01.09.2002

Bei sog. Fernabsatzgeschäften (z.B. in Online-Shops oder am Telefon) und bei Haustürgeschäften hat der Gesetzgeber an einer völlig versteckten Stelle – nämlich in dem Gesetz zur Änderung des Rechts der Vertretung durch Rechtsanwälte vor den Oberlandesgerichten ! – eine insbesondere für Unternehmer gewichtige Neuerung eingeführt.

Hintergrund

Um eine „Überrumpelung“ des Verbrauchers z. B. bei einem Kauf in einem Internet-Shop zu vermeiden, besteht bei diesen Geschäften ein Widerrufs- oder Rückgaberecht: Danach hat der Verbraucher die Möglichkeit, den Vertrag binnen zwei Wochen ohne Begründung zu widerrufen bzw. die gelieferte Ware zurückzugeben (§§ 312 ff., 355 BGB). Dabei hat der Unternehmer die Pflicht, den Verbraucher über dieses Widerrufsrecht zu belehren. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, beginnt die 2-Wochen-Frist nicht zu laufen, der Verbraucher kann also auch noch viel später sich vom Vertrag lösen.

Die Möglichkeit des Widerrufs endete bisher jedoch spätestens nach sechs Monaten. Diese Regelung hat der Europäische Gerichtshofs in einem Urteil vom 13. Dezember 2001 ausdrücklich abgelehnt. Anlass war der bisherige Ausschluss des Widerrufsrechts für Realkreditverträge (jetzt Verbraucherdarlehensverträge), auch wenn sie an der Haustür durch einen „Kreditvermittler“ abgeschlossen wurden. Dadurch konnten Banken – insbesondere die beklagte Hypo Vereinsbank – durch angeblich freiberuflich tätige Darlehensvermittler unbedarften Kunden an der Haustür Kreditverträge zur Finanzierung von Immobilien „aufschwatzen“. Die Immobilien wurden dann vielfach überteuert gekauft und waren nicht vermietbar. Die Banken waren jedoch nicht zu belangen, da sie mit der Vermittlung der Kreditverträge nichts zu tun hätten und ein Widerrufsrecht hinsichtlich des Kreditvertrags nicht bestand; die Vermittler sonnten sich in Ländern, die nicht ausliefern. Die Anzahl der Geschädigten wird auf über 300.000 geschätzt! Der BGH hatte bisher in diesen Fällen nach der „Trennungstheorie“ entschieden: Schuld seien die Vermittler, nicht aber die Banken. Im Verfahren des Ehepaars Heininger gegen die Hypo Vereinsbank musste der BGH jedoch wesentliche Fragen dem EuGH zur Entscheidung vorlegen. Dieser entschied, dass das Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften weder ausgeschlossen noch befristet werden darf, zugleich hat er die genannte 6-Monats-Frist als nicht den EG-Vorgaben entsprechend abgelehnt.

Gesetzliche Änderung

Der Gesetzgeber musste daher das BGB ändern: Für alle Verbraucherkreditverträge seit dem 1. August gibt es nun ein Widerrufsrecht, wenn sie als Haustürgeschäft abgeschlossen werden (Änderung des § 312 a BGB). Weiterhin gilt für alle – rückwirkend (Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB) seit dem 31.12.2001 geschlossenen – Fernabsatz- und Haustürgeschäfte die Maximalfrist von sechs Monaten nicht mehr, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist (§ 355 Abs. 3 Satz 3). Dabei werden unter „nicht ordnungsgemäß“ nach der Gesetzesbegründung keine Belehrung, aber auch eine „unvollständige, fehlerhafte oder undeutliche Belehrung“ verstanden. Aber wann ist dann eine Belehrung ordnungsgemäß? Nach der Gesetzesbegründung dann, „wenn sie einem in der InfVO festgelegten Muster oder auch ohne Verwendung dieses Musters den gesetzlichen Vorgaben entspricht“. Als Ergebnis handelt sich damit ein Unternehmer, der von den Musterbelehrungen abweicht, u. U. ein zeitlich unbegrenztes Widerrufsrecht seiner Kunden ein, dass also auch noch nach 30 Jahren durch die Erben ausgeübt werden könnte! Um dies zu vermeiden sollten unbedingt die Musterbelehrungen verwendet werden. Diese sind – seit ihrer Änderung vom 1. August 2002 – nunmehr in der InfVO (BGB-Informationspflichten-Verordnung) enthalten. Die Muster stellen wir Ihnen hiermit als PDF-Datei zum Ausdrucken und Bearbeiten zur Verfügung.

Unser Rat: Verwenden Sie für Ihre Fernabsatz- und Haustürgeschäfte unbedingt diese Muster. Andernfalls geben Sie dem Verbraucher ggf. eine zeitlich unbegrenzte Möglichkeit, den Vertrag zu widerrufen! Außerdem sollten Sie bei seit Anfang des Jahres geschlossenen Verträgen die Belehrung nachholen, falls sie nicht ordnungsgemäß erfolgte oder dies zweifelhaft ist. Für diesen Zweck hat der Gesetzgeber von der – bei Haustürgeschäften – bisher nötigen Unterschrift des Verbrauchers nunmehr abgesehen.

Wenn eine Belehrung nachgeholt wird, löst sie übrigens nicht eine 2-Wochen-Frist, sondern eine 1-Monats-Frist aus. Die bisherige 6-Monats-Frist bleibt zwar im Gesetzestext bestehen, findet aber fast keine Anwendung mehr: Sie greift nur noch ein, wenn zusätzliche, über die Belehrung hinausgehende Informationspflichten verletzt werden.

Interessant war übrigens auch das Gesetzgebungsverfahren: Diese und weitere Änderungen des BGB wurden wegen der Dringlichkeit einfach in Artikel 25 des Gesetzes zur Änderung des Rechts der Vertretung durch Rechtsanwälte vor den Oberlandesgerichten (OLG-Vertretungsänderungsgesetz) „eingeschoben“. Damit ist dieses Gesetzgebungsverfahren quasi zur Schuldrechtsreform-Reparaturnovelle geworden. Dass dabei alle beteiligten Kreise kaum Kenntnis von diesen wichtigen Änderungen erlangt haben, wurde beim Gesetzgeber wohl „übersehen“. Selbst Rechtsanwälte werden davon teilweise nur zufällig beim Durchblättern des OLG-Vertretungsänderungsgesetz im Bundesgesetzblatt Kenntnis erlangt haben.

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