09.10.2011 -

Das Befristungsrecht enthält immer wieder neue Fallstricke. Das Landesarbeitsgericht Thüringen hatte sich nun mit der Frage zu befassen, ob sich ein Arbeitgeber auf das Privileg der sachgrundlosen Befristung berufen darf, wenn er tatsächlich eine Sachgrundbefristung vereinbart hat, diese sich aber als unwirksam herausstellt (Thüringer Landesarbeitsgericht, Urt. v. 12.10.2010 – 7 Sa 425/09). Die wichtige Entscheidung möchten wir hier für die Praxis besprechen.

Der Fall (verkürzt):

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG am 28. Februar 2009 geendet hat.

Die klagende Arbeitnehmerin wurde bei der beklagten Stadt mit Formulararbeitsvertrag vom 25. Januar 2007 ab 1. März 2007 beschäftigt. Im Arbeitsvertrag war zur Befristung Folgendes geregelt:

„und zwar

[ ] wegen Vorliegen eines sachlichen Grundes nach § 14 Abs. 1 des TzBfG

          [ ] als Beschäftigte/r für folgende Aufgaben von begrenzter Dauer;

               Befristet bis zum

          [ ]  aus Aushilfsbeschäftigte/r

              [x] zur Vertretung der Personalratsvorsitzenden Frau R.

              [ ] zur zeitweiligen Aushilfe

              befristet bis zum 28.02.2009

[ ] ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes

          [ ] nach § 14 Abs. 2

              befristet bis“

Die Personalratsvorsitzende war freigestellt. Wegen Wechsels im Personalratsvorsitz endete ihre Freistellung zum 30. September 2008. Sie wurde ab 1. Oktober 2008 dauerhaft auf die Stelle der Sachgebietsleiterin Bürgerservice umgesetzt.

Die beklagte Stadt berief sich auf die vereinbarte Zeitbefristung und teilte der Klägerin mit, ihr Arbeitsverhältnis ende aufgrund Zeitbefristung am 28. Februar 2009. Die Arbeitnehmerin hingegen vertrat die Auffassung, im Arbeitsvertrag sei lediglich eine Befristung mit Sachgrund vereinbart worden. Das Kreuz für die befristete Einstellung sei im Bereich des sachlichen Grundes gesetzt. Ihr Arbeitgeber könne sich daher nicht mehr auf die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG berufen.

Das Arbeitsgericht hat die Befristungsklage abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.

I. Angabe des Befristungsgrundes nicht erforderlich

Die Angabe des Befristungsgrundes wird weder vom Schriftformerfordernis nach § 15 Abs. 4 TzBfG verlangt, noch enthält § 14 Abs. 2 TzBfG ein Zitiergebot. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts reicht es daher für die Anwendbarkeit des Erstbefristungsprivilegs aus, dass der Rechtfertigungsgrund für die sachgrundlose Befristung bei Vertragsschluss objektiv vorliegt.

II. Sachgrundlose Befristung ausdrücklich ausgeschlossen?

Nach der Rechtsprechung kommt es also nicht darauf an, ob die sachgrundlose Befristung ausdrücklich vereinbart ist, sondern darauf, ob sie arbeitsvertraglich ausgeschlossen ist. Der Arbeitgeber darf sich also mangels weiterer Anhaltspunkte auf den objektiv gegebenen § 14 Abs. 2 TzBfG berufen und hierauf ausweichen. Ob in einem Vertragsformular das „Kreuzchen“ bei § 14 Abs. 2 TzBfG gesetzt ist oder nicht, spielt keine Rolle. Die Vereinbarung eines Sachgrundes reicht damit für den vertraglichen Ausschluss der sachgrundlosen Befristung allein nicht aus. Das fehlende „Kreuzchen“ bei § 14 Abs. 2 TzBfG ist keine Regelung darüber, dass eine sachgrundlose Befristung ausgeschlossen ist, sondern eine Nichtregelung. Ebenso gut hätte der vorgegebene Passus zur sachgrundlosen Befristung gestrichen oder herausgenommen werden können. Im vorliegenden Fall waren sonstige Umstände, die für einen vertraglichen Ausschluss sprechen könnten, nicht ersichtlich.

Fazit:

Der bloßen Vereinbarung einer Sachgrundbefristung steht nicht entgegen, dass sich der Arbeitgeber später zusätzlich auch auf die Wirksamkeit des befristeten Arbeitsvertrages nach § 14 Abs. 2 TzBfG (Erstbefristungsprivileg) berufen darf. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Parteien die sachgrundlose Befristung arbeitsvertraglich positiv ausgeschlossen haben. Trotz dieser für Arbeitgeber positiven Rechtsprechung empfehlen wir grundsätzlich, den Befristungsgrund nicht in den Arbeitsvertrag aufzunehmen. Bei der Begründung der Wirksamkeit einer Befristungsvereinbarung bleiben so mehr Optionen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn speziell anwendbare Tarifverträge die Angabe des Befristungsgrundes ausdrücklich verlangen.

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