06.02.2011 -

Arbeitnehmer haben während der vereinbarten Arbeitszeit die uneingeschränkte Hauptpflicht ihre Arbeitsleistung zu erbringen. Verstöße in diesem Bereich berühren grundsätzlich den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses. Mitarbeiter, die Raucherpausen einlegen, sind daher verpflichtet, während dieser Zeit auszustempeln. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat nun klargestellt, dass Verstöße gegen diese Verpflichtung eine fristlose Kündigung rechtfertigen können (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 06.05.2010 – 10 Sa 712/07, BB 2010). Die praxisrelevante Entscheidung möchten wir nachfolgend vorstellen.

Der Fall (verkürzt):

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweisen ordentlichen Kündigung wegen Raucherpausen.

Der klagende Arbeitnehmer war als Maschinenführer seit acht Jahren bei dem beklagten Arbeitgeber beschäftigt. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung war er 34 Jahre alt, getrenntlebend und einem Kind zum Unterhalt verpflichtet.

Bereits seit dem Jahre 2002 wurden dem Arbeitnehmer insgesamt sechs schriftliche Abmahnungen erteilt. Bei der fünften und sechsten Abmahnung ging es um Verstöße gegen die Verpflichtung des Arbeitnehmers während seiner Raucherpausen an- und abzustempeln. Die Abmahnungen waren allerdings nicht auf einzelne Vorfälle konkretisiert.

Im Jahre 2007 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich wegen Nichtabstempeln von Raucherpausen. In einem nachfolgend protokollierten Vergleich einigte man sich auf die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Bedingungen.

Im Dezember 2008 erteilte der Arbeitgeber eine schriftliche Betriebsanweisung zum Rauchverbot, die dem hier klagenden Arbeitnehmer nachweisbar ausgehändigt wurde. Auch in dieser Betriebsanweisung war die klare Ankündigung aufgenommen, Verstöße mit einer fristlosen Kündigung zu ahnden.

Trotz der Betriebsanweisung legte der Arbeitnehmer eine Woche später an zwei verschiedenen Tagen Raucherpausen ein, ohne die Pausen abzustempeln.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers stattgegeben.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts aufgehoben und die fristlose Kündigung als wirksam angesehen.

I. Wichtiger Grund an sich

Der Arbeitnehmer hat in zwei Fällen, was im Rahmen einer Beweisaufnahme vor dem Landesarbeitsgericht durch Zeugen bestätigt wurde, das Zeiterfassungsgerät während seiner Raucherpausen nicht bedient. Dadurch hat er seinen Arbeitgeber veranlasst, ihm Arbeitsentgelt zu zahlen, ohne die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Die Erbringung der Arbeitsleistung in der geschuldeten Zeit ist die Hauptpflicht, die der Arbeitnehmer schuldet. Verstöße in diesem Bereich berühren den Kernbereich des gegenseitigen Austauschverhältnisses.

Dies begründet einen wichtigen Grund nach § 626 Abs. 1 BGB an sich. Aber: Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht.

II. Eindeutige Warnung

Mit der Betriebsanweisung zum Rauchverbot hat der Arbeitgeber die eindeutige Regelung getroffen, dass Raucherpausen abzustempeln sind. Eine solche Regelung ist auch zulässig. Der Arbeitgeber ist berechtigt, das Rauchen am Arbeitsplatz zu untersagen. Ein Anspruch auf bezahlte Raucherpausen besteht nicht. Die Pflicht, die Zeit des Rauchens auszustempeln, stellt auch keine unverhältnismäßige Belastung der Raucher dar. Die Raucher leisten während der Zigarettenpause keine Arbeit, weshalb schon aus diesem Grund eine Pflicht zum Ausstempeln gerechtfertigt ist. Besteht eine ausdrückliche Pflicht zum Ausstempeln und bedient ein Arbeitnehmer das Zeiterfassungsgerät nicht, so veranlasst er den Arbeitgeber, ihm Entgelt zu zahlen, ohne die geschuldete Leistung erbracht zu haben. Verstöße in diesem Bereich rechtfertigen eine außerordentliche Kündigung.

