Hat der nicht befreite Vorerbe aus einem Vermächtnis Rentenzahlungen an die nichteheliche Lebenspartnerin des Erblassers zu entrichten, so sind diese weder als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung von Gegenständen des Nachlasses noch als Sonderausgaben abziehbar.

Der Fall

Der Vater des Klägers hatte zugunsten seiner Lebensgefährtin, Frau S, ein auf seinen Tod aufschiebend bedingtes lebenslängliches Wohnungsrecht an der ihm gehörenden Eigentumswohnung bestellt und „sich und seine Erben“ verpflichtet, an Frau S eine lebenslängliche, bis zum 15. eines Monats im Voraus fällige Rente in Höhe von 5.000 EUR im Monat zu zahlen. Zugleich setzte der Vater mit notariellem Testament den Kläger als Vorerben ein, ohne ihn von den für einen Vorerben geltenden gesetzlichen Beschränkungen zu befreien. Nacherben sind die leiblichen Abkömmlinge des Klägers. Zum Nachlass gehören weitere Mietobjekte.
Der Einspruch des Klägers, mit dem er beantragt hatte, die vom Kläger an Frau S gezahlten Beträge als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen, hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, das Urteil des FG aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid dahingehend zu ändern, dass eine dauernde Last als Sonderausgaben oder Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt wird.

Die Entscheidung

Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück (BFH, Urteil vom 20.07.2010, IX R 29/09 (NV), BFH/NV 2010 S. 2257).

Rentenzahlungen des Klägers als Werbungskosten?

Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sind Werbungskosten grundsätzlich alle durch diese Einkunftsart veranlassten Aufwendungen. Nach der Rechtsprechung des BFH liegt eine derartige Veranlassung vor, wenn (objektiv) ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der auf Vermietung und Verpachtung gerichteten Tätigkeit besteht und (subjektiv) die Aufwendungen zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden (z.B. BFH-Urteil vom 23.09.2003 IX R 26/99).

Die Rentenzahlungen des Klägers an Frau S sind danach kein abziehbaren Werbungskosten.
Die Aufwendungen haben ihren Veranlassungsgrund nicht in der Vermietung der streitbefangenen Objekte des Nachlasses. Vielmehr stehen sie im sachlichen Zusammenhang mit der Erlangung der Verfügungsmacht des Klägers über die Vermietungsobjekte. Dabei handelt es sich jedoch wiederum nicht um einen Anschaffungsvorgang. Die Aufwendungen stellen auch keine Finanzierungskosten zur Erlangung der Verfügungsmacht des Klägers dar. Zutreffend ist zwar, dass er nicht hätte vermieten können, wenn er die Erbschaft ausgeschlagen und damit die Rentenzahlungen nicht übernommen hätte. Jedoch bewegt sich die Frage der Ausschlagung oder Annahme der Erbschaft in Verbindung mit der Verpflichtung zur Rentenzahlung nicht im steuerbaren Bereich.

Rentenzahlungen des Klägers als Sonderausgaben?

Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG).

Demgegenüber dürfen die in § 12 EStG genannten Aufwendungen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, „soweit in § 10 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4, 6, 7 und 9, § 10a, § 10b und den §§ 33 bis 33c nichts anderes bestimmt ist“ (Abzugsverbot).
Vom Abzugsverbot erfasst sind u.a. freiwillige Zuwendungen und Zuwendungen aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht (§ 12 Nr. 2 EStG), wozu auch Renten und dauernde Lasten gehören, wenn sie außerhalb einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen als Unterhalt oder aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht geleistet werden (z.B. BFH-Urteil vom 16.05.2001 X R 53/99).

Dagegen können wiederkehrende Leistungen eines Erben z.B. an die Witwe des Erblassers als Sonderausgaben abziehbar sein, wenn sie auf einer letztwilligen Verfügung des Erblassers beruhen und der Erbe von Todes wegen existenzsicherndes Vermögen erhalten hat (sog. „erbrechtliche“ private Versorgungsrente (vgl. BFH-Urteile vom 26.01.1994 X R 54/92, und vom 20.10.1999 X R 86/96).

Als Sonderausgaben abziehbar sein können solche wiederkehrenden Leistungen, die anlässlich einer Betriebs- oder Vermögensübergabe im Wege vorweggenommener Erbfolge vorbehalten worden sind (Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 15.07.1991 GrS 1/90, BStBl II 1992, 78; ständige Rechtsprechung zum „Sonderrecht der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen„, zuletzt BFH-Urteil vom 17.06.1998 X R 104/94, BStBl II 2002, 646).
Gleiches gilt für Versorgungsleistungen, die ihren Entstehungsgrund in einer letztwilligen Verfügung (Erbeinsetzung, Vermächtnis) haben und die Versorgung eines Erben bezwecken. Der Erblasser räumt dabei durch letztwillige Verfügung einer an sich erbberechtigten Person nur einen Anspruch auf Versorgungsleistungen ein. Dazu wird vorausgesetzt, dass die Erträge solcher Wirtschaftseinheiten zugunsten des Berechtigten vorbehalten werden, die diesem an sich kraft Erbrechts zustehen würden. Dies findet seine Rechtfertigung darin, dass auch hier – ebenso wie bei der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen – mit der Abziehbarkeit der Versorgungsleistungen beim Verpflichteten und der Steuerbarkeit beim Bezieher der Rechtsgedanke der „vorbehaltenen Vermögenserträge“ rechtstechnisch verwirklicht wird.

