20.01.2013 -

Für viele Jugendliche ist die Nutzung von sozialen Netzwerken wie z.B. Facebook, Routine und täglicher Alltag. Die gesamte Kommunikation erfolgt über solche Netzwerke und nicht alle „Freunde“ im Netzwerk sind persönlich oder namentlich bekannt. Das Arbeitsrecht hat sich auf diese modernen Kommunikationsmittel noch nicht eingerichtet. Viele Fragen sind ungeklärt und höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht zu diesen Fragen aus. In der Literatur werden die damit verbundenen Fragestellungen schon seit längerem diskutiert. Das LAG Hamm hat ganz aktuell eine Pressemitteilung veröffentlicht und sich in zweiter Instanz auf eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Bochum bezogen (ArbG Bochum, Urt. v. 29.03.2012 – 3 Ca 1283/11 und LAG Hamm, Urt. v. 10.10.2012 – 5 Sa 451/12, Pressemitteilung abrufbar unter www.justiz.nrw.de). Das Arbeitsgericht hatte die Kündigung wegen beleidigender Äußerungen des Arbeitgebers durch den Auszubildenden auf Facebook für unwirksam erklärt; im Berufungsverfahren hat das LAG Hamm hingegen die Kündigung als wirksam angesehen.

Der Fall:

Der zum Zeitpunkt der Kündigung 27 Jahre alte Kläger befand sich bei dem beklagten Arbeitgeber seit dem 1. September 2010 in einem Ausbildungsverhältnis zum Mediengestalter Digital und Print mit der Fachrichtung Gestaltung und Technik. Seine Ausbildungsvergütung betrug zuletzt 430,00 € brutto.

Das Tätigkeitsfeld des Arbeitgebers setzte sich aus Internetdienstleistungen zusammen. Unter anderem werden Facebook-Profile für Kunden erstellt. Der Arbeitgeber beschäftigt weniger als zehn Mitarbeiter.

Auf dem privaten Facebook-Profil des Auszubildenden befindet sich unter der Rubrik „Arbeitgeber“ die folgende wörtliche Eintragung:

„Arbeitgeber: menschenschinder & ausbeuter

Leibeigener oBochum

daemliche scheisse fuer mindestlohn -20% erledigen“

Hierauf kündigte der Arbeitgeber mit Schreiben vom 21. Juni 2011 das Ausbildungsverhältnis fristlos, weil der Auszubildende seinen Arbeitgeber in dem Facebook-Profil als „menschenschinder & ausbeuter“ bezeichnet habe, er den Kläger als „Leibeigener“ halte und der Kläger „daemliche scheisse fuer mindestlohn -20%“ erledige.

Der Auszubildende hat hiergegen fristwahrend Klage eingereicht. Er ist der Auffassung, er habe den Arbeitgeber nicht auf sein Facebook-Profil hingewiesen und habe ihn auch nicht beleidigen wollen. Die Äußerung sei nicht auf den Arbeitgeber bezogen gewesen. Außerdem habe er nicht damit rechnen müssen, dass der Arbeitgeber sich sein Facebook-Profil ansehe. Die Äußerung sei übertrieben und lustig gemeint gewesen und sollte nicht die Realität darstellen. Im Übrigen stehe ihm gegenüber seinen Freunden ein Recht auf freie Meinungsäußerung zu.

Das Arbeitsgericht hat die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt.

Die Entscheidung:

Das Landesarbeitsgericht Hamm hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert. Nach Auffassung des LAG ist die fristlose Kündigung des Ausbildungsverhältnisses wegen beleidigender Äußerungen auf dem Facebook-Profil des Auszubildenden wirksam.

I. Maßstab bei Kündigungen gegenüber Auszubildenden

Ein Berufsausbildungsverhältnis kann nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBIG (Berufsbildungsgesetz) nach der Probezeit nur aus einem wichtigen Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Die ordentliche Kündigung ist ausgeschlossen.

Ein solcher wichtiger Grund liegt in Anlehnung an § 626 Abs. 1 BGB vor, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zugemutet werden kann. Die erforderliche Überprüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund darstellt, vollzieht sich zweistufig:  Auf der ersten Stufe ist zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es auf der zweiten Stufeder weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht.

