01.11.2011 -

GmbH-Geschäftsführer sind regelmäßig keine Arbeitnehmer. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist für Vertretungsorgane nicht eröffnet, § 5 Abs. 1 S. 3 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). Zuständig sind vielmehr die Kammern für Handelssachen bei den ordentlichen Gerichten. Problematisch sind aber die Fälle, in denen ein Arbeitnehmer zum Geschäftsführer befördert wird. Fehlt es an klaren schriftlichen Vereinbarungen, kann dies für die Gesellschaft unliebsame Folgen haben. Das Bundesarbeitsgericht hat in einer aktuellen Entscheidung die hierzu geltenden Grundsätze präzisiert (BAG, Urt. v. 15.03.2011 – 10 AZB 32/10).

Der Fall:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von mehreren ordentlichen Kündigungen und vorab über die Zulässigkeit des Rechtsweges.

Der Kläger war seit 1996 als kaufmännischer Angestellter bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten beschäftigt. Es existierte ein schriftlicher Arbeitsvertrag aus dem Jahre 2001. Das Arbeitsverhältnis wurde im Jahre 2006 auf die Beklagte übertragen. Das Jahresbruttogehalt betrug ca. 205.000,00 € zuzüglich Sonderzahlungen und variabler Vergütung.

Zum 1. Februar 2008 wurde der Kläger in die Geschäftsführung berufen. Eine schriftliche Vereinbarung wurde nicht geschlossen.

Ein Jahr später wurde dann der Kläger als Geschäftsführer aus wichtigem Grund abberufen. Die Abberufung wurde in das Handelsregister eingetragen. Kurze Zeit später kündigte die Gesellschaft das Geschäftsführeranstellungsverhältnis und mit weiterem Schreiben wurden vorsorglich „alle etwaigen bestehenden Arbeits- oder sonstigen Dienstverhältnisse“ zum nächstzulässigen Zeitpunkt gekündigt.

Der Geschäftsführer klagte hiergegen innerhalb von drei Wochen beim Arbeitsgericht. Er meint, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei gegeben, da er sich gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses wende. Sein ursprünglich bestehendes Arbeitsverhältnis sei mit seiner Berufung in die Geschäftsführung nicht wirksam aufgehoben und beendet worden. Es fehle an einem notwendigen schriftlichen Auflösungsvertrag. Nach seiner Abberufung als Geschäftsführer sei das ruhende Arbeitsverhältnis deshalb wieder aufgelebt.

Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Hamburg verwiesen (Kammer für Handelssachen). Auf die sofortige Beschwerde hat das Landesarbeitsgericht den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erklärt.

Die Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht hat im Rechtsbeschwerdeverfahren die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen bestätigt.

I. GmbH-Geschäftsführer keine Arbeitnehmer

Nach § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG gelten in Betrieben einer GmbH Personen nicht als Arbeitnehmer, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrag allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person berufen sind. Selbst wenn also das Anstellungsverhältnis als ein Arbeitsverhältnis zu qualifizierten sein sollte und deshalb materielles Arbeitsrecht zur Anwendung kommt, sind zur Entscheidung eines Rechtsstreits aus dieser Rechtsbeziehung allein die ordentlichen Gerichte berufen. Deshalb scheidet für eine Klage eines GmbH-Geschäftsführers gegen die Kündigung seines Anstellungsvertrages durch die GmbH der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen aus.

Aber: Nur dann, wenn der Rechtsstreit zwischen dem Mitglied des Vertretungsorgans und der juristischen Personen nicht das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis, sondern eine weitere Rechtsbeziehungbetrifft, greift die Fiktion des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG nicht ein. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist aber nach der Bestellung eines Arbeitnehmers zum Geschäftsführer in der GmbH eine weitere Rechtsbeziehung in dem genannten Sinne regelmäßig zu verneinen.

