27.08.2012

 

Amtlicher Leitsatz:

Allein aus der Stellung als Geschäftsführer einer GmbH bzw. Mitglied des Vorstands einer Aktiengesellschaft ergibt sich keine Garantenpflicht gegenüber außenstehenden Dritten, eine Schädigung ihres Vermögens zu verhindern. Die Pflichten aus der Organstellung zur ordnungsgemäßen Führung der Geschäfte der Gesellschaft aus § 43 Abs. 1 GmbHG, § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, zu denen auch die Pflicht gehört, für die Rechtmäßigkeit des Handelns der Gesellschaft Sorge zu tragen, bestehen grundsätzlich nur dieser gegenüber und lassen bei ihrer Verletzung Schadensersatzansprüche grundsätzlich nur der Gesellschaft entstehen.

BGH, Urteil vom 10.07.2012 – VI ZR 341/10

1.     Warum es geht

Schuldet ein nicht aktiv beteiligter Geschäftsführer einem Kundenunternehmen Schadensersatz, wenn ein weiterer Geschäftsführer dem Vorstand des Kundenunternehmens Beihilfe zur Untreue leistet?

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der N. AG. Die X und Y sind Geschäftsführer der O-GmbH. Der Y hat dem Vorstandsvorsitzenden der N. AG durch Ausstellen von Scheinrechnungen Beihilfe zu einer von ihm begangenen Untreue geleistet. Der Kläger nimmt X und Y gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz in Höhe von € 10 Mio. in Anspruch. Y soll aktive Beihilfe geleistet haben, X zwar keine aktive Beihilfe, allerdings Beihilfe zur Untreue durch Unterlassen, denn er habe die Untreuehandlungen nicht verhindert. Das OLG München verurteilte die Beklagten und bejahte eine Garantenpflicht des X, Beteiligungen an Straftaten aus dem Unternehmensbereich seiner Gesellschaft (O-GmbH) gegenüber dem Vertragspartner N. AG zu verhindern.

Der BGH hob mit Urteil vom 10.07.2012 – VI ZR 341/10 – die Verurteilung des X auf, verwies die Sache jedoch zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurück.

2.     Die Entscheidung des BGH

Nachdem feststand, dass X sich nicht aktiv an der Beihilfe zur Untreue beteiligt hatte, war nur noch Beihilfe durch Unterlassen zu prüfen.

Ein Unterlassen kann dem positiven Tun gemäß § 13 Abs. 1 StGB nur dann gleichgestellt werden, wenn der Täter rechtlich dafür einzustehen hat, dass der tatbestandliche Erfolg nicht eintritt, und das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht. Bei den unechten Unterlassungsdelikten muss ein besonderer Rechtsgrund festgestellt werden, wenn jemand ausnahmsweise dafür verantwortlich gemacht werden soll, dass er es unterlassen hat, zum Schutz fremder Rechtsgüter aktiv tätig zu werden. Der Täter muss rechtlich verpflichtet sein, den deliktischen Erfolg abzuwenden, also eine Garantenstellung innehaben. Eine sittliche Pflicht oder die bloße Möglichkeit, den Erfolg zu verhindern, genügen nicht.

Das Berufungsgericht hatte aber keine besonderen Umstände festgestellt, aus denen sich eine rechtliche Verpflichtung des X gegenüber der N. AG ergab, den dieser durch die Zahlung auf die Scheinrechnungen entstandenen Vermögensschaden zu verhindern. Eine entsprechende Garantenpflicht des X gegenüber der N. AG ergibt sich – und das stellt der BGH klar – nicht allein aus seiner Stellung als Geschäftsführer der O-GmbH, bzw. nach deren Formwechsel in einen AG als Mitglied des Vorstands.

  • Eine Garantenstellung kann insbesondere nicht aus § 43 Abs. 1 GmbHG oder § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG abgeleitet werden. Zwar umfassen die Pflichten zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung, die dem Geschäftsführer einer GmbH bzw. den Mitgliedern des Vorstands einer Aktiengesellschaft aufgrund ihrer Organstellung obliegen (§ 43 Abs. 1 GmbHG, § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG), auch die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass sich die Gesellschaft rechtmäßig verhält und ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt (Legalitätspflicht). Diese Pflicht besteht aber grundsätzlich nur der Gesellschaft gegenüber und nicht auch im Verhältnis zu außenstehenden Dritten. Aus diesem Grund sind die Bestimmungen der § 93 Abs. 1 AktG, § 43 Abs. 1 GmbHG auch keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.
  • Eine Garantenstellung des X zugunsten der N. AG kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass diese „Vertragspartner“ gewesen sei. Denn die vertraglichen Beziehungen bestanden allein zwischen der N. AG und der O-GmbH, nicht aber zwischen der N. AG und X. Abgesehen davon reichen vertragliche Pflichten aus gegenseitigen Rechtsgeschäften zur Begründung einer Garantenpflicht nicht ohne Weiteres aus.
  • Eine Außenhaftung des Geschäftsführers einer GmbH oder des Mitglieds des Vorstands einer Aktiengesellschaft kommt nur in begrenztem Umfang aufgrund besonderer Anspruchsgrundlagen in Betracht, wenn sie bspw. den Schaden selbst durch eine unerlaubte Handlung herbeigeführt haben. Das Berufungsgericht hatte aber keine Umstände feststellen können, die die Annahme einer solchen Außenhaftung rechtfertigten konnten.

3.     Fazit

Der 6. Zivilsenat stellt zugunsten der Leitungsorgane klar, dass diese nicht alleine aufgrund ihrer Stellung als Geschäftsführer oder Vorstände Dritten gegenüber haften, wenn fahrlässig nicht erkannt oder sogar erkannt aus dem eigenen Unternehmen entspringende Straftaten zu Schäden Dritter führen, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, die eine Garantenpflicht begründen. Auch aus der ganz grundsätzlich bestehenden Legalitätspflicht erwachsen solche Garantenpflichten nicht.

Die Entscheidung wird deshalb Auswirkungen haben auf Compliance-Verstöße im Unternehmen, die nicht ohne Weiteres zu einer Haftung der Leitungsorgane führen können. Wenn das aber für Leitungsorgane gilt, so doch erst recht für untergeordnete Hierarchieebenen, wie sog. Compliance Officer. Dann aber ergibt sich ein Widerspruch zur strafrechtlichen Rechtsprechung des 5. Strafsenats des BGH (vgl. Urteil vom 17.07.2009 – 5 StR 394/08). Denn danach soll bereits die Stellung als Compliance Officer ausreichen, um eine Garantenpflicht gegenüber außenstehenden Dritten zu begründen.

Hier wird der BGH seine zivil- und strafrechtliche Rechtsprechung harmonisieren müssen.

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