Amtliche Leitsätze:

1. Der Träger eines Krankenhauses ist nicht gehalten, einem Patienten Rechtsrat zu erteilen, oder gar ein Testament aufzusetzen. Ihn trifft jedoch aus dem Krankenhausaufnahmevertrag die Schutzpflicht, alles zu unterlassen, was die Errichtung eines wirksamen Testaments gefährden oder verhindern könnte.

2. Wenn er – wozu keine Verpflichtung besteht – die Mitwirkung an der Errichtung eines Testaments übernimmt, hat er sich entsprechend sachkundig zu machen, um eine formunwirksame Erbeinsetzung zu vermeiden. Anderenfalls ist seine Mitwirkung nämlich geeignet, die Errichtung eines wirksamen Testaments zu gefährden bzw. zu verhindern.

3. Die danach bestehenden Schutzpflichten aus dem Krankenhausaufnahmevertrag bestehen nicht nur zugunsten des Patienten und Erblassers, sondern gem. § 328 BGB auch zugunsten des vorgesehenen Erben.

4. Die schuldhafte Verletzung dieser Schutzpflicht durch einen Mitarbeiter, der an der Errichtung eines formunwirksamen Testaments maßgeblich mitwirkt, muss sich der Träger eines Krankenhauses gem. § 278 BGB zurechnen lassen.

Der Fall

Klägerin war die langjährige Lebensgefährtin des im Krankenhaus der Beklagten verstorbenen Erblassers.  Dieser befand sich bereits seit längerer Zeit in ärztlicher Behandlung, unter anderem auch bei der Beklagten. Im November 2006 wurde er im Krankenhaus der Beklagten stationär aufgenommen und durch einen Mitarbeiter des sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten betreut.

In den Gesprächen mit diesem Mitarbeiter ging es u.a. auch um die Notwendigkeit, ein Testament zu errichten, um die Klägerin finanziell abzusichern. Nachdem der Patient von den Ärzten eindringlich auf die Verschlechterung seines Gesundheitszustands hingewiesen wurde, entschloss er sich am 06.12.2006, zugunsten der Klägerin zu testieren. Daraufhin kam es noch am gleichen Tag zur Errichtung eines Testaments, das der Mitarbeiter des Krankenhauses entworfen und – da der Patient nicht mehr richtig schreiben konnte – selbst maschinell geschrieben hatte. Das Testament hatte  folgenden Inhalt:

„Ich, … , z.Z. stationär in der Uniklinik F, im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte, möchte, dass mein gesamtes Vermögen nach meinem Tod an meine alleinige Erbin und Lebenspartnerin, … – geb. am … in F, übergeht. Aufgrund meiner Krebserkrankung bin ich in meinen körperlichen Funktionen stark eingeschränkt. Auf meinen ausdrücklichen Wunsch wurde ich bei der Erstellung dieses Testaments seitens der Uniklinik F. unterstützt. Um eventuelle Zweifel an meiner Geschäftsfähigkeit auszuräumen, beurkunden die untenstehenden Zeugen diese mit ihrer Unterschrift.“

Der Mitarbeiter der Beklagten las das Testament dem Patienten in Gegenwart der Klägerin und einer weiteren Zeugin vor. Anschließend unterschrieb der Patient, der zu diesem Zeitpunkt unstreitig noch geschäftsfähig war, das Testament ebenso wie die Zeugen. Kurze Zeit später erhielt der Patient erstmals Morphiumpräparate, verlor das Bewusstsein und verstarb am 08.12.2006.

Nach seinem Tod händigte der Mitarbeiter des Krankenhauses das Testament der Klägerin aus. Diese beantragte beim zuständigen Amtsgericht einen Erbschein. Der Antrag wurde zurückgewiesen, da das Testament wegen der Hinzuziehung von nur zwei Zeugen als Nottestament nicht wirksam sei. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Klägerin blieb erfolglos.

Die Klägerin verklagte daraufhin vom Krankenhausträger Schadensersatz wegen der fehlgeschlagenen Erbeinsetzung und machte einen ersten Teilbetrag in Höhe von 78.931,37 € aus dem ihr insgesamt zustehenden Schadensersatzanspruch geltend.

