18.04.2012

Die Arbeitsbefreiung von Betriebsratsmitgliedern und die konkreten Voraussetzungen sind in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bereits seit vielen Jahren geklärt. Der zuständige 7. Senat hatte aber nun die Möglichkeit, seine Rechtsprechung in Teilaspekten weiter zu präzisieren und fortzuentwickeln. Dabei ging es um die Frage, ob die Ab- und Rückmeldepflicht auch dann gilt, wenn Betriebsratsmitglieder Betriebsratsaufgaben am Arbeitsplatz erledigen und diesen gar nicht verlassen (BAG, Beschluss v. 29.06.2011 – 7 ABR 135/09). Die wichtige Entscheidung möchten wir für die Praxis darstellen und besprechen:

Der Fall:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Mitglieder des Betriebsrats verpflichtet sind, sich ab- und zurückzumelden, wenn sie an ihren Arbeitsplätzen Betriebsratstätigkeit versehen und die Arbeitsplätze nicht verlassen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Anträge des Betriebsrats zurückgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Rechtsbeschwerdeverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt.

I. Arbeitsbefreiung wegen Betriebsratstätigkeit

Nicht freigestellte Mitglieder des Betriebsrats sind nach § 37 Abs. 2 BetrVG von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung ihres Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Der Arbeitgeber muss der Arbeitsbefreiung nicht zustimmen.

II. Ab- und Rückmeldepflicht bei Verlassen des Arbeitsplatzes

Ein Betriebsratsmitglied, das seinen Arbeitsplatz verlässt, um Aufgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz wahrzunehmen, hat sich aber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aufgrund arbeitsvertraglicher Nebenpflicht beim Arbeitgeber abzumelden. Es ist auch verpflichtet, sich zurückzumelden, sobald es nach Beendigung der Betriebsratstätigkeit seine Arbeit wieder aufnimmt. Die Pflicht, sich beim Arbeitgeber abzumelden, wenn während der Arbeitszeit die geschuldete Arbeitsleistung nicht erbracht wird, trifft alle Arbeitnehmer gleichermaßen. Sie ist – ebenso wie die Rückmeldepflicht – eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht.

Die Meldepflichten dienen dem Zweck, dem Arbeitgeber die Arbeitseinteilung zu erleichtern, vor allem den Arbeitsausfall des Arbeitnehmers zu überbrücken. Um diesen Zweck zu erfüllen, genügt es, wenn das Betriebsratsmitglied bei der Abmeldung den Ort und die voraussichtliche Dauer der Betriebsratstätigkeit angibt. Aufgrund dieser Mindestangaben ist der Arbeitgeber im Stande, die Arbeitsabläufe in geeigneter Weise zu organisieren und Störungen im Betriebsablauf zu vermeiden. Das Betriebsratsmitglied muss die Art der geplanten Betriebsratstätigkeit deshalb nicht mitteilen. Wie das Betriebsratsmitglied die Meldungen bewirkt, ist seine Sache.

III. Betriebsratstätigkeit am Arbeitsplatz

Das Bundesarbeitsgericht hat nun klargestellt, dass die vorgenannten Grundsätze auch für Fallgestaltungen gelten, in denen das Betriebsratsmitglied seinen Arbeitsplatz nicht verlässt, um Betriebsratstätigkeiten zu versehen. Grundsätzlich besteht auch in diesen Fällen eine Ab- und Rückmeldepflicht. Aber: In bestimmten Fällen, in denen der Zweck der Ab- und Rückmeldepflicht nicht erfüllt wird, kann diese Verpflichtung entfallen. Dies ist immer dann der Fall, wenn eine vorübergehende Umorganisation der Arbeitseinteilung nicht ernsthaft in Betracht kommt. In solchen Konstellationen bestehen keine Ab- und Rückmeldepflichten. Entscheidend sind aber die Umstände des Einzelfalles. Die Pflichten des Betriebsratsmitglieds beruhen auf dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers, auf den Arbeitsausfall des Betriebsratsmitglieds umgehend reagieren und durch organisatorische Maßnahmen für Abhilfe sorgen zu können. Kommen solche Maßnahmen nicht ernsthaft in Betracht, besteht auch kein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers daran, schon vor der Aufnahme der Betriebsratstätigkeit über sie informiert zu werden. Unterbricht bspw. ein Mitarbeiter eine Projekttätigkeit kurzfristig, um an seinem Arbeitsplatz Betriebsratsaufgaben wahrzunehmen, wird die Arbeit regelmäßig nicht auf einen anderen Mitarbeiter für diesen kurzen Zeitraum delegiert.

Hinweis für die Praxis:

Ist ein Betriebsratsmitglied wegen der konkreten Umstände nicht verpflichtet, sich vor und nach der Betriebsratstätigkeit ab- und zurückzumelden, kann der Arbeitgeber allerdings verlangen, dass ihm die Gesamtdauer der in einem bestimmten Zeitraum versehenen Betriebsratstätigkeit nachträglich mitgeteilt wird. Er hat ein berechtigtes Interesse daran zu erkennen, für welche Zeiten er aufgrund von Betriebsratstätigkeit Entgelt leisten muss, obwohl der Arbeitnehmer keine Arbeit geleistet hat. Meldet sich das Betriebsratsmitglied ab und zurück, entfällt demgegenüber diese Dokumentationspflicht.

Fazit:

Betriebsratsmitglieder sind verpflichtet, sich rechtzeitig beim Verlassen des Arbeitsplatzes abzumelden. Ist die vorgesehene Betriebsratstätigkeit beendet, muss sich das Betriebsratsmitglied wieder zurückmelden. Damit wird dem Arbeitgeber ermöglicht, etwaige Vertretungsregelungen wieder aufzuheben. Findet die Betriebsratstätigkeit hingegen am Arbeitsplatz statt, hängt es von den Umständen des Einzelfalles ab, ob eine solche Ab- und Rückmeldepflicht besteht. Kommt eine Umorganisation ohnehin nicht ernsthaft in Betracht, bestehen auch die Ab- und Rückmeldepflichten nicht. In diesen Fällen hat aber der Arbeitgeber einen Anspruch darauf, nachträglich die Gesamtdauer der Betriebsratstätigkeit zu erfahren.

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