Immer wieder schlagen Erben eine Erbschaft voreilig aus, weil sie Sorge haben, nichts als Schulden zu erben. Das kann sich im Nachhinein als teuer erweisen, wie ein aktueller Fall des OLG Düsseldorf (Beschluss v. 31.01.2011 – I-3 Wx 21/11) anschaulich zeigt.

Auch die Risiken eines unbekannten Nachlasses lassen sich meist begrenzen.
Daher gilt: Kühlen Kopf bewahren und rechtlichen Rat einholen.

Der Fall (verkürzt)

Die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann hatten 1957 einen notariellen Erbvertrag geschlossen, in dem sie sich wechselseitig zu Alleinerben bestimmten und darüber hinaus vereinbarten, dass ihre Stieftochter den Überlebenden beerben sollte.

Nach dem Tod der Mutter schlugen die Stieftochter und ihre beiden Kinder die Erbschaft aus, weil der Nachlass überschuldet zu sein schien.

Nachdem die Stieftochter eine Gerichtskostenrechnung erhalten hatte, in der ein Wert von 75.663,00 € zugrunde gelegt wurde, erklärte sie die Anfechtung der Ausschlagung mit der Begründung, sie sei irrtümlich von einer Überschuldung des Nachlasses ausgegangen.

Das Amtsgericht wies ihren Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, dass sie die Erblasserin beerbt habe, zurück. Die Beschwerde zum Oberlandesgericht blieb ohne Erfolg.

Der rechtliche Hintergrund

Es ist anerkannt, dass die Überschuldung eine verkehrswesentliche Eigenschaft eines Nachlasses darstellt, so dass die Fehlvorstellung, die Verbindlichkeiten könnten den Wert des Nachlasses übersteigen, grundsätzlich zur Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB berechtigen kann. Dies gilt aber nur dann, wenn die Fehlvorstellung auf unrichtigen Vorstellungen über die Zusammensetzung des Nachlasses beruht.

Hält also der Ausschlagende die nicht überschuldete Erbschaft für überschuldet, liegt ein Anfechtungsgrund vor, wenn der Irrtum kausal war. War dem Erben die etwaige Höhe seines erbrechtlichen Erwerbs hingegen gleichgültig, liegt kein Anfechtungsgrund vor, weil der Erbe sich dann gar keine Vorstellung gebildet hat, also auch nicht im Irrtum gewesen sein kann.

Die Begründung der Entscheidungen

Im vorliegenden Fall wurde die Anfechtung von Amts- und Oberlandesgericht als unwirksam angesehen. Ein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses gemäß § 119 Abs. 2 BGB liege nicht vor. Die Antragstellerin habe den Nachlass nicht aufgrund einer Bewertung ihr bekannter und zugänglicher Fakten ausgeschlagen, sondern aufgrund der vagen Vorstellung, dass ihre Stiefmutter auf öffentliche Unterstützung angewiesen und ihr vorverstorbener Vater schwer krank und berufsunfähig gewesen sei. Sie habe sich also ohne Überprüfung von der Annahme leiten lassen, der Nachlass sei überschuldet. Deshalb liege ein zur Anfechtung berechtigender Irrtum nicht vor .

Die Antragstellerin hat durch ihr voreiliges Handeln ohne Not auf einen Nachlass im Wert von ca. 75.000,00 € verzichtet!

Was tun, sprach Zeus…

Entgegen einer weit verbreiteten Fehlvorstellung haften Erben nicht grundsätzlich und uferlos für die Schulden Verstorbener. Denn dem Gläubiger soll zwar durch den Erbfall das Vermögen des Verstorbenen als Haftungsmasse nicht entzogen werden. Er soll sich aber durch den Erbfall auch nicht dadurch verbessern, nun einen neuen und ggf. besseren Schuldner zu haben.

Der Erbe ist Rechtsnachfolger in Bezug auf alle Rechte und Pflichten des Verstorbenen, haftet also auch für dessen Schulden. Das Erbrecht bietet aber ein umfangreiches Instrumentarium (z.B. Nachlassverwaltung und Nachlassinsolvenz), die Haftung des Erben auch nach Annahme der Erbschaft auf den Nachlass zu begrenzen und einen Zugriff der Gläubiger des Verstorbenen auf das Eigenvermögen des Erben zu verhindern.

Die Ausschlagung ist zwar der sicherste Weg, kann sich aber – wie obiger Fall zeigt – als voreilig erweisen. Sie erfordert außerdem oft eine Kaskade weiterer Ausschlagungen (Kinder, Enkel etc.).

Besser ist es daher, Ruhe zu bewahren, sich erst einmal so weit wie möglich über die Zusammensetzung des Nachlasses zu informieren und sich rechtlich beraten zu lassen. Manchmal ist eine Ausschlagung dann tatsächlich geboten.

Oft genügt es aber, die Haftung durch andere Maßnahmen auf den Nachlass zu begrenzen oder geschickt mit den Gläubigern zu verhandeln. Keinesfalls sollte man dies aber ohne rechtliche Begleitung tun. Denn es gibt zahlreiche Fallstricke, die doch zur unbeschränkten Haftung führen können. Umgeht man diese Fallstricke aber, entpuppt sich manch vermeintlich wertloser Nachlass bei näherer Betrachtung doch noch als  wertvoll – nicht nur ideell.

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