Sie vertrat die die Auffassung, dass die Beklagte die formunwirksame Erbeinsetzung zu verantworten habe. Die Mitwirkung bei der Errichtung eines Nottestaments sei eine Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag. Dieser Punkt gehöre zur allgemeinen Ausbildung des Pflegepersonals und erst Recht zur Ausbildung im sozialmedizinischen Dienst. Jedenfalls liege aber ein Übernahmeverschulden der Beklagten vor. Wer sich bereit erkläre, ein Nottestament zu errichten, müsse für die Wirksamkeit haften. Der Mitarbeiter der Beklagten habe stets erklärt, er werde sich um die Errichtung des Testaments kümmern, er sei auch fachlich in der Lage, ein Nottestament zu verfassen. Den Rat, einen Notar oder Rechtsanwalt hinzuzuziehen, habe er nie erteilt. Es liege daher eine schuldhafte Pflichtverletzung des Mitarbeiters vor, die sich die Beklagte zurechnen lassen müsse. Die Pflichtverletzung sei auch kausal für den eingetretenen Schaden geworden. Denn der Erblasser habe die Klägerin absichern und deshalb testieren wollen. Die Klägerin und der Erblasser hätten sich darauf verlassen, dass das errichtete Testament gültig sei und die Klägerin Alleinerbin werde. Hätte der Mitarbeiter der Beklagten darauf hingewiesen, dass ihm die notwendigen Rechtskenntnisse fehlten, hätte man sich Rechtsrat geholt und ein formwirksames Testament errichtet.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Gericht bejahte einen Schadenersatzanspruch der  Klägerin mit der Begründung, die Beklagte habe eine auch  zugunsten der Klägerin bestehende Schutzpflicht aus dem zwischen ihr und dem Erblasser bestehenden Krankenhausaufnahmevertrag verletzt.

Der Beklagten ist nach Auffassung des Gerichts eine Verletzung der ihr aus dem Krankenhausaufnahmevertrag obliegenden Schutzpflichten anzulasten. Dabei ließ das Gericht offen, ob der Beklagten schon ein sogen. „Organisationsverschulden“ vorzuwerfen ist, weil sie es (möglicherweise) unterlassen hat, ihr Personal hinreichend darüber zu belehren, wie es sich bei Wünschen der Patienten nach einer Testamentserrichtung zu verhalten hat. Jedenfalls aber müsse sie sich die von ihrem Mitarbeiter im Zusammenhang mit der Errichtung des formunwirksamen Testaments begangene schuldhafte Pflichtwidrigkeit gem. § 278 S.1 BGB zurechnen lassen, da der bei ihr beschäftigte Mitarbeiter ihr Erfüllungsgehilfe sei, soweit es um Schutzpflichten aus dem Krankenhausaufnahmevertrag geht.

Diese Schutzpflichten habe der Mitarbeiter dadurch verletzt, dass er maßgeblich an der Errichtung eines unwirksamen Testaments mitgewirkt hat. Das von ihm maschinenschriftlich verfasste und von dem zwischenzeitlich verstorbenen Erblasser unterzeichnete Testament zugunsten der Klägerin genügte – was unstreitig ist – weder den Anforderungen an ein eigenhändiges Testament im Sinne von § 2247 BGB noch denen eines Nottestaments nach § 2250 BGB, da nicht drei unbeteiligte Zeugen bei der Errichtung mitgewirkt haben. Die Klägerin ist somit nicht Erbin geworden.

Zwar sei der Träger eines Krankenhauses nicht gehalten, einem Patienten Rechtsrat zu erteilen, oder gar ein Testament aufzusetzen. Die vom Krankenhausvertrag umfasste Pflicht zur Betreuung bei bestimmten sozialen Problemen beinhaltet gerade keine Pflicht zur Rechtsberatung. Der Träger eines Krankenhauses sei jedoch verpflichtet, einem Patienten bei der Testamentserrichtung die zumutbare Unterstützung zu gewähren und dabei insbesondere alles zu unterlassen, was die Errichtung eines wirksamen Testaments gefährden oder verhindern könnte. Er hat daher ggf. zur Hinzuziehung eines Rechtsanwalts oder Notars zu raten. Wenn er jedoch – wozu er nicht verpflichtet ist – die Mitwirkung an der Errichtung eines Testaments übernimmt, hat er sich entsprechend sachkundig zu machen, um eine formunwirksame Erbeinsetzung zu vermeiden. Anderenfalls ist seine Mitwirkung nämlich geeignet, die Errichtung eines wirksamen Testaments zu gefährden bzw. zu verhindern.

