Der Nachweis der Einzahlung einer Stammeinlage im Hinblick auf daraus resultierende Anschaffungskosten i.S. von § 17 Abs. 2 EStG muss nach 20 Jahren seit Eintragung der GmbH nicht zwingend allein durch den entsprechenden Zahlungsbeleg geführt werden
I. Worum es geht – Nachweis der Einzahlung auf die Stammeinlage zum Beleg der Anschaffungskosten
Wer wesentlich i.S. von § 17 Abs. 1 EStG an einer GmbH beteiligt ist, kann bei Auflösung der GmbH im Rahmen der Berechnung des daraus resultierenden Auflösungsverlusts (§ 17 Abs. 4 EStG) die eingezahlte Stammeinlage als Anschaffungskosten der Beteiligung (§ 17 Abs. 2 EStG, § 255 Abs. 1 HGB) ansetzen und den Verlust steuerlich nutzen.
Das Finanzamt verlangt dabei den Nachweis der Einzahlung der Stammeinlage. Dieser Nachweis kann schwierig werden, zumal wenn – wie im entschiedenen Fall – zwanzig Jahre oder mehr seit der Einzahlung verstrichen sind. Wie kann der Nachweis gelingen, wenn Einzahlungsbelege nicht mehr vorhanden sind?
II. Der Fall
Die Klägerin war Gesellschafterin der 1986 gegründeten F GmbH. Die Stammeinlagen waren laut Gründungsurkunde zur Hälfte sofort bar einzuzahlen, im Übrigen nach Anforderung der Geschäftsführer. 2006 lehnte das Amtsgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH mangels Masse ab. Die GmbH wurde im Handelsregister gelöscht.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2006 machte die Klägerin den Verlust aus der Beteiligung an der GmbH nach § 17 EStG im Halbeinkünfteverfahren geltend, den das Finanzamt jedoch unberücksichtigt ließ. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass sie die streitige Stammeinlage tatsächlich erbracht habe. Hierfür sei in der Regel ein Zahlungsbeleg vorzulegen. Die vorgelegten Bilanzen und Prüferbilanzen hielt das Finanzgericht nicht für ausreichend.
III. Die Entscheidung
Auf die Revision der Klägerin gab der BFH der Klage statt (Urteil vom 08.02.2011, IX R 44/10).
Ist eine unmittelbare Beweisführung durch Vorlage der Einzahlungsbelege nicht möglich, sind also keine Beweismittel vorhanden, aus denen sich direkt das Vorliegen einer beweisbedürftigen Tatsache ergibt, so sind vorhandene Hilfstatsachen (Indizien) zu würdigen, die mittelbar – auch über Erfahrungssätze – einen Schluss auf eine entscheidungserhebliche Haupttatsache ermöglichen.
Das Finanzgericht habe verkannt, dass es sich bei den von ihm als unmittelbare Beweismittel für die Einzahlung der Stammeinlage verworfenen Umständen, insbesondere
- der Einzahlungsverpflichtung lt. Gesellschaftsvertrag,
- der Bilanzierung ausstehender Einlagen bei der GmbH mit 0 DM wie auch
- der Eintragung der GmbH
um Indizien handelt, die in eine Gesamtwürdigung hätten einfließen müssen. Stattdessen hatte das Finanzgericht alle festgestellten Indizien nur je für sich, aber nicht insgesamt gewürdigt. Ohne den langen Zeitablauf seit Gründung der GmbH in eine Gesamtwürdigung miteinzubeziehen, hatte sich das Finanzgericht auf die Feststellung beschränkt, der Klägervortrag biete keinen Anlass, von den strengen Beweisanforderungen abzuweichen. Damit hatte das Finanzgericht das Erfordernis und den Inhalt der Gesamtwürdigung der vorhandenen Indizien wie auch die Ergiebigkeit einzelner Indizien verkannt.
Ergiebiges Indiz für die Einlageleistung der Klägerin ist der bilanzielle Ausweis der ausstehenden Einlage mit 0 DM und dessen Übernahme in die Prüferbilanz. Der Prüferbilanz verleiht der Umstand besonderes Gewicht, dass der Prüfer bei Nichtverzinsung einer nicht erbrachten Stammeinlage ggf. eine verdeckte Gewinnausschüttung zu veranschlagen gehabt hätte (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Wenn das Finanzamt in der Prüferbilanz aber den Ausweis der ausstehenden Einlagen mit 0 DM anerkannt hat, kann dies nicht mit bloßem neuerlichen Bestreiten seitens des Finanzamt entkräftet werden, stellt sich dies doch lediglich als Bestreiten ins Blaue hinein und damit als venire contra factum proprium [Zuwiderhandlung gegen das eigene frühere Verhalten als Unterfall des Verstoßes gegen Treu und Glauben] dar.
Auch die Eintragung der Gesellschaft bestätigt – zumindest, was die hierfür erforderliche Einlage betrifft – die Richtigkeit des bilanziellen Ausweises, zumal falsche Angaben über die Einlageleistung zum Zwecke der Eintragung der GmbH gemäß § 82 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG strafbewehrt sind.
Demgegenüber kann angesichts des langen Zeitablaufs seit der Eintragung der GmbH jedenfalls daraus, dass die Klägerin keinen Einzahlungsbeleg mehr vorweisen kann, kein Indiz dafür abgeleitet werden, dass keine Einzahlung erfolgt ist. Es wäre unverhältnismäßig, würde die Berücksichtigung der Stammeinlage als Anschaffungskosten nach 20 Jahren von der Vorlage des entsprechenden Zahlungsbelegs abhängig gemacht, wenngleich sie eine Aufbewahrungspflicht wie bspw. in § 147 AO nicht trifft.
IV. Fazit
Der praxisrelevanten – und praxisnahen – Entscheidung des BFH ist zuzustimmen. Wie die Zivilrechtsprechung in den parallelen Problemfällen des Nachweises der Einlageleistung gegenüber dem Insolvenzverwalter, gewährt der BFH dem Steuerpflichtigen entsprechende Nachweiserleichterungen. Insbesondere erteilt er der streng formalistischen Auffassung von Finanzämtern und dem Finanzgericht Köln eine Absage.
Dennoch zeigt dieser Fall, dass es sich vorsorglich empfiehlt, Einzahlungsbelege auch länger als zehn Jahre aufzubewahren, selbst wenn es keine dazu zwingende gesetzliche Vorschrift gibt. So können solche noch nach Jahrzehnten drohenden bösen Überraschungen vermieden werden.
Sind die Belege nicht mehr vorhanden, sollten rechtzeitig Hilfstatsachen (Indizien) gesammelt und dokumentiert werden, mit denen sich die damalige tatsächliche Einzahlung argumentativ darlegen lässt. Dazu bietet das Urteil gute Hilfestellung an.
Auszeichnungen
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„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2022/2023)
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„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2017-2021)
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