11.03.2012 -

Betriebsratsmitglieder haben nach § 37 Abs. 6 BetrVG das Recht auf Schulung. Voraussetzung ist, dass Kenntnisse vermittelt werden, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Das Arbeitsgericht Essen hat nun entschieden, dass diese Erforderlichkeit für die Teilnahme an einer burn-out-Schulung unter bestimmten Voraussetzungen erforderlich sein kann (Arbeitsgericht Essen, Urteil v. 30.06.2011 – 3 BV 29/11).

Der Fall:

Die Beteiligten streiten über die Erforderlichkeit der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulung zum Thema „burn-out im Unternehmen“.

Es besteht ein 17-köpfiger örtlicher Betriebsrat. Dieser traf im Januar 2011 den Beschluss, das Betriebsratsmitglied M. in der Zeit vom 17. Oktober bis 21. Oktober 2011 zu dem Seminar „burn-out im Unternehmen – der Betriebsrat als Berater“ zu entsenden. Herr M. ist freigestelltes Betriebsratsmitglied, dem intern die Betreuung diverser Regionalfilialen im Ruhrgebiet und Bergischen Land und verschiedener Betriebsbereiche übertragen ist. Er ist Ansprechpartner des Betriebsrats für die dort beschäftigten Mitarbeiter. Er ist seit Mai 2011 Mitglied im Gesundheitsausschuss.

Die Arbeitgeberin lehnte die Übernahme der Schulungskosten und die Freistellung des Betriebsratsmitglieds für die Teilnahme an der Schulung unter Fortlaufen der Bezüge ab. Sie verwies zur Begründung auf die bereits im letzten Jahr erfolgte Schulung eines anderen Betriebsratsmitglieds, Frau L., zum selben Thema. Ferner gebe es bereits im Unternehmen das Angebot einer telefonischen externen Beratung und Unterstützung für Mitarbeiter durch einen externen Anbieter. Dies sei ausreichend.

Die Entscheidung:

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats, das Betriebsratsmitglied für die Schulung freizustellen, stattgegeben.

I. Erforderlichkeit von Schulungen

Der Arbeitgeber hat nach § 40 Abs. 1 BetrVG Kosten, die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehen, zu tragen. Dazu gehören auch die Kosten, die anlässlich der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG entstanden sind. Voraussetzung ist aber, dass bei einer Schulung erforderliches Wissenvermittelt wird.

Die Vermittlung von Kenntnissen ist immer dann erforderlich, wenn sie unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb und im Betriebsrat notwendig sind, damit der Betriebsrat seine gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen kann. Dies ist bei der Vermittlung von Grundkenntnissen grundsätzlich immer der Fall. Im Übrigen geht es stets um die Darlegung eines aktuellen oder absehbaren betrieblichen oder betriebsratsbezogenen Anlasses, aus dem sich der Schulungsbedarf ergibt. Für die bei Fachthemen erforderliche Aktualität ist eine betriebliche Konfliktlageim Sinne eines aktuellen betriebsbezogenen Anlasses darzulegen.

II. Burn-out-Schulung

Das Arbeitsgericht ist der Auffassung, dass die Schulung „burn-out im Unternehmen“ Fachwissen in einem Bereich vermittelt, der zum Aufgabengebiet des örtlichen Betriebsrats gehört.

Ein burn-out-Syndrom bzw. ausgebrannt sein ist ein Zustand ausgesprochener emotionaler Erschöpfung mit reduzierter Leistungsfähigkeit. Es kann als Endzustand einer Entwicklungslinie bezeichnet werden, die mit idealistischer Begeisterung beginnt und über frustrierende Erlebnisse zur Desillusionierung und Apathie, psychosomatischen Erkrankungen und Depressionen oder Aggressivität und einer erhöhten Suchtgefährdung führt (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage, 2007). Der Begriff „burn-out“ beschreibt demnach eine körperliche, emotionale und geistige Erschöpfung eines Arbeitnehmers aufgrund beruflicher Überlastung.

Das mit dem Begriff „burn-out“ damit umschriebene Thema ist im Arbeitsleben ein auftretendes Phänomen und nach Auffassung des Arbeitsgerichts in mehrfacher Hinsicht Thema für die Betriebsratstätigkeit.

