18.05.2011 -

Der Fall:

Zu beurteilen hatte das AG Nürtingen die Strafbarkeit einer „selbständigen Zahnkosmetikerin“. Die gelernte zahnmedizinische Fachassistentin führte in ihrem Zahnkosmetikstudio Behandlungen mit einem sogenannten Airflow-Pulverstrahlgerät in dem Wissen durch, nicht zur Ausübung der Zahnheilkunde berechtigt zu sein.

Die rechtlichen Grundlagen:

Das AG Nürtingen untersuchte die Strafbarkeit der Angeklagten nach § 18 Nr. 1 ZHG. Nach 18 Nr. 1 ZHG macht sich unter anderem strafbar, wer die Zahnheilkunde ausübt, ohne im Besitz einer Approbation oder Erlaubnis als Zahnarzt zu sein. Ausübung von Zahnheilkunde definiert § 1 III ZHG als die berufsmäßige, auf zahnärztlich wissenschaftliche Erkenntnisse gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten. „Krankheit“ ist jede von der Norm abweichende Erscheinung im Bereich der Zähne, des Mundes und der Kiefer, einschließlich der Anomalien der Zahnstellung und des Fehlens von Zähnen. Das AG Nürtingen musste klären, ob die Behandlung mit einem Airflow-Gerät unter die Ausübung von Zahnheilkunde fällt.

Die Entscheidung:

Das AG Nürtingen hat die Assistentin schuldig gesprochen. Die Entfernung von Zahnverfärbungen und Zahnbelag unter Verwendung von Airflow-Geräten sei Ausübung der Zahnheilkunde nach § 1 III ZHG. Die Assistentin habe daher die Zahnheilkunde ohne die dafür notwendige Zulassung berufsmäßig ausgeübt.

Ob eine Behandlung der Ausübung der Zahnheilkunde und damit dem Zahnarztvorbehalt unterfalle oder ob es sich um eine rein kosmetische Behandlung handele, sei nach dem Risiko der Behandlung für den Patienten zu beurteilen und nicht nach deren Zweck. Der in § 1 I ZHG vorgeschriebene Zahnarztvorbehalts diene in erster Linie dem umfassenden Schutz des Patienten. Daran habe sich die Auslegung des Zahnheilkundegesetzes zu orientieren. Die nach § 1 V ZHG erlaubte Delegation von zahnmedizinischen Verrichtungen ändere daran nichts. Eine jederzeitige Kontrolle und Überwachung durch den Arzt sei so immer noch gewährleistet.

Die Zahnreinigung im Airflow-Verfahren berge ein hohes Risiko. Es bestehe die Gefahr der Schädigung des Zahnschmelzes und von Mikroverletzungen des Zahnfleisches, die bei Patienten mit Blutgerinnungsstörungen schwere Folgen haben könnten. Nur bei einer Ausführung durch den Zahnarzt oder im Wege der Delegation sei eine umfassende Kontrolle und eine sichere Therapieplanung gewährleistet. Dass die Ausübung von Zahnheilkunde nach § 1 III ZHG die Behandlung unter anderem von „Zahnkrankheiten“ darstellt, ändert an der Einordnung der Behandlung von Airflow-Geräten als Ausübung von Zahnheilkunde nichts. Zahnverfärbungen, welche über die genetisch bedingte Färbung der Zähne hinausgehen, seien nicht als Norm anzusehen. Die Entscheidung, ob eine Zahnverfärbung noch innerhalb der Norm oder schon krankhaft ist, müsse unter Berücksichtigung des umfassenden Patientenschutzes dem Zahnarzt vorbehalten bleiben.

Fazit:

Mit der für Patienten immer wichtiger werdenden Prophylaxe unterstellt das AG Nürtingen mit dem Airflow-Verfahren einen großen Bereich dem zahnärztlichen Vorbehalt. Es stellt klar, dass der Zahnarztvorbehalt dem Schutz des Patienten dient. Zugleich gibt es Kriterien an die Hand, die die Abgrenzung zwischen der vorbehaltlosen kosmetischen Behandlung und der unter Vorbehalt stehenden Ausübung von Zahnheilkunde erleichtern. Daumenregel: Zahnreinigung gehört in Zahnarzthand.

 

Siehe auch unseren Beitrag: AirFlow, Schönheit und die Zahnarzthelferin

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