28.01.2013 -

Das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) bestimmt in § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8, dass ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrages vorliegt, wenn sie auf einen gerichtlichen Vergleich beruht. Gerichtliche Vergleiche können unmittelbar in der Verhandlung vereinbart werden. Gerichtliche Vergleiche können aber auch im schriftlichen Verfahren nach § 278 Abs. 6 ZPO zustande kommen. Das Gesetz sieht dabei zwei Alternativen vor, einmal ein schriftlicher Vergleichsvorschlag des Gerichts (Alternative 2) oder einmal ein schriftlicher übereinstimmender Vergleichsvorschlag der Parteien (Alternative 1). Nur für Alternative 2 erkennt das Bundesarbeitsgericht nun eine wirksame Befristung i.S.v. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG an (BAG, Urteil v. 15.02.2012 – 7 AZR 734/10). Die Entscheidung ist von ganz erheblicher Bedeutung für die Gerichtspraxis. Wird nämlich der falsche Weg nach § 278 Abs. 6 ZPO beschritten, ist die Befristung unwirksam.

Der Fall:

In dem zugrundeliegenden Fall streiten die Parteien darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am 31. Juli 2009 geendet hat.

Der Kläger war bei dem beklagten Freistaat seit dem 1. August 2002 aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft im Fach Bekleidungsentwurf in einem beruflichen Schulzentrum angestellt. Ihre Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Juli 2008 griff sie vor dem Arbeitsgericht mit einer Befristungskontrollklage an. Es fand eine Güteverhandlung statt, die ohne Einigung endete.

Im Anschluss an die Güteverhandlung kam es zu einem übereinstimmenden schriftlichen Vergleichsvorschlag der Parteien. Das Arbeitsgericht stellte daraufhin durch Beschluss nach § 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 1 ZPO die Befristung des Arbeitsverhältnisses nunmehr bis zum 31. Juli 2009 fest.

Mit einer am 17. Juli 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit dieser durch gerichtlichen Beschluss vereinbarten Befristung zum 31. Juli 2009 geltend gemacht. Sie hat die Auffassung vertreten, die Befristung sei unzulässig. Sie beruhe nicht im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG auf einen gerichtlichen Vergleich.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Befristungskontrollklage abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Unwirksamkeit der Befristung festgestellt. Das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin muss unbefristet fortgesetzt werden.

I. Privileg des gerichtlichen Vergleichs

Nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrages vor, wenn sie auf einem gerichtlichen Vergleich beruht. Voraussetzung ist die Vereinbarung einer Befristung des Arbeitsverhältnisses in einem gerichtlichen Vergleich. Der gerichtliche Vergleich unterliegt keiner weiteren Befristungskontrolle. Deren Funktion erfüllt das Arbeitsgericht durch seine ordnungsgemäße Mitwirkung beim Zustandekommen des Vergleichs, der regelmäßig sogar auf seinem Vorschlag beruht.

II. Offener Streit erforderlich

Neben der Mitwirkung des Gerichts am Zustandekommen eines befristeten Arbeitsverhältnisses setzt der Sachgrund des gerichtlichen Vergleichs nach der Rechtsprechung das Bestehen eines offenen Streits der Parteien über die Rechtslage voraus. Dafür ist erforderlich, dass beide Parteien gegensätzliche Rechtsstandpunkte darüber eingenommen haben, ob bzw. wie lange zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht. Insbesondere muss der Arbeitnehmer nachdrücklich seine Rechtsposition vertreten und gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht haben. Der Arbeitgeber muss es daraufhin abgelehnt haben, den Arbeitnehmer entsprechend seiner Forderung zu beschäftigen.

Hinweis für die Praxis:

Die Voraussetzung eines „offenen Streits“ soll die missbräuchliche Ausnutzung des durch § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG eröffneten Sachgrundes verhindern und gewährleisten, dass der gerichtliche Vergleich nicht nur zur Protokollierung einer von den Arbeitsvertragsparteien vor Rechtshängigkeit vereinbarten befristeten Verlängerung des Arbeitsvertrages benutzt wird.

III. Schriftlicher Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO

Im vorliegenden Fall haben die Parteien aber ihre Befristung nicht im Güte- oder Kammertermin unmittelbar in der Sitzungsverhandlung vereinbart und protokolliert. Vielmehr haben sie den in der Praxis üblichen Weg des § 278 Abs. 6 ZPO beschritten.

Nach dieser Vorschrift kann ein gerichtlicher Vergleich auch durch einen gerichtlichen Vergleichsbeschluss im schriftlichen Verfahren zustande kommen. Das Gesetz eröffnet hier in § 278 Abs. 6 S. 1 ZPO zwei Alternativen: (1.) Die Parteien unterbreiten dem Gericht einen übereinstimmenden schriftlichen Vergleichsvorschlag oder (2.) das Gericht unterbreiten den Parteien einen schriftlichen Vergleichsvorschlag, den diese dann gegenüber dem Gericht annehmen.

Das BAG hat nun klargestellt, dass nur der gerichtliche Vergleichsvorschlag (2. Alternative) das Befristungsprivileg rechtfertigt. Soweit nur die Parteien einen Vergleichsvorschlag unterbreiten, fehlt es an der erforderlichen inhaltlich Mitwirkung des Gerichts. Hier ist das Gericht nämlich allein auf die Feststellungsfunktion beschränkt und nimmt inhaltlich keinen Einfluss. Dieser strukturell allein in der Protokollierung von Einigungsentwürfen liegende gerichtliche Beitrag ist aber keine „Mitwirkung“ im Sinne einer inhaltlichen Verantwortung, die der Intention des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG entspricht. Mit anderen Worten: Wenn das Gericht inhaltlich keinen Einfluss nehmen kann, genießt ein gerichtlicher Vergleich kein Befristungsprivileg.

Fazit:

Gerichtliche Vergleich kommen täglich nach § 278 Abs. 6 ZPO zustande. Die Vorschrift dient der Entlastung der Arbeitsgerichte und wird von allen Prozessbeteiligten gerne in Anspruch genommen. Aber: Soll durch den Vergleich ein sachlicher Grund zur Befristung des Arbeitsvertrages nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG herbeigeführt werden, darf nur der Weg der 2. Alternative des § 278 Abs. 6 S. 1 ZPO beschritten werden. Nur wenn der Vergleichsvorschlag vom Arbeitsgericht kommt, kann die erforderlich „Mitwirkung des Gerichts“ bejaht werden.

Für die Praxis ändert sich hier wenig. Der Vergleichsvorschlag muss dem Gericht mit der Bitte mitgeteilt werden, nach § 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 2 ZPO zu verfahren. Von Seiten des Gerichts wird dann der Vergleichstext beiden Seiten vorgeschlagen. Im Anschluss können dann beide Parteien ihr Einverständnis mit dem gerichtlichen Vergleichsvorschlag erklären. Der Vergleich kommt dann als gerichtlicher Vergleichsvorschlag durch Beschluss wirksam zustande und genießt das Befristungsprivileg. Im Ergebnis ändert sich nichts. Wollte man die erforderliche „Mitwirkung des Gerichts“ wirklich ernst nehmen, dürften nur Vergleiche privilegiert werden, die im Rahmen einer gerichtlichen Verhandlung (Güte- oder Kammertermin) zustande kommen. Soweit geht das Bundesarbeitsgericht aber nicht.

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