28.06.2011 -

Der Arbeitgeber hat bei einer betriebsbedingten Kündigung die betroffenen Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der Dauer der Betriebszugehörigkeit, des Lebensalters, der Unterhaltspflichten und der Schwerbehinderung auszuwählen (sog. „Sozialauswahl“ nach § 1 Abs. 3 KSchG). Hierbei sind alle Kriterien grundsätzlich gleichrangig. Nach Ansicht des LAG Köln ist das Lebensalter jedoch höher zu bewerten als Unterhaltspflichten, wenn ein Arbeitnehmer altersbedingt denkbar schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat.  

Der Fall:

Der Kläger und sein Kollege K waren gleich lang beschäftigt, beide waren verheiratet und in der Führungsebene bei der Beklagten tätig. Während der Kläger 53 Jahre alt war, war sein Kollege erst 35 Jahre alt, dafür aber zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Die Beklagte kündigte dem Kläger unter dem 13. November 2009 ordentlich betriebsbedingt aufgrund verschiedener Umstrukturierungsmaßnahmen.

Die Entscheidung:

Das LAG Köln erklärte die Kündigung aufgrund einer fehlerhaften Sozialauswahl für unwirksam. Die Beklagte habe ihren Wertungsspielraum überschritten, indem sie die Unterhaltspflichten des Kollegen als höherwertig gegenüber dem Lebensalter des Klägers einstufte.

Hinweis für die Praxis:

Der Arbeitgeber hat die vier Kriterien des § 1 Abs. 3 KSchG jeweils „ausreichend“ zu berücksichtigen. In diesem Rahm steht ihm ein Wertungsspielraum zu, wie er die einzelnen Kriterien gewichtet. Die Auswahlentscheidung muss also vertretbar sein.

Nach Ansicht der Kammer hätte die Beklagte dem hohen Lebensalter des Klägers den Vorrang einräumen müssen. Die Unterhaltspflichten könnten die gravierenden Unterschiede beim Lebensalter nicht aufwiegen.

Der Kläger läge mit seinen 53 Jahren hinsichtlich der Chancen auf dem Arbeitsmarkt und der Perspektiven im schlechtmöglichsten Bereich. Dagegen sei das Alter des Kollegen mit 35 Jahren „geradezu optimal“, was die Chancen auf dem Arbeitsmarkt anbelangt.

Vor diesem Hintergrund müssten die Unterhaltspflichten zurücktreten. Es sei davon auszugehen, dass der jüngere Kollege innerhalb der Kündigungsfrist eine neue Beschäftigung gefunden hätte, so dass seine Unterhaltspflichten von der Kündigung nicht beeinträchtigt worden wären.

Fazit:

Das Kündigungsschutzgesetz stellt selbst keine Vorgaben auf, wie die einzelnen Sozialkriterien gegeneinander abgewogen werden sollen. Dies führt zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit. Das Gericht hat zwangsläufig eine eigene Bewertung vorzunehmen mit der Folge, dass jede Entscheidung eine Einzelfallentscheidung bleibt. Um eine ausreichende Berücksichtigung aller Kriterien zu erreichen, bietet sich die Verwendung eines Punkteschemas an. Zu beachten ist hierbei, dass die Aufstellung des Punkteschemas der Mitbestimmung nach § 95 BetrVG bedarf.

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Anja Stümper
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