Testamente können – abgesehen von dem Ausnahmefall des Ehegattentestamentes – jederzeit frei widerrufen werden. Schließt der Erblasser dagegen einen Erbvertrag ab, so ist er hieran grundsätzlich gebunden. Ein Rücktritt von dem Erbvertrag kommt nur in wenigen Ausnahmefällen in Betracht, nämlich dann, wenn der Erblasser sich den Rücktritt in dem Erbvertrag ausdrücklich vorbehalten hat oder wenn eine vereinbarte Gegenleistung nicht erbracht wird.
Aber auch wenn eine vereinbarte Gegenleistung nicht erbracht wird, entfällt die Bindungswirkung nicht ohne Weiteres. Vielmehr muss der Erblasser bestimmte formale Voraussetzungen einhalten, wenn er sich von dem Erbvertrag befreien möchte. Der Bundesgerichtshof hatte nun Gelegenheit, diese Voraussetzungen zu konkretisieren.

Der Fall:

Die Klägerin hatte den Beklagten im Jahr 1981 im Wege des Erbvertrages zu ihrem alleinigen Erben eingesetzt. Als Gegenleistung sicherte der Beklagte erbvertraglich zu, die Klägerin in alten Tagen zu „hegen und zu pflegen“ ohne dass von ihm hierfür Geldmittel aufgebracht werden müssten.

Der Beklagte lebte zunächst in einer eigenen Wohnung auf dem Grundstück der Klägerin. Zu Beginn des Jahres 1993 zog er jedoch aus. Der Kontakt zwischen den Parteien brach ab. Im Jahr 1999 forderte die Klägerin den Beklagten auf, bei ihr vorstellig zu werden. Dieser Aufforderung kam er nicht nach. Die Klägerin war seit dem Jahr 1999 geringfügig und seit dem Jahr 2006 intensiv pflegebedürftig. Im Jahr 2007 siedelte sie in ein Alten- und Pflegeheim über. Irgendwelche Pflegeleistungen durch den Beklagten erfolgten nicht. Im Jahr 2008 erklärte die Beklagte den Rücktritt von dem Erbvertrag wegen nicht erbrachter Pflegeleistungen. Sie beantrage nun, festzustellen, dass der Erbvertrag aufgrund des Rücktrittes unwirksam sei.

Die Entscheidung:

Der Bundesgerichtshof wies den Antrag zurück. Zwar habe der Beklagte seine Pflegeverpflichtung nicht erfüllt, ein Rücktritt von dem Erbvertrag sei aber nur dann möglich, wenn der Verpflichtete zunächst in bestimmter und eindeutiger Weise unter Fristsetzung dazu aufgefordert werde, die Gegenleistung zu erbringen. Dies sei hier nicht geschehen. Die bloße Aufforderung, bei der Klägerin vorstellig zu werden, stelle keine solche Leistungsaufforderung dar.

Eine Fristsetzung sei auch nicht deshalb entbehrlich gewesen, weil der Beklagte die Leistung endgültig und ernsthaft verweigert habe. Auch um von einer solchen Weigerung ausgehen zu können, hätte die Klägerin den Beklagten zunächst zur Leistung auffordern müssen.

Zwar sei ein Rücktritt von dem Erbvertrag auch ohne Fristsetzung möglich, wenn die Gegenleistung überhaupt nicht mehr erbracht werden könne, es sei hier jedoch nicht dargelegt worden, dass die Klägerin zwingend auf die Pflege in einem Heim angewiesen sei, anstatt von dem Beklagten selbst gepflegt zu werden. Es bestehe auch nicht etwa eine Pflicht des Beklagten, sich an den Kosten für das Alten- und Pflegeheim zu beteiligen. Die erbvertragliche Regelung beinhalte nur eine Pflicht zur höchstpersönlichen Pflege, nicht aber eine Zahlungsverpflichtung.

Auch eine Anfechtung des Erbvertrages, weil sich das Verhältnis zwischen den Parteien anders entwickelt habe als erwartet, komme nicht in Betracht, weil die Klägerin spätestens im Jahr 2006 von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt habe und die Anfechtungsfrist von einem Jahr daher bereits im Jahr 2007 abgelaufen sei.

Hinweis für die Praxis:

Ob und wem gegenüber man sich erbvertraglich bindet, sollte wohl überlegt sein. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs zeigt, dass es äußerst schwierig und sogar unmöglich sein kann, sich von dieser Bindung wieder zu lösen.
Gerade wenn die vereinbarte Gegenleistung in höchstpersönlich zu erbringenden Pflegeleistungen besteht, sollte ein Rücktrittsvorbehalt in den Vertrag aufgenommen werden. Ob der Erblasser zu dem Zeitpunkt, in dem er tatsächlich auf Pflegeleistungen angewiesen ist, tatsächlich noch so ein gutes Verhältnis zu dem erbvertraglich Bedachten hat, dass er diese doch sehr persönliche Leistung überhaupt noch wünscht, lässt sich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses kaum vorhersehen. Kann aber die Gegenleistung nur deshalb nicht erbracht werden, weil der Erblasser selbst die Annahme verweigert, stellt dies keinen Rücktrittsgrund dar.

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