III. Unwirksame Abmahnungen und verbleibende Warnfunktion

Der Arbeitnehmer wurde mehrfach abgemahnt. Damit hat der Arbeitgeber deutlich gemacht, dass er ein bestimmtes Verhalten nicht hinnehmen werde. Diese Klarstellungsfunktion kommt auch einer unwirksamen Abmahnung zu, wenn aus ihr deutlich hervorgeht, dass der Arbeitgeber im Wiederholungsfall kündigen wird. Zwar waren die fünfte und sechste Abmahnung nicht konkret dokumentiert. Es war nicht ersichtlich, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit der Kläger Raucherpausen nicht abgestempelt haben soll. Dennoch konnte er eindeutig erkennen, welches Verhalten von ihm erwartet und welches Fehlverhalten der Arbeitgeber als so schwerwiegend ansieht, dass es aus seiner Sicht Anlass zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geben wird. Der Kläger konnte – bezogen auf das Abstempeln von Raucherpausen – den beiden Abmahnungen klar und deutlich entnehmen, was er nach Meinung seines Arbeitgebers „tun und lassen“ sollte. Dies war ihm nochmals mit einer Betriebsanweisung und sogar einem zusätzlichen Einzelgespräch vor Augen geführt worden. Damit konnten bei ihm keinerlei Zweifel aufkommen, dass sein Arbeitgeber bei erneuten Verstößen gegen die Stempelpflicht die Konsequenzen ziehen und ihm fristlos kündigen wird.

IV. Nikotinabhängigkeit als Entschuldigungsgrund?

Der Arbeitnehmer kann das Nichtabstempeln der Raucherpausen nicht mit seiner Nikotinabhängigkeit entschuldigen. Auch wenn ein Raucher „von Zeit zu Zeit der Auffrischung des Nikotinspiegels“ bedarf, bedeutet dies nicht, dass es ihm suchtbedingt unmöglich ist, die Stempeluhr zu betätigen. Hier besteht keinerlei Kausalität. Der Arbeitgeber war daher vor Ausspruch der Kündigung nicht verpflichtet, mit dem Arbeitnehmer zu erörtern, wie seiner Nikotinsucht entgegengewirkt werden könnte. Daher mussten ihm auch keine Hilfsmaßnahmen zur Raucherentwöhnung angeboten werden.

V. Aufrechterhaltung der Betriebsdisziplin

Das Landesarbeitsgericht hat schließlich mit deutlichen Worten ausgeführt, dass Arbeitgeber durchaus ein Interesse an der Aufrechterhaltung der Betriebsdisziplin haben können und dies bei der allgemeinen Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers berücksichtigt werden müsse. Arbeitgeber dürfen berücksichtigen, wie es sich auf die anderen Arbeitnehmer auswirkt, wenn ein bestimmtes Verhalten sanktionslos hingenommen wird. Raucherpausen sind, wenn sie unbezahlt geduldet werden, in den meisten Betrieben Gegenstand kontroverser Diskussionen. Um solche Diskussionen zu vermeiden und so letztlich die Zusammenarbeit aller zu fördern, besteht ein anerkennenswertes und nachvollziehbares Interesse des Arbeitgebers an der Durchsetzung der Stempelpflicht. Es ist deshalb ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers anzuerkennen, im Interesse der Betriebsdisziplin auf das Nichtausstempeln von Zigarettenpausen hart zu reagieren.

Fazit:

Die Entscheidung macht deutlich, dass wiederholte Verstöße von Arbeitnehmern gegen die Stempelpflicht bei Raucherpausen zur fristlosen Kündigung führen können. Arbeitgebern ist allerdings zu raten, klare und eindeutige Betriebsanweisungen zu erlassen und diese auch in angemessenen Zeitabständen zu kontrollieren. Zudem kann grundsätzlich nicht beim ersten Verstoß gekündigt werden. Hier sollte zunächst mit Abmahnungen deutlich gemacht werden, dass Wiederholungstäter mit der fristlosen Kündigung rechnen müssen.

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