Dies ergibt sich an erster Stelle aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, wonach der Betriebsrat bei Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitszustand mitzubestimmen hat. Burn-out kann zu erheblichen Ausfallzeiten beim betroffenen Arbeitnehmer führen. Zudem kommen die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats im Rahmen der Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX in Betracht. Dauerhafte Erkrankung löst die Verpflichtung zur Durchführung eines BEM auf Seiten des Arbeitgebers aus. Darüber hinaus ergibt sich aus weiteren Regelungen, wie etwa den §§ 89, 90 BetrVG, dass zum Aufgabengebiet des Betriebsrats der Gesundheitsschutz der Mitarbeiter gehört.

III. Örtlicher Betriebsrat zuständig

Zuständig ist stets der örtliche Betriebsrat. Dieser muss in der Lage sein, Gesundheitsgefährdungen in seinem Betrieb zu erkennen und ggf. auf Abhilfemaßnahmen zu drängen. Der Betriebsrat ist im Hinblick auf sein Initiativrecht nicht darauf angewiesen, dass die Arbeitgeberin das Thema Gesundheitsschutz aufgreift. Vielmehr hat er die Kompetenz, von sich aus aktiv Maßnahmen auf örtlicher Ebene, die er für sinnvoll hält, vorzuschlagen und mit der Arbeitgeberin zu verhandeln.

IV. Betriebliche Konfliktlage

Die notwendige betriebliche Konfliktlage war hier schon deshalb gegeben, da der Betriebsrat darauf verweisen konnte, dass Mitarbeiter seines Zuständigkeitsbereichs bis zu vier bis fünf Mal im Monat die Thematik „burn-out“ aufgreifen und den Betriebsrat hierauf ansprechen. Auch wenn der Begriff „burn-out“ teilweise inflationär verwandt wird, ändert dies nichts daran, dass der Betriebsrat in der Situation ist, sich mit den Arbeitnehmern, die ihre Belastungssituation schildern und Gesundheitseinschränkungen fürchten, auseinandersetzen muss. Das führt zu einem ausreichend konkreten Anlass für eine Schulung zu diesem Thema.

V. Externer Anbieter irrelevant

Die Tatsache, dass der Arbeitgeber bereits einen externen Anbieter beauftragt und als Ansprechpartner zur Verfügung gestellt hat, ändert hieran nichts. Die Arbeit des Betriebsrats beschränkt sich nicht auf die Weiterleitung konkret Hilfesuchender, sondern seine Aufgabe liegt im Rahmen des § 87 Abs. 1 BetrVG primär im kollektiven Bereich. Das heißt, er hat die Möglichkeit, dort, wo aus seiner Sicht Arbeitsbedingungen dazu geeignet sind, Überlastungssituationen zu schaffen, Maßnahmen vorzuschlagen, die dem entgegensteuern sollen. Ein Beratungsservice des Arbeitgebers macht diese Aufgabe nicht obsolet.

VI. Weitere Voraussetzungen

Die Schulungskosten waren nicht überzogen. Sie betrugen 995,00 € zuzüglich Umsatzsteuer für eine 4,5-tägige Schulung. Bei einer Bank mit 1.600 Arbeitnehmern ging das Arbeitsgericht nicht von einer übermäßigen finanziellen Belastung des Arbeitgebers aus. Schulungskosten stehen daher mit der Größe und Leistungsfähigkeit des Betriebes in Einklang. Ferner benötigt der Betriebsrat Fachwissen dort, wo es eingesetzt werden muss. Das Betriebsratsmitglied M. ist Mitglied des Gesundheitsausschusses. Es muss in der Lage sein, mit entsprechendem Fachwissen auf die Anliegen der Beschäftigten zu reagieren. Die Schulung war damit erforderlich.

Fazit:

Der Betriebsrat hat grundsätzlich Anspruch auf Schulungen. Diese können nur dann abgelehnt werden, wenn sie nicht erforderlich sind. Die Erforderlichkeit bedarf der Darlegung eines aktuellen oder absehbaren betrieblichen oder betriebsratsbezogenen Anlasses. Die Gerichte sind hier bei der Beurteilung grundsätzlich sehr großzügig. Es ist daher sehr genau zu überlegen, ob eine Ablehnung sinnvoll ist. Zum einen entstehen dadurch meist unnötige Gerichtskosten und zum anderen wird das notwendige Vertrauensverhältnis mit dem Betriebsrat für die Zukunft belastet. Nur in eindeutigen Fällen sollte daher der Schulungsbedarf abgelehnt werden.

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