18.10.2012 -

Die fristlose außerordentliche Kündigung eines Geschäftsführer-Dienstvertrages setzt einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB voraus. Zudem muss die Kündigung form- und fristgerecht erklärt werden. Dies hat nun das OLG München anlässlich der fristlosen Kündigung eines Geschäftsführers aufgrund der Androhung einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft nochmals klargestellt.

Der Fall:  

Der Kläger war auf der Grundlage des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages vom 15./24. März 2004 alleiniger Geschäftsführer der Beklagten. Der Dienstvertrag war befristet bis zum 31. Dezember 2007 und sah die ordentliche Kündigung mit einer Frist von sechs Monaten zum Monatsende vor, allerdings frühestens mit Wirkung zum 31. Dezember 2007.

Im Laufe des Jahres 2006 ergaben sich Unstimmigkeiten zwischen dem Kläger und der Gesellschafterin der Beklagten, dem Bankhaus H., über die Ausrichtung der Geschäftspolitik. In einem Gespräch am 23. August 2006 überreichte der persönlich haftende Gesellschafter des Bankhauses, der Zeuge G., dem Kläger die ordentliche Kündigung seines Anstellungsvertrages zum 31. Dezember 2007. In den anschließenden Verhandlungen über eine Abfindung soll der Kläger gegenüber dem Zeugen G. geäußert haben, dass er für die Bank belastendes Material gesammelt habe und dies an die Staatsanwaltschaft, die BaFin und die Presse weitergeben werde, falls die Einigung nicht seinen Vorstellungen entsprechen würde. Aufgrund dieser Androhung kündigte die Beklagte den Geschäftsführer-Anstellungsvertrag mit Schreiben vom 6. September 2006 fristlos.

Der Kläger wehrte sich gegen die Kündigungen vom 23. August 2006 und 6. September 2006 und verlangte von der Beklagten ein Zwischenzeugnis sowie Vergütung für den Zeitraum von September 2006 bis Dezember 2007.

Die Entscheidung:

1. Die fristlose Kündigung vom 6. September 2006

Das OLG München kam zu dem Ergebnis, dass der Dienstvertrag durch die fristlose Kündigung nicht beendet wurde. Zwar sieht § 38 Abs. 1 GmbHG vor, dass die Bestellung zum Geschäftsführer jederzeit auch ohne Grund widerrufen werden kann. Von der Organstellung strikt zu trennen ist jedoch der zugrundeliegende (Dienst-)Vertrag. Die außerordentliche Kündigung hat sich ausschließlich nach § 626 BGB zu richten. Es muss daher ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vorliegen. Zudem muss die Kündigung form- und fristgerecht (§ 626 Abs. 2 BGB) ausgesprochen werden.

Hinweis für die Praxis:

§ 626 Abs. 2 BGB verlangt, dass die Kündigung innerhalb von zwei Wochen zu erklären ist. Die Frist beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.

Die Kündigung der Beklagten scheiterte bereits an dem wichtigen Grund. Hierfür reicht nicht jede objektive Pflichtverletzung aus. Vielmehr muss der Pflichtverstoß unter Abwägung aller Umstände des Falls aus der objektiven Sicht eines verständigen Betrachters so schwerwiegend sein, dass die Fortsetzung des Dienstverhältnisses für den Dienstherrn bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist bzw. – wie hier – bis zum Ablauf des Befristungsendes unzumutbar ist.

Eine solche Unzumutbarkeit verneinte das OLG hier. Zwar ginge es um eine Weiterführung des Dienstverhältnisses für immerhin 16 Monate. Zugunsten des Klägers sei jedoch zu bedenken, dass er den Geheimnisverrat nur angedroht und nicht begangen habe. Zudem habe sich der Kläger in einer für ihn existentiellen Ausnahmesituation unter dem Eindruck der von ihm als ungerecht empfundenen ordentlichen Kündigung befunden.

Hinweis für die Praxis:

Das Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist stets in zwei Schritten zu prüfen. Dies gilt unabhängig davon, ob es um die Kündigung eines Arbeitnehmers oder eines Geschäftsführers geht: Zunächst muss ein Verhalten vorliegen, das „an sich“ (also objektiv) geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

In einem zweiten Schritt ist festzustellen, ob es dem Dienstherrn unzumutbar ist, den Dienstverpflichteten bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen. Hierzu ist eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Dienstherrn an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit den Interessen des Dienstverpflichteten an dem Erhalt des Arbeitsplatzes vorzunehmen. Zu berücksichtigen sind alle Umstände des Einzelfalls, namentlich die Betriebszugehörigkeit, die Schwere der Pflichtverletzung, die Wiederholungsgefahr, der eingetretene Schaden, das Alter und evtl. Unterhaltspflichten.

2. Beendigung zum 31.12.2007

Das Anstellungsverhältnis endete in jedem Fall mit Ablauf der Befristung am 31. Dezember 2007. Die ordentliche Kündigung vom 23. August 2006 war vor diesem Hintergrund überflüssig.

3. Zeugnis

Unstreitig steht dem Kläger ein Anspruch auf ein Zeugnis nach § 630 BGB zu. Da das Dienstverhältnis im Zeitpunkt der Entscheidung des OLG bereits beendet war, konnte der Kläger jedoch kein Zwischenzeugnis mehr erhalten. Ein Endzeugnis hatte er dagegen nicht eingeklagt.

4. Vergütung

Auch kann der Kläger für den Zeitraum von September 2006 bis Dezember 2007 die vertragsgemäße Grundvergütung verlangen. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger die ihm seinerseits obliegenden Dienste im streitgegenständlichen Zeitraum nicht erbracht hat. Denn durch die unberechtigte fristlose Kündigung hat die Beklagte dem Kläger die Möglichkeit genommen, seine Dienstleistung zu erbringen.

Hinweis für die Praxis:

Auf ein Geschäftsführer-Dienstverhältnis findet § 615 BGB ebenso wie auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung. Danach ist der Dienstherr auch dann zur Zahlung der Vergütung verpflichtet, wenn er die Leistung des Dienstverpflichteten nicht annimmt, sog. Annahmeverzug. Der Annahmeverzug setzt grundsätzlich ein ordnungsgemäßes Angebot zur Erbringung der Leistung voraus. Mit Ausspruch einer (fristlosen) Kündigung wird das Angebot jedoch obsolet. Denn der Kündigende bringt zum Ausdruck, dass er auf die Dienstleistung in jedem Fall verzichtet.

Literaturhinweis:Besgen, Handbuch Führungskräfte, 1. Aufl. 2012, 835 Seiten http://www.otto-schmidt.de/handbuch-fuhrungskrafte.html

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