Leitsatz:

Die auf den Erben entsprechend seiner Erbquote entfallenden Abschlusszahlungen für die vom Erblasser herrührende Einkommensteuer des Todesjahres, einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag, sind als Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähig (Änderung der Rechtsprechung).

1.        Worum es geht

Stirbt ein Steuerpflichtiger, so tritt sein Erbe auch steuerrechtlich als Gesamtrechtsnachfolger an seine Stelle. Der durch den Erblasser begründete, mit Ablauf des Todesjahres entstehende Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis geht auf den Erben über. Dann liegt es nahe, diese Steuerlast als Nachlassverbindlichkeit bei der Erbschaftsteuerfestsetzung zu berücksichtigen.

Dem aber schob das erstinstanzliche Niedersächsische Finanzgericht 2011 einen spitzfindigen Riegel vor. Denn gem. § 36 Abs. 1 EStG entsteht die Einkommensteuer grs. mit Ablauf des Veranlagungszeitraums. Nach § 25 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraum) nach dem Einkommen veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat. Die Einkommensteuer entstehe also erst mit Ablauf des Kalenderjahrs. Entstehe aber die Einkommensteuer erst mit Ablauf des Kalenderjahres, so könne sie nach dem für die Erbschaftsteuer maßgeblichen Stichtagsprinzip (§§ 9, 11 ErbStG) nicht als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden, weil sie im Zeitpunkt des Todes des Erblassers noch nicht entstanden war. Das gelte auch im Streitfall, der die krasse Besonderheit aufweist, dass der Erblasser am 31.12.2004 verstorben war. Denn die Einkommensteuer entstehe nicht am letzten Tage des Veranlagungszeitraums, sondern mit Ablauf des Veranlagungszeitraums, d.h. am 31.12.2004, 24 Uhr. Der Erblasser. war aber bereits am 31. Dezember, 0.15 Uhr, also vor diesem Zeitpunkt, verstorben. Damit versagte das FG den Abzug von rd. 900 T€ Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten.

Der BFH hob dieses Urteil jetzt auf (BFH-Urteil vom 04.07.2012, II R 15/11).

2.        Die Entscheidung des BFH

a.      Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten

Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sind von dem Erwerb des Erben bestimmte vom Erblasser herrührenden Schulden als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig, so auch die vom Erblasser herrührenden persönlichen Steuerschulden, die gemäß § 1922 Abs. 1 BGB, § 45 Abs. 1 AO auf den Erben übergegangen sind.

Zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten gehören nicht nur die Steuerschulden, die zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits rechtlich entstanden waren, sondern auch die Steuerverbindlichkeiten, die der Erblasser als Steuerpflichtiger durch die Verwirklichung von Steuertatbeständen begründet hat und die mit dem Ablauf des Todesjahres entstehen. Der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten setzt ebenso wie die Erbenhaftung nach § 1967 Abs. 2 BGB voraus, dass Schulden vom Erblasser herrühren. Aus dem Begriff „herrühren“ ergibt sich, dass die Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht voll wirksam entstanden sein müssen.

Eine etwaige Einkommensteuerschuld für das Todesjahr des Erblassers bleibt trotz des Übergangs auf den Erben eine vom Erblasser herrührende Steuerschuld. Insoweit ist unerheblich, dass der Einkommensteuerbescheid für den Erblasser gegenüber dem Erben als Gesamtrechtsnachfolger ergeht.

Ausnahme:

  • Soweit der Erbe selbst einkommensteuerrelevante Tatbestände verwirklicht, wie z.B. beim Zufluss nachträglicher Einnahmen aus einer ehemaligen Tätigkeit des Erblassers nach § 24 Nr. 2 EStG, sind die darauf entfallenden Einkommensteuerzahlungen des Erben keine Nachlassverbindlichkeiten. Obwohl der Erblasser die Grundlage für den Zufluss von Einnahmen gesetzt hat, wird der Steuertatbestand in diesen Fällen erst mit dem Zufluss der Einnahmen durch den Erben als Steuerpflichtigen verwirklicht.

b.     Aufteilung bei Zusammenveranlagung

Zu den vom Erblasser herrührenden Schulden gehören diejenigen Steuerverbindlichkeiten, die durch ihn selbst begründet wurden. Das sind Steuerverbindlichkeiten, die entstehen, weil der Erblasser den Steuertatbestand verwirklicht hat. Bei einer Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer für das Todesjahr eines oder beider Ehegatten sind Steuerverbindlichkeiten grundsätzlich auf die Ehegatten aufzuteilen.

  • Stirbt einer der Ehegatten und ergibt sich aufgrund der Zusammenveranlagung der Ehegatten für das Todesjahr eine Abschlusszahlung, ist die vom verstorbenen Ehegatten als Erblasser herrührende Einkommensteuerschuld analog § 270 AO zu ermitteln. Zur Bestimmung des Aufteilungsmaßstabs sind grundsätzlich fiktive getrennte Veranlagungen durchzuführen; das Verhältnis der sich daraus ergebenden Steuerbeträge ergibt den Aufteilungsschlüssel für die rückständige Steuer. Soweit die Abschlusszahlung nach einer Aufteilung auf den Verstorbenen (Erblasser) entfällt, ist sie beim Erwerb des Erben als eine vom Erblasser herrührende Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig.
  • Entsprechendes gilt, wenn zusammen veranlagte Ehegatten im selben Jahr versterben und die Veranlagung zur Einkommensteuer für das Todesjahr zu einer Abschlusszahlung führt. Die Abschlusszahlung ist auf die Ehegatten aufzuteilen und als Nachlassverbindlichkeit beim jeweiligen Erwerb von Todes wegen abzugsfähig.
  • Ist bei einem Ableben der Ehegatten im selben Jahr der zweitverstorbene Ehegatte Alleinerbe des zuerst verstorbenen Ehegatten gewesen, ist beim Erwerb der Erben des zweitverstorbenen Ehegatten die gesamte Abschlusszahlung aus der Zusammenveranlagung der verstorbenen Ehegatten für das Todesjahr als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig.

Danach mindern die auf den Erben entfallenden Abschlusszahlungen für Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag als Nachlassverbindlichkeiten den steuerpflichtigen Erwerb des Erben.

3.        Fazit

In allen noch offenen Fällen sollten sich Erben, denen u.a. unter Berufung auf das jetzt aufgehobene Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts der Abzug von Steuerschulden des Erblasser als Nachlassverbindlichkeiten bei der Bemessung der Erbschaftsteuer versagt worden ist, mit dem Einspruch zur Wehr setzen. Die bisher gegenteilige Auffassung der Finanzverwaltung und der Finanzgerichte kann nach dieser unmissverständlichen Rechtsprechungsänderung des BFH keinen Bestand mehr haben.

Autor

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