29.01.2013

Worum es geht – Lohnsteuerlicher Zuflusszeitpunkt bei Arbeitnehmeraktien und deren Bewertung

Vorab: Die bereits geklärte Rechtslage

In zwei Grundsatzentscheidungen vom 30.06.2011 (VI R 37/09 und VI R 80/10) hatte der BFH über die Qualifizierung des Vorteils aus Aktienoptionen als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und deren Zuflusszeitpunkt zu befinden.

  • Danach werden Vorteile werden „für“ eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst sind. Das ist der Fall, wenn der Vorteil mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird und sich die Leistung im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist.
  • Ob ein Leistungsaustausch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit oder auf Grund einer Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart oder dem nichtsteuerbaren Bereich zuzurechnen ist, ist nach dem wirtschaftlichen Gehalt des zu beurteilenden Lebenssachverhalts und nicht nach seiner äußeren Erscheinungsform zu würdigen.
  • Danach liegt ein steuerpflichtiger Zufluss von Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit beim Arbeitnehmer nicht vor, solange diesem eine Verfügung über die Aktien rechtlich unmöglich ist. Ein solcher Zufluss erfolgt erst mit der Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht, d. h. wenn der Erwerber durch Übertragung oder Hinterlegung in seinem Depot rechtlich und wirtschaftlich Inhaber wird.
  • Eine obligatorische Veräußerungssperre in Form einer Sperr- bzw. Haltefrist, innerhalb derer die Aktien nicht veräußert werden dürfen, steht dem Zufluss nicht entgegen. Denn einer Veräußerung der Aktien verstieße dann zwar gegen die schuldrechtliche Veräußerungssperre, sie bliebe aber dennoch auf Grund der freien Übertragbarkeit nach Aktienrecht (§ 68 AktG) rechtlich möglich und ist schuldrechtlich nicht zu verhindern.
  • Etwas anderes gilt wiederum, solange dem Arbeitnehmer eine Verfügung rechtlich unmöglich ist. Dies ist etwa bei einer Vinkulierung der Fall, wenn die Verfügung von der Zustimmung der Gesellschaft abhängig ist; bei Verweigerung der Zustimmung ist die Übertragung von Anfang an unwirksam (im entschiedenen Fall sog. restricted shares nach US-amerikanischem Recht)

Die bislang ungeklärte Rechtslage

Streitig ist die einkommensteuerliche Behandlung einer vom Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer gewährten Aktienoption, die der Arbeitnehmer entgeltlich an eine von ihm beherrschte Kapitalgesellschaft überträgt. Mit dieser interessanten und steuerlich attraktiven Fallkonstruktion hatte sich jetzt der BFH in seinem am 30.01.2103 veröffentlichten Urteil vom 18.09.2012, VI R 90/10 zu befassen.

Der Fall

Der Kläger war bei der E-GmbH als Geschäftsführer beschäftigt und erzielte hieraus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die E-GmbH räumte dem Kläger am 29.10.2002 für seine erfolgreiche Tätigkeit bei der E-GmbH das Recht ein, 15 000 Stückaktien der A-AG zum Kaufpreis von 0,65 € je Aktie zu erwerben. Dieses (Options-)Recht konnte vom 01.01.2004 bis 10.01.2005 ausgeübt werden. Der Optionsvertrag berechtigte den Kläger, seine Rechte und Pflichten daraus auf die von ihm beherrschte Z-GmbH zu übertragen; an dieser war der Kläger zu 100 % beteiligt Andere Verfügungen über das Optionsrecht waren unzulässig.

Mit Schreiben vom 29.11.2002 übertrug der Kläger sein Optionsrecht auf die Z-GmbH; dafür hatte die Z-GmbH 0,10 € pro zu erwerbender Aktie zu zahlen. Der Kurswert der A-AG Aktie betrug zu diesem Stichtag 1,84 €. Die Z-GmbH zahlte dem Kläger den Betrag (1.500 €) am 15.01.2004.

Die Z-GmbH übte mit Schreiben vom 09.01.2004 gegenüber der E-GmbH das Optionsrecht aus. Die Aktien der A-AG wurden am 12.01.2004 in das Depot der Z-GmbH eingeliefert. Zu diesem Zeitpunkt betrug der Kurswert 5,41 € je Aktie.

Finanzamt und das erstinstanzliche Finanzgericht waren der Auffassung, dem Kläger seien im Streitjahr 2004 durch die Ausübung des Optionsrechts durch die Z-GmbH und die Einbuchung der Aktien in das Depot ein geldwerter Vorteil in Höhe von 71.400 € zugeflossen (5,41 € – 0,65 € = 4,76 €; 15 000 x 4,76 € = 71.400 €); die im November 2002 erfolgte Übertragung des Optionsrechts auf die Z-GmbH sei noch keine Realisierung eines geldwerten Vorteils und könne deswegen auch keinen Zufluss auslösen.

Hiergegen richtete sich die erfolgreiche Revision des Klägers.

Die Entscheidung

Die Gewährung eines Ankaufs-/Optionsrechts kann zu Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit führen.

Zeitpunkt des Zuflusses – Ausübung der Option oder „anderweitige Verwertung“

Nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des BFH fließt i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG der Vorteil aus einem solchen Optionsrecht dem Arbeitnehmer allerdings nicht schon mit der Einräumung des (Options-)Rechts, zu einem späteren Zeitpunkt Aktien verbilligt zu erwerben, zu, sondern erst mit Ausübung der Option durch den verbilligten Erwerb der Aktien selbst. Denn der für den Zufluss von Arbeitslohn maßgebliche geldwerte Vorteil in Form des auf den Aktienerwerb gewährten Preisnachlasses gelangt regelmäßig erst aufgrund der Ausübung der Option in das wirtschaftliche Eigentum des Arbeitnehmers.

