15.05.2002 -

I. Job-AQTIV: Was ist das?

 

Das Job-AQTIV-Gesetz ist am 01.01.2002 in Kraft getreten und setzt sich letztlich aus Änderungen verschiedener arbeits- und sozialrechtlicher Gesetze zusammen. Job-AQTIV steht dabei für Aktivieren, Qualifizieren, Trainieren, Investieren, Vermitteln. Die Bundesregierung verfolgt mit diesem Gesetz vorrangig das Ziel, neue Impulsive für den Arbeitsmarkt zu geben und durch die Einführung präventiver Maßnahmen insbesondere das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit schon vor seiner Entstehung zu bekämpfen. Hierzu wurde im Job-AQTIV-Gesetz eine Vielzahl von Maßnahmen zusammengefasst.

 

II. Job-AQTIV und Sozialrecht

 

Durch erhebliche Modifikationen im Arbeitsförderungsrecht (SGB III) soll erreicht werden, dass auf der einen Seite die Mittel staatlicher Arbeitsförderung zielgerichteter eingesetzt werden, auf der anderen Seite die Arbeitslosen selbst eine größere Eigenverantwortung für ihr Schicksal auf dem Arbeitsmarkt übernehmen.

 

1.  So soll beispielsweise schon ein die Einstellung verhinderndes Verhalten bei Bewerbungsgesprächen zu einer bis zu 12 Wochen dauernden Sperrfrist für staatliche Leistungen führen und nicht erst wie bisher eine grundlose Arbeitsablehnung. Unterstützt wird die Einbindung des Arbeitssuchenden in den Vermittlungsprozess durch die Einführung sog. Eingliederungsvereinbarungen (§ 35 SGB III), in welchen sich Arbeitsamt und Arbeitssuchender über zu ergreifende Maßnahmen bindend einigen.

 

2.   Weiterhin steht nunmehr am Beginn jeglicher Vermittlungsversuche durch das Arbeitsamt ein sog. „Profiling“ (§ 6 SGB III), durch welches ein umfassendes Bewerberprofil erstellt werden soll, um frühzeitig Hindernisse für die berufliche (Wieder-) Eingliederung erkennen und bekämpfen zu können. Aus diesem Grunde können ab sofort auch alle Arbeitsförderungsinstrumente frühzeitig und nicht erst nach Ablauf einer Mindestdauer der Arbeitslosigkeit angewendet werden.

 

3.   Eine weitere Neuerung ist die sog. „Job-Rotation“ (§ 229 SGB III), die im Ergebnis darauf abzielt, eine bessere Qualifizierung von Mitarbeitern sicherzustellen. Dem Arbeitgeber, der seine Mitarbeiter an einer Qualifizierungsmaßnahme teilnehmen lässt, soll im Wege der „Job-Rotation“ die Möglichkeit eröffnet werden, zur Vermeidung von Personalengpässen den frei gewordenen Arbeitsplatz mit einem Arbeitslosen zu besetzen. Für die hierdurch zusätzlich entstehenden Lohnkosten kann der Arbeitgeber Erstattung verlangen. Neben der Qualifizierung von Arbeitnehmern soll hierdurch „nebenbei“ erreicht werden, dass Arbeitslose wieder in das Berufsleben integriert werden. Die Praxistauglichkeit muss sich allerdings erst noch erweisen. Schließlich muss der Arbeitgeber die jeweiligen Qualifikationsmaßnahmen selbst bezahlen.

 

4.   Weitere Regelungen des Job-AQTIV-Gesetz beschäftigen sich mit der besonderen Förderung von Frauen, Jugendlichen und älteren Arbeitlosen.

 

5.  Durch die Einführung von Sperrfristen im Zusammenhang mit öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahmen (ABM und SAM) soll in Zukunft verhindert werden, dass Langzeitarbeitslose von einer öffentlichen Maßnahme zur nächsten geschickt werden, ohne tatsächlich ins Arbeitsleben integriert zu werden.

 

III. Job-AQTIV und Arbeitsrecht

Arbeitsrechtliche Probleme wird die im Rahmen des Job-AQTIV-Gesetzes vorgenommene Modifikation des Arbeitnehmer-Überlassungs-Gesetzes (AÜG) nach sich ziehen. Das AÜG erlaubt Verleiherunternehmen, Arbeitnehmer für einen bestimmten Zeitraum an andere Betriebe zum dortigen Einsatz zu „verleihen“. Dabei bleibt der Mitarbeiter aber Arbeitnehmer des Verleihers.

 

1.   Kern der Neuerung ist eine Verlängerung der Überlassungshöchstdauer von 12 auf 24 Monate (§ 3 I Nr. 6 AÜG). Dieser Verlängerung wurde trotz bestehender sozialpolitischer Bedenken aufgrund der angespannten Arbeitsmarktlage vorgenommen. Aus § 1 II AÜG folgt allerdings, dass diese Verlängerung nur für gewerbsmäßige Verleiher, nicht jedoch für private gilt. Bei privaten Verleihern wird weiterhin mit Ablauf des zwölften Monats vermutet, dass keine Arbeitnehmerverleihe, sondern eine –vermittlung vorgenommen wurde. Welche Folge diese Vermutung aber haben soll, ist umstritten. Das BAG hat hierzu am 28.06.2000 (7 AZR 100/ 99) entschieden, dass aus der Vermutung jedenfalls nicht gefolgert werden könne, zwischen dem Entleiher und dem Arbeitnehmer sei ein neues Arbeitsverhältnis begründet wurde, da es an übereinstimmenden Willenserklärungen fehle.

 

2.   Die für Arbeitgeber massivste Änderung besteht in dem neuen Absatz 5 des § 10 AÜG. Danach hat der verliehene Arbeitnehmer nach Ablauf von zwölf Monaten gegen dem (gewerblichen) Verleiher einen Anspruch darauf, zu denselben Arbeitsbedingungen wie sie vergleichbaren Arbeitnehmern beim Entleiher zugestanden sind, beschäftigt zu werden. Trägt der Verleiher diesem Anspruch nicht Rechnung, begeht er gemäß § 16 I Nr. 7 AÜG eine Ordnungswidrigkeit. Abgesehen von der gesetzlich nicht geregelten Frage, was geschieht, wenn die Arbeitsbedingungen des Entleihers hinter denen des Verleihers zurückbleiben, dürfte diese Bestimmung mit der in Art. 9 III GG gewährleisteten Koalitionsfreiheit nicht vereinbar sein. Denn die vorgeschriebene Anpassung der Arbeitsbedingungen kann für den Verleiher eine Übernahme tariflich vereinbarter Bedingungen bedeuten, obwohl er selbst keiner Tarifbindung unterliegt. Weiterhin stellt sich die Frage, wie zu verfahren ist, wenn die vergleichbaren Arbeitnehmer Sachleistungen wie Dienstwagen, Aktienoptionen etc. erhalten. Hier wird man nicht verlangen können, dass der Verleiher dieselben Leistungen erbringen muss, sondern es wird eine geldwerte Entschädigung ausreichen müssen.

 

3.  Zwar ist die Verlängerung der Überlassungsfristen im Rahmen des neuen § 3 I Nr. 6 AÜG aus arbeitsmarktpolitischer Sicht zu begrüßen ist. Der neue § 10 Abs. 5 AÜG wirft hingegen für die Praxis eine Vielzahl von Fragen auf, die durch das Gesetz nicht beantwortet werden, und begegnet überdies erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken.

 

Verfasserin: Rechtsanwältin Ebba Herfs-Röttgen

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