24.08.2011 -

Am 29.06.2011 hat das Bundessozialgericht (BSG) in mehreren Entscheidungen (Az. B 6 KA 17/10 R, B 6 KA 18/10 R und B 6 KA 19/10 R) entschieden, dass Kassenärztliche Vereinigungen (KV) Praxisspezialisierungen bei der Festlegung der Fallpunktzahlen für die Regelleistungsvolumina (RLV) berücksichtigen müsse. Die Entscheidung bezieht sich auf die vom 01.04.2005 bis zum 31.12.2008 geltenden RLV.

Vorausgegangen waren drei Rechtstreitigkeiten vor dem Sozialgericht Marburg und nachfolgend dem Landessozialgericht Hessen. Drei chirurgische Praxen hatten bei der KV Hessen den Antrag gestellt, ihnen höhere Fallpunktzahlen zuzuerkennen, da ihre Leistungsspektren von dem der Fachgruppe abwichen. Schwerpunkte der klagenden Praxen waren proktologische Untersuchungen sowie vermehrt durchgeführte sonographische Untersuchungen. Die den Praxen jeweils zugewiesene RLV seien für die Spezialisierungen nicht „passend“, da aufgrund der speziellen Ausrichtung das RLV der Chirurgen stets überschritten werde, so die Argumentation der Ärzte.

Vor dem hessischen Landessozialgericht waren die drei Praxen erfolgreich. Die KV sei aufgrund der Regelungen in ihrem Honorarverteilungsvertrag verpflichtet, das besondere Leistungsspektrum zu berücksichtigen.

Die Revisionen der KV zum BSG blieben ohne Erfolg. Das BSG betont: eine Ausnahmeregelung setze nicht notwendig voraus, dass ohne die Antragsteller die qualifizierten Leistungen im Planungsbereich nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung stünden. In Anlehnung an die Rechtsprechung des 6. Senats zur Erweiterung von Praxis- und Zusatzbudgets sei vielmehr zu fordern, dass eine im Leistungsangebot der Praxis zum Ausdruck kommende Spezialisierung und eine von der Typik der Arztgruppe abweichende Praxisausrichtung mit signifikantem Gewicht vorläge. Ein solch signifikanter Anteil sei anzunehmen, wenn dieser Spezialisierungsbereich in mindestens vier aufeinanderfolgenden Quartalen mindestens 20 % des gesamten RLV-Punktzahlvolumen ausmache. Sowohl die durchgeführten sonographischen, als auch die von den anderen Klägern durchgeführten proktologischen Leistungen könnten Gegenstand einer Spezialisierung sein. Bei der Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Entscheidung stehe der KV auch kein Beurteilungsspielraum zu.

Wenngleich es in den Entscheidungen um ein mittlerweile nicht mehr in Kraft befindliches Regelwerk geht, ist die Entscheidung interessant. Die Argumentation dürfte sinngemäß auch auf aktuelle Verfahren übertragbar sein, in denen Ärzte unter Verweis auf eine spezielle Ausrichtung (Praxisbesonderheiten) eine Erhöhung ihres RLV begehren. Nachdenklich macht die Entscheidung insbesondere in solchen KV Bezirken, in denen die örtliche KV die „Prüfung“ von Praxisbesonderheiten nur dergestalt vornimmt, dass eine rein rechnerische Überprüfung der Zahlen der Praxis vor und nach Einführung der RLV stattfindet.

Autor

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Wolf Constantin Bartha
  • Rechtsanwalt
  • Fachanwalt für Medizinrecht

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