Der Vorteil aus einer Optionsgewährung fließt dem Arbeitnehmer als Optionsnehmer nicht nur dadurch zu, dass er die Optionsrechte ausübt, sondern auch dadurch, dass der Arbeitnehmer die Optionsrechte anderweitig verwertet. Denn auch durch solche anderweitigen Verwertungen dieser Optionsrechte kann der Arbeitnehmer den diesen innewohnenden Wert realisieren.

Eine solche anderweitige Verwertung liegt regelmäßig vor, wenn der Arbeitnehmer

  • über das Recht verfügt, so etwa, wenn der Arbeitnehmer ein Wandeldarlehen samt damit verbundenem Wandlungsrecht gegen Entgelt auf einen Dritten überträgt
  • der der Arbeitnehmer auf ein ihm zugewandtes Aktienankaufsrecht gegen Entgelt verzichtet.

Der einkommensteuerrechtlich maßgebende Zuflusszeitpunkt des aus einer Option stammenden Vorteils richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Verwertung des Rechts.

  • Das ist im Falle der Optionsausübung regelmäßig der Tag der Erfüllung des Anspruchs des Arbeitnehmers auf Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über die Aktien, nämlich der Zeitpunkt der Einbuchung der Aktien in das Depot des Arbeitnehmers
  • Soweit der Arbeitnehmer über das Optionsrecht anderweitig verfügt, ist der Vorteil aus der Verwertung dieses Rechts im Zeitpunkt der Verfügung darüber zu erfassen, nämlich im Zeitpunkt der Übertragung des Rechts  oder des Verzichts darauf.

Vor diesem Hintergrund ist dem Kläger 2004 kein geldwerter Vorteil dadurch zugeflossen, dass die Z-GmbH das ihr vom Kläger am 29.11.2002 übertragene Optionsrecht am 9.1.2004 ausgeübt hatte.

Denn der Kläger hatte das ihm von seiner Arbeitgeberin am 29.10.2002 eingeräumte Optionsrecht schon am 29.11.2002 dadurch verwertet, dass er es auf die Z-GmbH übertragen hatte. Auch eine verdeckte Einlage eines dem Arbeitnehmer von dessen Arbeitgeber eingeräumten Optionsrechts ist eine Verwertung des Rechts durch den Arbeitnehmer, indem er das Recht auf einen anderen Rechtsträger überträgt. Der Vorteil aus dem Recht ist im Zeitpunkt der Übertragung des Rechts oder des Verzichts darauf zu erfassen. Das ist im Streitfall angesichts der vom Kläger mit Schreiben vom 29.11.2002 erklärten Übertragung des Optionsrechts auf die Z-GmbH jedenfalls nicht der Veranlagungszeitraum 2004.

Bewertungszeitpunkt

Der Vorteil aus der Verwertung des Optionsrechts ist nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG im Zeitpunkt der Verfügung darüber zugeflossen und auch auf diesen Zeitpunkt zu bewerten.

Entscheidend ist demnach der Wert des Optionsrechts im Zeitpunkt der Übertragung auf die Z-GmbH, also zum 29.11.2002. Ob sich Leistung und Gegenleistung bei der Übertragung der Option entsprachen und ob tatsächlich eine verdeckte Einlage vorlag, wäre im Einzelfall zu prüfen, konnte im entschiedenen Fall aber offenbleiben.

Der Gewinn aus der Differenz der Anschaffungskosten bzw. Ausübungskosten der Option und dem Kurswert der Aktien im Zeitpunkt der Zuflusses 2004 entstand somit als nach § 8b KStG steuerfreier Gewinn in der Z-GmbH.

Kein Gestaltungsmissbrauch

Die 2004 erklärte Ausübung des auf die Z-GmbH übertragenen Optionsrechts ist dem Kläger auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung unmittelbar zuzurechnen.

Es liegen insbesondere dann keine Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung i.S. des § 42 AO vor, wenn der Arbeitnehmer

  • weder die Z-GmbH in Zusammenhang mit der Einräumung des Optionsrechts gegründet
  • noch damit den Zweck verfolgt habe, ausschließlich das Optionsrecht zu verwalten (im Streitfall hielt die Z-GmbH auch noch weitere Vermögenspositionen).

Allein der Umstand, dass der Vermögensgegenstand nicht unmittelbar, sondern mittelbar über eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft gehalten wird, begründet keinen Gestaltungsmissbrauch, auch wenn dieser Umstand zu unterschiedlichen steuerlichen Belastungen führt.

Kleiner Annex: Ein häufiger Fehler des Prozessbevollmächtigten – der zu spät gestellte Antrag, die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Dazu der BFH:

„Der Antrag, die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, war als unzulässig zu verwerfen, weil dieser Antrag im Revisionsverfahren nicht statthaft ist. Die Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren. Zuständig ist daher das FG als Gericht des ersten Rechtszuges.“

Hinweis

  • Im Fall der Gewährung von Aktienoptionen an Arbeitnehmer und Organe der Gesellschaft sollte nicht zuletzt aus steuerlichen Erwägungen heraus die Übertragung des Optionsrechts auf eine vom Arbeitnehmer oder Organ beherrschte Kapitalgesellschaft zugelassen werden.
  • Ausübungsgewinne können so auf der Ebene der Kapitalgesellschaft steuerfrei gehalten werden.
  • Vorsorglich sollte die Kapitalgesellschaft zusätzlich mit weiteren Vermögensgegenständen der „privaten“ Vermögensverwaltung ausgestattet werden, um Missbrauchseinwänden begegnen zu können.
Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2022/2023)

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2017-2021)

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