung zu vermeiden. Will ein Erblasser eine bestimmte Rechtsfolge unbedingt ausschließen, die das Erbrecht seines Heimatlandes zwingend vorsieht, sollte er in Betracht ziehen, seinen Wohnsitz in einen Mitgliedstaat zu verlegen, dessen Recht die von ihm gewünschten Rechtsfolgen ermöglicht. In jedem Fall sollte frühzeitig kompetenter Rechtsrat eingeholt werden.

Autor

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