Die der Beklagten obliegenden Schutzpflichten der Beklagten bestanden dabei nicht nur zugunsten des Erblassers. Vielmehr sei auch die Klägerin als vorgesehene Erbin in diesen Pflichtenkreis einbezogen. Der Erblasser hatte an der Einbeziehung seiner Lebensgefährtin in den Pflichtenkreis ein besonderes Interesse, da er ihr aufgrund der langjährigen Partnerschaft Schutz und Fürsorge schuldete. Für die Beklagte war sowohl die Drittbezogenheit ihrer Pflichten im Rahmen der Testamentserrichtung als auch das Einbeziehungsinteresse des Erblassers klar erkennbar. Die Klägerin stand nämlich während der Behandlung des Erblassers bei der Beklagten in einem andauernden Vertrauensverhältnis zu deren Mitarbeitern und war regelmäßig an Gesprächen über die Angelegenheiten des Erblassers beteiligt. Bei der Testamentserrichtung sollte es erkennbar um ihre finanzielle Absicherung gehen. Da ein anderweitiger Anspruch der Klägerin aus dem hier maßgeblichen Sachverhalt nicht ersichtlich ist, ist sie auch schutzbedürftig.

Gegen die der Beklagten – auch gegenüber der Klägerin – obliegenden Schutzpflichten hat der bei ihr beschäftigte Mitarbeiter dadurch verstoßen, dass er unstreitig bei der Errichtung des Testaments mitwirkte, ohne sich vorher über die Wirksamkeitserfordernisse zuverlässig zu informieren. Er hätte daher pflichtgemäß entweder die Mitwirkung bei der Testamentserrichtung ablehnen oder sich vorher sachkundig machen müssen, um zu verhindern, dass der Erblasser und die Klägerin irrtümlich auf eine formgültige Erbeinsetzung vertrauten.

Eine Pflichtverletzung könnte allenfalls dann verneint werden, wenn der Mitarbeiter der Beklagten den Erblasser und die Klägerin unmissverständlich darauf hingewiesen hätte, dass er wegen fehlender Rechtskenntnisse keine Gewähr für die Wirksamkeit des Testaments übernehmen könne und daher die Hinzuziehung eines Notars oder Rechtsanwalts anrate. In diesem Fall wäre sein Verhalten nämlich nicht mehr geeignet gewesen, einen Irrtum über die formgerechte Errichtung eines Testaments zu erregen. Einen solchen Hinweis hatte der Mitarbeiter allerdings nicht gegeben.

Die Pflichtverletzung war auch kausal für den eingetretenen Schaden. Denn der Pflichtverstoß führte dazu, dass der Erblasser im Vertrauen darauf, ein wirksames Testament bereits errichtet zu haben, die Errichtung eines wirksamen Testaments unterließ.

Hinweis für die Praxis:

Die Entscheidung ist gleich in mehrerlei Hinsicht lehrreich:

1. Das Verhalten des Mitarbeiters war sicherlich unglücklich, hätte aber vermieden werden können, wenn dazu im Krankenhaus eine klare Dienstanweisung existiert hätte, die es Mitarbeitern untersagt, an der Errichtung von Testamenten mitzuwirken.

Krankenhausträger sollten deshalb vorsorglich Anweisungen erlassen, die das Verhalten ihrer Mitarbeiter für den Fall regeln, dass ein Patient sie auf die Errichtung eines Testaments anspricht. Zur Vermeidung jeglichen Risikos sollte darin geregelt werden, dass die Mitarbeiter an der Errichtung eines Testaments nicht mitwirken dürfen, sondern Patienten grundsätzlich an spezialisierte Rechtsanwälte oder Notare verweisen sollten. Es schadet gleichwohl nicht, jedenfalls die Mitarbeiter, welche Patienten mit infauster Prognose betreuen (insbes. der sozialmedizinische Dienst und Mitarbeiter auf Palliativ-Stationen), jedenfalls mit den formalen Anforderungen an Testamente vertraut zu machen.

2. Allerdings waren sowohl der Patient als auch seine Lebensgefährtin an der Situation nicht unschuldig: Denn auf die Idee, besser einen Anwalt oder Notar hinzuzuziehen als einen Mitarbeiter des Krankenhauses ohne juristische Ausbildung, hätten sie auch selbst kommen können. Auch wenn das OLG der Klägerin Recht gab, hätte sich eine solche juristische Auseinandersetzung leicht vermeiden lassen.

Patienten sollten daher rechtzeitig professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Rechtsanwälte und Notare kommen bei Bedarf auch ans Krankenbett. Eine solche Beratung ist jedenfalls bei weitem preiswerter als ein späterer Rechtsstreit durch mehrere Instanzen.

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