31.07.2011

 

I.       Worum es geht

Gesellschafter einer GbR haften neben der Gesellschaft für Verbindlichkeiten der Gesellschaft – und untereinander haften sie als Gesamtschuldner. Dem dadurch komfortabel gestellten Gläubiger steht es danach frei, ob er einen oder alle Gesellschafter verklagt oder nur die Gesellschaft oder alle gemeinsam.

Entscheidet sich ein Gläubiger, die Gesellschaft zu verklagen und unterliegt er dabei rechtkräftig, hat ein nachfolgender Prozess gegen die Gesellschafter keinen Sinn, denn es gibt dann keine Verbindlichkeit der Gesellschaft, für die gehaftet werden kann. Wird also der Prozess gegen die Gesellschaft schlecht geführt, ist der Anspruch faktisch verloren und zwar allen gegenüber.

Den umgekehrten Fall hatte jetzt der BGH zu entscheiden. Hier hatte sich der Gläubiger entschlossen, direkt alle Gesellschafter zu verklagen und nicht die Gesellschaft selbst. Er verlor diesen Prozess rechtskräftig und ging dann mit der Erfahrung dieses verlorenen Vorprozesses nunmehr gegen die Gesellschaft vor.

Das OLG hielt diese zweite Klage für unzulässig, weil ihr die Rechtskraft des ersten entgegenstehe. Der BGH (Urteil vom 22.03.2011 − II ZR 249/09) hob das Urteil auf und verwies zurück.

II.      Die Entscheidung

Die Klage gegen die Gesellschaft ist entgegen der Auffassung des OLG zulässig.

1.      Rechtskraft eines im Prozess gegen die Gesellschafter ergangenen Urteils erstreckt sich nicht auf die Gesellschaft

„Nimmt ein Dritter in einem Rechtsstreit die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus ihrer persönlichen Haftung für eine Gesellschaftsschuld in Anspruch, entfaltet die Rechtskraft eines in diesem Prozess ergangenen Urteils keine Wirkung in einem weiteren Prozess, in dem er nunmehr den Anspruch gegen die Gesellschaft verfolgt. Dies gilt auch dann, wenn alle Gesellschafter am Vorprozess beteiligt waren.“

Denn die Rechtskraft eines im Prozess gegen die Gesellschafter ergangenen Urteils erstreckt sich nach § 325 ZPO nicht auf die Gesellschaft. Nach dieser Vorschrift wirkt die Rechtskraft eines Urteils grundsätzlich nur für und gegen die Parteien des Rechtsstreits, in dem das Urteil ergangen ist. Die bekl. Gesellschaft bürgerlichen Rechts war am Vorprozess nicht beteiligt. Parteien des Vorprozesses waren vielmehr ihre vier Gesellschafter. Bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und ihren Gesellschaftern handelt es sich um verschiedene Rechtssubjekte. Richtet sich eine Klage ausschließlich gegen die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sind nur diese und nicht auch die Gesellschaft am Verfahren beteiligt.

2.      Keine Bindungswirkung über § 129 Abs. 1 HGB

Auch kann nicht aus § 129 Abs. 1 HGB, der sinngemäß für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts Anwendung findet, die Bindungswirkung eines im Prozess gegen alle Gesellschafter ergangenen rechtskräftigen Urteils für und gegen die Gesellschaft hergeleitet werden. Die Vorschrift regelt vielmehr umgekehrt Inhalt und Umfang der Bindungswirkung eines gegen die Gesellschaft ergangenen rechtskräftigen Urteils für und gegen die Gesellschafter. Ein solches Urteil wirkt nach § 129 Abs. 1 HGB auch gegen die Gesellschafter, indem es ihnen die Einwendungen nimmt, die schon der Gesellschaft abgesprochen wurden.

3.      Keine Rechtskraftwirkung über § 736 ZPO

Die Rechtskraftwirkung eines Urteils gegen alle Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts für und gegen die Gesellschaft lässt sich nach Auffassung des BGH zudem nicht auf § 736 ZPO stützen.

§ 736 ZPO ordnet keine Rechtskrafterstreckung an, sondern bestimmt, dass zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen ein gegen alle Gesellschafter ergangenes Urteil erforderlich ist. Denn anders als bei der OHG (§ 124 Abs. 2 HGB) ist zur Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen nicht zwingend ein Titel gegen die Gesellschaft erforderlich, sondern es genügt auch ein Titel gegen alle einzelnen Gesellschafter, der im Hinblick auf ihre persönliche Mithaftung ergangen ist, um in das Gesellschaftsvermögen zu vollstrecken (Anmerkung: Ein Titel gegen alle Gesellschafter in diesem Sinne liegt dabei auch vor, wenn die Gesellschaft selbst verurteilt worden ist).

Die Interessen der Gesellschaft werden nicht unzumutbar beeinträchtigt, wenn wegen derselben Gesellschaftsschuld unterschiedliche Titel ergehen können. Der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme des Gesellschaftsvermögens kann dann dadurch begegnet werden, dass die Gesellschaft den Erfüllungseinwand in dem gegen sie geführten Prozess erhebt oder mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend macht.

Und weiter führt der BGH aus:

„Genügen nach § 736 ZPO mehrere in getrennten Verfahren erwirkte Titel gegen alle Gesellschafter für eine Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen, lässt sich eine Erstreckung der Rechtskraft auf die nicht am Prozess beteiligte Gesellschaft nicht mit der Begründung rechtfertigen, im Gesellschafterprozess sei eine das Verfahren (Art. 103 GG) und die Rechtskraft legitimierende Repräsentation der Gesellschaft durch ihre Gesellschafter gewährleistet. Selbst wenn die Klage – wie hier – gegen alle Gesellschafter gerichtet ist, werden die Interessen der Gesellschaft nicht in jedem Fall notwendigerweise durch ihre Gesellschafter wahrgenommen, weil die Interessen der Gesellschafter oder einzelner von ihnen durchaus auch gegenläufig sein können.“

Und schließlich weist der BGH die Bedenken zurück, es bestehe die Gefahr, ein der Klage stattgebendes Urteil in einem weiteren Prozess gegen die Gesellschaft wirke nach § 129 Abs. 1 HGB analog wiederum gegen die einzelnen Gesellschafter, die zuvor ja schon rechtskräftig gewonnen hatten. Dies treffe nicht zu. Einer erneuten Inanspruchnahme der einzelnen Gesellschafter aus ihrer Mithaftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft steht dann nämlich die Rechtskraft des klageabweisenden Urteils in dem gegen sie geführten Vorprozess entgegen.

III.     Fazit

Auch wenn die Begründung des BGH nicht in jedem Punkt überzeugt und gerade im Hinblick auf die Auslegung des § 736 ZPO noch Fragen offenlässt, so kann jedenfalls aus der Entscheidung eine prozesstaktische Überlegung abgeleitet werden, nämlich eine besondere Reihenfolge der Inanspruchnahme einzuhalten. Vorsorglich kann es sich für einen Gläubiger anbieten, primär die Gesellschafter – und zwar alle – klageweise in Anspruch zu nehmen.

  • Mit einem positiven Urteil gewinnt der Gläubiger dann einen Titel gegen mehrere Personen und damit mehrere Vollstreckungsschuldner und kann zugleich in das Gesellschaftsvermögen vollstrecken.
  • Verliert er das Verfahren, kann er immer noch gegen die Gesellschaft klagen und seine im ersten Prozess gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse verwerten.

Auf die Reihenfolge kommt es an.

Autor

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