06.09.2012 -

Arbeitnehmer haben Anspruch auf Beschäftigung. Dieser Anspruch richtet sich nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages. Wird ein Arbeitnehmer nicht beschäftigt, gerät der Arbeitgeber in Annahmeverzug; der Lohn muss dennoch weitergezahlt werden. Dies gilt aber dann nicht, wenn der Arbeitnehmer es böswillig unterlassen hat, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Das Bundesarbeitsgericht hatte sich nun mit der Frage zu befassen, ob ein solches böswilliges Unterlassen auch dann vorliegt, wenn der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf eine bestimmte Beschäftigung im bestehenden Arbeitsverhältnis sogar durch Urteil durchgesetzt hat, ihm aber dennoch eine andere Beschäftigung angeboten wird (BAG, Urteil v. 17.11.2011 – 5 AZR 564/10). Die Entscheidung ist für Annahmeverzugsfragen von Bedeutung und verdient daher eine besondere Besprechung.

Der Fall:

Die Parteien streiten über Annahmeverzugsvergütung für einen Zeitraum von ca. sechs Monaten. Der klagende Arbeitnehmer ist seit 1994 bei der Beklagten als Hausmeister beschäftigt. Im April 2007 versetzte der Arbeitgeber den Hausmeister in die Abteilung Wohnumfeldpflege, die sich im Wesentlichen mit gärtnerischen Arbeiten im Außenbereich der Immobilie befasst. Zu den arbeitsvertraglichen Aufgaben gehörte diese Tätigkeit bislang nicht. Aus diesem Grund erhob der Arbeitnehmer Klage auf Beschäftigung als Hausmeister mit den im Arbeitsvertrag vorgesehenen Aufgaben, der das Arbeitsgericht Wuppertal stattgab. Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde des Arbeitgebers blieben erfolglos.

Im Folgenden war der Kläger dann längere Zeit arbeitsunfähig. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis aus personenbedingten Gründen zum 31. Dezember 2008. Auch hiergegen erhob der Arbeitnehmer Klage und obsiegte in 1. und 2. Instanz.

Während des Kündigungsschutzrechtsstreits arbeitete der Kläger unter Vorbehalt in der Abteilung Wohnumfeldpflege. Ende 2008 ließ er aber mitteilen, die Tätigkeit in der Wohnumfeldpflege sei mit dem rechtskräftigen Obsiegen im Versetzungsrechtsstreit hinfällig. Er verlangte weiterhin als Hausmeister eingesetzt zu werden. Darauf antwortete der Arbeitgeber, eine Beschäftigung als Hausmeister komme bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses nicht in Betracht. Bis dahin bot der Arbeitgeber an, zu ansonsten unveränderten Arbeitsbedingungen in der Wohnumfeldpflege weiter zu arbeiten. Der Kläger teilte daraufhin mit Anwaltsschreiben mit, er sei jederzeit bereit, seine vertraglich geschuldeten Hausmeistertätigkeiten aufzunehmen, in der Wohnumfeldpflege werde er jedoch weiterhin nicht mehr tätig.

Seit dem 16. Juli 2009 beschäftigt der Arbeitgeber den Kläger wieder als Hausmeister. Für die Zeit vom 5. Januar bis 15. Juli 2009 verlangt der Arbeitnehmer nun Annahmeverzugsvergütung. Eine Anrechnung unterlassenen Erwerbs komme nicht in Betracht. Die angebotene Zwischenbeschäftigung in der Wohnumfeldpflege sei ihm nicht zumutbar gewesen, da rechtskräftig festgestanden habe, dass der Arbeitgeber ihm eine solche Tätigkeit nicht zuweisen durfte. Seiner Wiederbeschäftigung als Hausmeister hätten dringende Gründe nicht entgegengestanden.

Das Arbeitsgericht hat der Zahlungsklage im Wesentlichen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Arbeitgebers zurückgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und geurteilt, dass keine Ansprüche auf Annahmeverzugsvergütung bestehen.

I. Annahmeverzugsvergütung und böswilliges Unterlassen

Kommt es zum Ausspruch einer Kündigung, gerät der Arbeitgeber nach Ablauf der Kündigungsfrist in Annahmeverzug. Eines ausdrücklichen Angebotes des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung bedarf es dann nicht.

Aber: Auf die Annahmeverzugsvergütung (§ 615 S. 1 BGB) muss sich der Arbeitnehmer nach § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG anrechnen lassen, was er bei der Beklagten zu verdienen böswillig unterlassen hat. Mit anderen Worten muss ein Arbeitnehmer eine ihm zumutbare Arbeit annehmen. Die Vorschrift ist inhaltsgleich mit § 615 S. 2 BGB. Beide Bestimmungen stellen darauf ab, ob dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) die Aufnahme einer anderweitigen Arbeit zumutbar ist. Dabei kommt eine Anrechnung auch dann in Betracht, wenn die Beschäftigungsmöglichkeit bei dem Arbeitgeber besteht, der sich mit der Annahme der Dienste des Arbeitnehmers im Verzug befindet. Maßgebend sind – wie immer – die Umstände des Einzelfalles.

II. Nichtvertragsgemäße Arbeit = unzumutbare Arbeit?

Im vorliegenden Fall stellte sich die spezielle Frage, ob durch den gerichtlichen Titel auf Beschäftigung und vertragsgemäße Arbeit der Arbeitnehmer berechtigt war, jede andere zumutbare Arbeit abzulehnen. Das Bundesarbeitsgericht hat dies verneint. Ein Arbeitnehmer handelt böswillig, wenn ihm ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er während des Annahmeverzuges trotz Kenntnis aller objektiver Umstände vorsätzlich untätig bleibt oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert. Der Anspruch auf eine bestimmte Beschäftigung im bestehenden Arbeitsverhältnis bedingt als solcher nicht die Unzumutbarkeit jedweder anderen Tätigkeit. Die Vorschrift des § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG (böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs) regelt nicht Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, sondern die nach anderen Maßstäben zu beurteilende Obliegenheit, aus Rücksichtnahme gegenüber dem Arbeitgeber einen zumutbaren Zwischenverdienst zu erzielen.

Hinweis für die Praxis:

Nach Ausspruch einer Kündigung gerät der Arbeitgeber automatisch in Annahmeverzug zum Ablauf der Kündigungsfrist. Durch das Angebot einer zumutbaren anderen Beschäftigung können Annahmeverzugsansprüche minimiert werden. Dies kann im Kündigungsschutzprozess einen taktischen Vorteil bedeuten. Man sollte daher diesen Aspekt nicht ungeprüft lassen.

Autor

Bild von Prof. Dr. Nicolai Besgen
Partner
Prof. Dr. Nicolai Besgen
  • Rechtsanwalt
  • Fachanwalt für Arbeitsrecht

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