Wiederkehrende Leistungen (Renten und dauernde Lasten), die der Erbe aufgrund eines Vermächtnisses an einen Dritten zahlen muss, sind aber nur dann – unter den genannten weiteren Voraussetzungen – als Sonderausgaben abziehbar, wenn der Empfänger der Bezüge zum sog. Generationennachfolge-Verbund gehört. Hierzu zählen insbesondere nicht der Lebensgefährte des Erblassers, der weder Pflichtteilsansprüche noch ähnliche Ansprüche gegen den Erben bzw. den sonstigen letztwillig bedachten Vermögensübernehmer hat (BFH-Urteil vom 17.12.2003 X R 31/00). Der Generationennachfolgeverbund umfasst grundsätzlich nur gegenüber dem Erblasser pflichtteilsberechtigte Personen (zur Ausnahme bei Geschwistern des Hofübernehmers s. BFH-Urteil vom 26.11.2003 X R 11/01, BStBl II 2004, 820).

Zwar ist eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistung mit steuerlicher Wirkung grundsätzlich auch unter Fremden möglich (BFH-Urteil vom 16.12.1997 IX R 11/94, BStBl II 1998, 718). Im entschiedenen Fall war Empfänger des übertragenen Vermögens ein nicht zum Generationennachfolgeverbund gehörender Dritter, der den Übergeber aus den Erträgen des ihm übertragenen Vermögens zu versorgen hatte. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob wiederkehrende Leistungen, die nicht an den Übergeber selbst, sondern an Dritte zu bezahlen sind, auch dann als Sonderausgaben abziehbar sein können, wenn es sich bei dem Dritten nicht um einen pflichtteilsberechtigten Ehegatten oder Abkömmling handelt. Dies hat der BFH abgelehnt (BFH-Urteil vom 27.03.2001 X R 106/98).

Verpflichtet sich der Übernehmer eines Vermögens im Übergabevertrag, an einen familienfremden Dritten auf dessen Lebenszeit der Höhe nach abänderbare wiederkehrende Leistungen zu erbringen, führt dies nicht zu einer abziehbaren dauernden Last, sondern zu einer teilentgeltlichen Anschaffung des Vermögens (BFH-Urteil vom 14.12.1994 X R 1-2/90, BStBl II 1996, 680).
Demgegenüber führt die Belastung eines Erben mit einem Vermächtnis nicht zu Anschaffungskosten der Wirtschaftsgüter des Nachlasses. Die Erfüllung des Vermächtnisses ist kein entgeltliches Anschaffungsgeschäft (BFH-Urteil vom 20.12.1994 IX R 113/92). Sind aufgrund eines Schenkungsversprechens von Todes wegen wiederkehrende Leistungen an einen vom Vermögensübergeber bestimmten Dritten zu erbringen, so sind diese Leistungen erbrechtlichen Verpflichtungen gleichzustellen; auch deren Ablösung führt nicht zu steuerlich zu berücksichtigenden Anschaffungskosten (BFH-Urteil vom 20.06.2007 X R 2/06, BStBl II 2008, 99).

Nach diesen Grundsätzen stellen die Rentenzahlungen des Klägers an Frau S keine Sonderausgaben dar.
Da Frau S nicht zum maßgebenden Generationenverbund gehört, sind die Rentenzahlungen nicht als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abziehbar.

Unerheblich ist insoweit, ob das Rentenvermächtnis der Frau S aus Sicht des Erblassers Gegenleistung für erbrachte Dienste der Frau S gewesen sein soll. Es handelt sich jedenfalls um Zuwendungen aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht i.S. von § 12 Nr. 2 EStG.

Auf die Frage, inwieweit dem Kläger wegen seiner Stellung als nicht befreiter Vorerbe aus der wirtschaftlichen Zusammenschau der ihm als Vermieter verbleibenden Mieterträge einerseits und der Rentenzahlungen an Frau S andererseits ein negativer Saldo verbleibt, kommt es danach nicht an. Denn die Rentenzahlungen sind schon deshalb nicht als Sonderausgaben abziehbar, weil sie auf einer freiwillig begründeten Rechtspflicht beruhen. Der vom Kläger geltend gemachte negative Saldo hat seine Ursache allein in der Vermächtnisverpflichtung des Klägers als Folge der Annahme seiner Erbeinsetzung als nicht befreiter Vorerbe und damit im nichtsteuerbaren Bereich.

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