19.09.2011

Das Landgericht Hamburg hat mit einem Urteil vom 14. Januar 2011 – 309 S 66/10 – die Berufung des Betreibers eines Internet-Adressregisters zurückgewiesen, der seine Kunden mittels unübersichtlicher, scheinbar kostenloser Dienstleistungsangebote zum Abschluss eines entgeltpflichtigen Vertrages verleitete. Parallele Konstellationen haben bereits bundesweit Verärgerung unter den Betroffenen hervorgerufen. Besonders „gerne“ sind auch Ärzte und Zahnärzte Opfer solcher Machenschaften. Offenbar hoffen die „Anbieter“ hier die Hektik des Praxisalltages ausnutzen zu können.

Der Hintergrund:

Sachverhalte in Zusammenhang mit sogenannten „Vertragsfallen“ stellen sich in der Regel wie folgt dar: Unternehmen, zumeist Betreiber von Internetseiten oder Herausgeber von „Branchenbüchern“, übersenden unaufgefordert Formulare oder Informationen.

Angeboten werden vordergründig kostenfreie (Teil-)Leistungen, die bei näherem Hinsehen jedoch den Abschluss langfristiger Verträge bei einem jährlichen „Leistungsentgelt“ zumeist im höheren dreistelligen Bereich beabsichtigen. Das Problem für „Kunden“: Die Vertragskonditionen sind im Prinzip korrekt wiedergegeben und auch tatsächlich in die Angebotsaufmachung integriert, weshalb sich ein Irrtum bzw. eine Täuschung durch den Anbietenden jedenfalls nicht offensichtlich aufdrängt; aber: diese – jedenfalls für den Kunden wissenswerten – Details sind häufig entweder stark verklausuliert oder aber im Kleingedruckten versteckt. Oft suggerieren die Angebote auch, man befinde sich bereits in Geschäftskontakt und es gehe nur noch um einen Datenabgleich.

Der Sachverhalt:

Im konkreten Fall betreibt die Beklagte als Berufungsklägerin ein Internet-Adressregister. Die Eintragungen sind überwiegend kostenlos, „Hervorhebungen“ indessen gegen Entgelt möglich. Der überwiegende Teil des Registers besteht aus (kostenlosen) Eintragungen von Unternehmen und Organisationen, deren Daten die Beklagte aus öffentlich zugänglichen Quellen entnommen hat. Der Kläger, ein eingetragener Verein, erhielt von der Beklagten im Jahre 2008 ein Anschreiben, in welchem darum gebeten wurde, die Richtigkeit und Vollständigkeit der bei der Beklagten verzeichneten Daten zwecks (regelmäßiger) Aktualisierung zu überprüfen. Dem Anschreiben war ein Formular mit diversen Textbausteinen beigefügt, auf dem unter anderem auch die Daten des Klägers schon vorvermerkt waren. Zusätzlich bekam der Kläger die Möglichkeit, drei Suchbegriffe auszuwählen, die das Auffinden der eigenen (Vereins-)Daten durch potentielle Kunden/Mitglieder erleichtern sollte. Nur aus einem kleingedruckten Absatz im unteren Bereich des Formulars ging hervor, dass durch die Eintragung von Suchbegriffen ein „Auftrag“ an die Beklagte im Umfang von zwei Jahren Vertragslaufzeit und einem jährlichen Entgelt von 958 Euro netto erteilt würde. Wie auch der Kläger sendeten eine große Anzahl von Behörden und Gewerbebetreibenden das jeweils auf sie gemünzte Formular unterschrieben in dem Glauben an die Beklagte zurück, es handele sich dabei lediglich um eine kostenlose Datenkorrektur.

Das Urteil:

Das Landgericht Hamburg bescheinigt der Beklagten in strafrechtlicher Hinsicht Betrug, in zivilrechtlicher Hinsicht eine arglistige Täuschung.  Eine Täuschungsabsicht, so die Kammer, werde nicht nur durch das Vorspiegeln falscher oder das Entstellen oder Verschweigen bestehender Tatsachen trotz Aufklärungspflicht, sondern auch durch jedes andere Verhalten zum Ausdruck gebracht, das geeignet sei, beim Gegenüber einen Irrtum hervorzurufen und den Entschluss zur Abgabe der gewünschten Willenserklärung zu beeinflussen. Insbesondere in Fällen, in denen der Verfasser eines Vertragsangebots mittels Aufmachung und Formulierung eine Art der Gestaltung wähle, die objektiv geeignet und subjektiv bestimmt sei, beim Adressaten eine fehlerhafte Vorstellung über die tatsächlichen Angebotsparameter hervorzurufen, könne eine Täuschung selbst dann angenommen werden, wenn der wahre Charakter des Schreibens bei sogfältigem Lesen hätte erkannt werden können

Die Gesamtschau der Umstände im vorliegenden Fall führte zu der Annahme einer von der Beklagten beabsichtigten Täuschung der angeschriebenen Unternehmen. Ein weiteres Indiz war der Umstand, dass die Beklagte das an den Kläger versandte Formular bereits mit dessen Daten vorausgefüllt hat. Eine derartige Vorgehensweise sei geeignet, bei dem Empfänger des Vertragsformulars den Eindruck zu erwecken, es handele sich nicht um eine neuartige Geschäftsbeziehung, sondern es solle eine bereits bestehende Vertragsbeziehung aufrechterhalten bzw. verlängert werden. Gerade wegen der unverbindlich klingenden Bitte um Überprüfung und Korrektur allgemein bekannter Daten sowie aufgrund des Umstandes, dass keiner der Adressaten mit Gesamtkosten von über 1.900 Euro für eine einfache Onlineeintragung rechnen musste, konnte die Beklagte darauf bauen, dass dieser – überhöhte – Preis zumindest von einigen Kunden schlicht übersehen wird. Daher war es vorliegend auch nicht entscheidend, dass der Kläger durch das „Überlesen“ der vollständigen Vertragsparameter selbst fahrlässig gehandelt habe.

Autor

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