02.04.2012 -

Ist ein Arbeitnehmer bis zum vereinbarten Beendigungstermin unwiderruflich von der Arbeitspflicht freigestellt worden und verletzt während der Freistellungsphase in schwerwiegender Weise seine arbeitsvertraglichen Pflichten, ist eine fristlose außerordentliche Kündigung dennoch zulässig. Dies entschied das Hessische Landesarbeitsgericht.

Der Fall:  

Der im Jahre 1974 geborene Kläger war seit 2008 als Firmenkundenbetreuer bei der beklagten Bank, seit dem 1. April 2009 als Abteilungsdirektor mit Prokura beschäftigt. Sein monatliches Bruttogrundgehalt belief sich auf 6.000,00 €. Im Juni 2010 unterzeichneten die Parteien einen Aufhebungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zum 31. Dezember 2010 endet und der Kläger unwiderruflich ab dem 1. Juli 2010 freigestellt wird. Zudem sah der Aufhebungsvertrag eine Abfindung in Höhe von knapp 18.000,00 € vor.

Am 29. Juni 2010 übermittelte der Kläger insgesamt 94 E-Mails mit ca. 622 MB in 1.660 Dateianhängen an sein privates E-Mail Postfach. Dabei handelte es sich überwiegend um Daten, die dem Bankgeheimnis unterliegen, darunter Kontaktdaten der Bankkunden, Besuchsberichte, Kreditanträge bzw. -verträge und ähnliches. Als die Beklagte hiervon erfuhr, kündigte sie das Arbeitsverhältnis am 20. Juli 2010 außerordentlich fristlos.

Die Entscheidung:

Nach Ansicht des LAG Hessen ist die Kündigung der Bank wirksam. Es liegt ein wichtiger Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung im Sinne des § 626 BGB vor. Der Kläger hat mit der Datenübertragung an seinen privaten Rechner eine schwerwiegende Verletzung seiner Geheimhaltungspflicht begangen. Es handele sich – so das LAG – im großen Umfang um vertrauliche Daten der vom Kläger betreuten Kunden, die ein begründetes Interesse daran hätten, dass ihre Angaben von der Bank vertraulich behandelt werden.

Darüber hinaus war es der Beklagten unzumutbar, das Arbeitsverhältnis bis zum vereinbarten Beendigungstermin weiterzuführen. Daran ändert auch nichts die zum Zeitpunkt der Tat bestehende unwiderrufliche Freistellung, die zu einer Suspendierung der Arbeitspflicht des Klägers führte.

Im Falle des Klägers bestünde trotz der Freistellung eine ernstzunehmende Wiederholungsgefahr. Zudem sei durch die schwerwiegende Pflichtverletzung des Klägers das bei einer Bank unerlässliche Vertrauensverhältnis zu einem Kundenbetreuer endgültig zerstört. Weitere Vergütungszahlungen sowie die Zahlung einer Abfindung in Höhe von mehr als drei Monatsvergütungen seien der Beklagten somit nicht zumutbar. Vor diesem Hintergrund mussten die Interessen des Klägers zurücktreten.

Praxishinweise:

Das Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist stets in zwei Schritten zu prüfen: Zunächst muss ein Verhalten vorliegen, das „an sich“ (also objektiv) geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

In einem zweiten Schritt ist festzustellen, ob es dem Arbeitgeber unzumutbar ist, den Arbeitnehmer bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen. Hierzu ist eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit den Interessen des Arbeitnehmers an dem Erhalt des Arbeitsplatzes vorzunehmen. Zu berücksichtigen sind alle Umstände des Einzelfalls, namentlich die Betriebszugehörigkeit, die Schwere der Pflichtverletzung, die Wiederholungsgefahr, der eingetretene Schaden, das Alter des Arbeitnehmers und evtl. Unterhaltspflichten.

Literaturhinweis: Besgen, Handbuch Führungskräfte, 1. Aufl. 2012, 835 Seiten

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