24.11.2011 -

„Social Media“ ist das Schlagwort der Stunde. Die Nutzung von sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter verbreitet sich rasant. In Deutschland soll es bereits 30 Mio. Nutzer geben. Die Entwicklungen im Web 2.0 haben längst auch die Geschäftswelt und damit das Arbeitsrecht erreicht. Mit arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen bei der Nutzung von sozialen Netzwerken hatte sich kürzlich das Arbeitsgericht Düsseldorf (7 Ca 2591/11) zu befassen:

Eine Auszubildende des Friseur-Berufs postete auf ihrer Facebook-Seite den Satz „Ab zum Arzt und dann Kofferpacken“. Nach ihrer Krankmeldung machte sie Urlaub auf Mallorca und stellte heitere Urlaubsbilder auf ihre Facebook-Seite. Weiter war ihren Facebook-Einträgen zu entnehmen, dass sie sich während der angeblichen Arbeitsunfähigkeit hatte tätowieren lassen und in Düsseldorf eine Diskothek besucht hatte. Der Arbeitgeber kündigte das Ausbildungsverhältnis außerordentlich fristlos mit der Begründung, die Auszubildende habe ihre Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht. Die angehende Friseurin berief sich darauf, sie sei in Absprache mit ihrem Arzt auf Mallorca gewesen. Der Aufenthalt sei für den Heilungsverlauf positiv gewesen.

Das Verfahren selbst schloss mit einem Vergleich, wonach das Ausbildungsverhältnis beendet wird und die Auszubildende 150,00 € und ein gutes Zeugnis erhält. Der Fall wirft aber die allgemeine Frage auf, ob der Arbeitgeber berechtigt ist, auf der Facebook-Seite seiner Arbeitnehmer nach Hinweisen auf Pflichtverletzungen zu suchen? Ist dies zu verneinen, stellt sich weiter die Frage, ob er die in unzulässiger Weise erhobenen Daten in einem anschließenden Kündigungsschutzverfahren verwenden darf.

a) Derzeitige Rechtslage

Nach § 32 Abs. 1 S. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist.

Eine Datenerhebung ist unter anderem dann nicht „erforderlich“, wenn schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegenstehen. Recherchiert der Arbeitgeber in Facebook, um etwaige Pflichtverletzungen aufzudecken, stehen berechtigte Interesse des Arbeitnehmers entgegen. Denn in freizeitorientierten Netzwerken, zu denen Facebook ebenso wie z.B. die VZ-Netzwerke gehören, erfolgt die Freigabe grundsätzlich nur gegenüber anderen Mitgliedern, zu denen der Arbeitgeber schon wegen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Netzwerkbetreiber nicht gehört. Hiernach ist nämlich allein eine private Nutzung vorgesehen. Eine gewerbliche Nutzung ist dagegen vom Nutzungszweck nicht umfasst. Eine Recherche des Arbeitgebers in einem sozialen Netzwerk stellt mithin einen massiven Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Arbeitnehmers dar. Durch das Interesse des Arbeitgebers, etwaige Pflichtverletzungen über Facebook aufzudecken, lässt sich ein solcher Eingriff nicht rechtfertigen.

b) Gesetzesentwurf vom 15. Dezember 2010

Nach dem Gesetzesentwurf zum BDSG vom 15. Dezember 2010 (BDSG-GE), dessen Inkrafttreten demnächst zu erwarten ist, ist vor allem § 32c „Datenerhebung im Beschäftigungsverhältnis“ zu beachten. Danach dürfen Beschäftigtendaten ebenfalls nur dann erhoben werden, die für die Durchführung, Beendigung oder Abwicklung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind. Dies ist insbesondere der Fall, soweit die Kenntnis dieser Daten für den Arbeitgeber notwendig ist, um seine gegenüber dem Beschäftigten bestehenden Rechte einschließlich der Leistungs- und Verhaltenskontrolle wahrzunehmen, § 32c Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BDSG-GE. Nach § 32c Abs. 4 BDSG-GE hat der Arbeitgeber zudem den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten.

Ebenso wie nach der geltenden Rechtslage darf die Datenerhebung entgegenstehende schutzwürdige Interessen nicht verletzen. § 32c Abs. 1 S. 3 BDSG-GE regelt zudem, dass § 32 Abs. 6 BDSG-GE zu beachten ist, der von der Literatur als „Lex Soziale Netzwerke“ bezeichnet wird. § 32 Abs. 6 S. 3 BDSG-GE stellt klar, dass bei Daten aus sozialen Netzwerken, die der elektronischen Kommunikation dienen, das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten grundsätzlich überwiegt. Eine Ausnahme besteht nur für soziale Netzwerke, die zur Darstellung der beruflichen Qualifikation ihrer Mitglieder bestimmt sind. Facebook dient nach seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen jedoch vorrangig privaten Interessen und nicht der Darstellung der beruflichen Qualifikation. Somit wäre auch nach dem Gesetzesentwurf eine Recherche auf der Facebook-Seite eines Arbeitnehmers nicht zulässig. Anders könnte der Fall dagegen zu bewerten sein, wenn sich Pflichtverletzungen aus einem Eintrag in einem berufsorientierten Netzwerk wie XING oder LinkedIn ergeben würden.

c) Beweisverwertungsverbot

Da die Datenerhebung unzulässig ist, stellt sich die Frage eines Beweisverwertungsverbotes.

Grundsätzlich kennt das Deutsche Zivilprozessrecht kein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot. Das Gericht entscheidet auf der Grundlage von § 286 ZPO unter Berücksichtigung des gesamten Inhaltes der Verhandlung und des Ergebnisses einer möglichen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung. Nach Art. 1 Abs. 3 GG haben jedoch auch die Gerichte die Grundrechte zu wahren. Dadurch ist im Arbeitsverhältnis insbesondere  auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht bzw. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu beachten. Ein Beweisverwertungsverbot kommt daher in Betracht, wenn der Arbeitgeber bei der Erhebung der Daten Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers erheblich verletzt hat. Nach unserem oben genannten Ergebnis liegt in der Recherche des Arbeitgebers im Facebook-Account eine solche erhebliche Verletzung der Rechte des Arbeitnehmers. Demnach wird ein Beweisverwertungsverbot in Fällen, wie sie das Arbeitsgericht Düsseldorf zu entscheiden hatte, wohl zu bejahen sein.

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