Für die Kündigung gegenüber Auszubildenden sind im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung aber die besondere Rechtsnatur des Berufungsausbildungsverhältnisses und die zurückgelegte Ausbildungszeit zu beachten. Daher kann nicht von den gleichen Maßstäben ausgegangen werden, die bei Arbeitsverhältnissen erwachsener Arbeitnehmer angelegt sind. Insbesondere deswegen, weil ein Berufsausbildungsverhältnis neben dem Ausbildungszweck immer auch einen Erziehungszweck verfolgt. Bei Auszubildenden handelt es sich nicht selten um Jugendliche, deren geistige, charakterliche und körperliche Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Eine fristlose Kündigung kann immer nur das letzte Mittel zur Beendigung eines unrettbaren Berufsausbildungsverhältnisses sein. Dem Ausbildenden obliegt zunächst die Pflicht, zur Vermeidung einer fristlosen Kündigung sämtliche ihm zur Verfügung stehenden und zumutbaren Erziehungsmittel auszuschöpfen.

II. Grobe Beleidigung grundsätzlich geeignet

Eine grobe Beleidigung des Ausbildenden kann grundsätzlich geeignet sein, eine fristlose Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses zu rechtfertigen. Die Äußerungen auf dem privaten Facebook-Profil unter der Rubrik „Arbeitgeber“ haben ohne Zweifel beleidigenden Charakter und sind daher als wichtiger Grund an sich (erste Prüfungsstufe) geeignet. Die Äußerungen seien einer Vielzahl von Personen zugänglich gewesen.

Im Rahmen der notwendigen zweiten Prüfungsstufe (Interessenabwägung) hat allerdings dann das LAG im Berufungsverfahren eine andere Wertung getroffen als das Arbeitsgericht in der ersten Instanz. Der Kläger habe bei Zugang der Kündigung bereits das übliche Alter von Auszubildenden bei weitem überschritten. Er sei nicht mehr minderjährig gewesen, sondern schon 26 Jahre alt. Von ihm sei also eine gewisse Ernsthaftigkeit zu erwarten gewesen. Er könne sich hier nicht auf die Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses berufen. Das Arbeitsgericht hatte dies noch anders gesehen. Der Kläger habe, wie das Facebook-Profil ja zeige, noch nicht die nötige Reife gehabt. Er sei eher als unreife Persönlichkeit anzusehen. Der Arbeitgeber hätte hier deshalb in Erfüllung seiner Ausbildungspflichten zunächst versuchen müssen, auf mildere Mittel, wie bspw. eine Abmahnung, zurückzugreifen.

Fazit:

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht Hamm die beleidigenden Äußerungen auf dem privaten Facebook-Profil als ausreichend für eine fristlose Kündigung angesehen. Die unterschiedlichen Wertungen und Entscheidungen machen aber eins deutlich: Die Arbeitsgerichte sind in der Anwendung von privaten Äußerungen in sozialen Netzwerken noch nicht sicher und eine Vielzahl von Problemen ist noch nicht abschließend geklärt. Nach welchen Kriterien richten sich Äußerungen auf privaten Profilen in sozialen Netzwerken? Ist es von Relevanz, ob nur die „Freunde“ Zugriff haben oder aber alle angemeldeten Nutzer des Netzwerks? Gibt es überhaupt private Äußerungen im Internet?

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau. Dieses Arbeitsgericht hat die Betätigung des „gefällt-mir“-Button auf der Internetseite Facebook zu Bestätigung einer den Arbeitgeber beleidigenden Äußerung ebenfalls als kündigungsrelevant angesehen (ArbG Dessau-Roßlau, Urteil v. 21.03.2012 – 1 Ca 148/11). Wir können der Praxis nur empfehlen, sich vor Ausspruch einer Kündigung mit dem genauen Sachverhalt eingehend zu befassen und sorgfältig aufzuklären und nicht vorschnell eine Kündigung auszusprechen.

Weitere Literatur zum Thema: Besgen/Prinz, Handbuch Internet.Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2013, Deutscher Anwaltverlag

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