II. Schriftformerfordernis zwingend einzuhalten!

Mit dem Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrages wird nach ständiger Rechtsprechung aller zuständigen Senate des Bundesarbeitsgerichts das bisherige Arbeitsverhältnis des angestellten Mitarbeiters im Zweifel aufgehoben. Nach dem Willen der vertragsschließenden Parteien soll neben dem neu abgeschlossenen Geschäftsführerdienstverhältnis kein „ruhendes“ Arbeitsverhältnis fortbestehen, das nach der Abberufung als Geschäftsführer ggf. wieder auflebt. Dem Arbeitnehmer ist im Regelfall auch klar, dass, wenn nichts anderes vereinbart worden ist, mit dem Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrages die vertragliche Beziehung der Parteien auf eine neue Grundlage gestellt wird und er seinen Status als Arbeitnehmer aufgibt.

Hinweis für die Praxis:

Eine andere Auslegung kommt nur dann in Betracht, wenn deutliche Anhaltspunkte für die Absicht einer Fortführung des Arbeitsverhältnisses vorliegen. Es müssen insoweit weitere Umstände hinzutreten, aus denen sich ergibt, dass die Parteien neben dem Geschäftsführerdienstvertrag noch einen Arbeitsvertrag ruhend fortbestehen lassen und nach der Abberufung wieder realisieren wollten.

III. Mündliche Vereinbarung unwirksam

Die wirksame Aufhebung des früheren Arbeitsverhältnisses setzt die Einhaltung des Schriftformerfordernisses nach § 623 BGB voraus. Das Schriftformerfordernis wird regelmäßig schon durch den Abschluss eines schriftlichen neuen Geschäftsführerdienstvertrages gewahrt. Aus der schriftlichen Vereinbarung ergibt sich regelmäßig hinreichend deutlich die gleichzeitige Beendigung des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses.

Wird aber der neue Geschäftsführerdienstvertrag nur mündlich vereinbart, fehlt es an diesem Schriftformerfordernis. In diesen Fällen wird das ursprüngliche Arbeitsverhältnis gerade nicht schriftlich aufgehoben. Damit besteht es ruhend fort. Wird also ein zum Geschäftsführer beförderter Arbeitnehmer ohne schriftlichen Geschäftsführervertrag abberufen und wird das mündliche Geschäftsführerdienstverhältnis gekündigt, lebt das ursprünglich ruhende Arbeitsverhältnis wieder auf. Bei diesem ruhenden Arbeitsverhältnis handelt es sich dann um eine weitere Rechtsbeziehung. Diese weitere Rechtsbeziehung kann dann vor den Gerichten für Arbeitssachen als Arbeitsverhältnis durch Klage geltend gemacht werden.

Hinweis für die Praxis:

Das Bundesarbeitsgericht hat nochmals deutlich gemacht, dass dem Geschäftsführer in diesen Fällen kein Verstoß gegen Treu und Glauben entgegengehalten werden kann. Die Parteien können jederzeit eine schriftliche Vereinbarung treffen. Versäumt die Gesellschaft eine solche schriftliche Vereinbarung, steht es dem Geschäftsführer und früherem Arbeitgeber frei, sich auf ein ruhendes Arbeitsverhältnis zu berufen.

Fazit:

Soll ein langjähriger erfolgreicher Mitarbeiter zum Geschäftsführer bestellt werden, bedarf dies zwingend einer schriftlichen Vereinbarung. Andernfalls wird das Arbeitsverhältnis nicht wirksam aufgehoben. Der Mitarbeiter kann sich bei seiner Abberufung als Geschäftsführer auf das ruhende Arbeitsverhältnis berufen. Dieses Arbeitsverhältnis kann nur bei Vorliegen der Voraussetzungen einer sozialen Rechtfertigung nach dem Kündigungsschutzgesetz gekündigt werden. Liegen diese nicht vor, kann der Mitarbeiter seine Weiterbeschäftigung durchsetzen. Auf die Einhaltung der Schriftform ist daher besondere Sorgfalt zu verwenden. Wir empfehlen, frühere Arbeitsverhältnisse ausdrücklich aufzuheben.

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