Beim Verkauf von Grundstücken, deren Verkäufer gleichzeitig Träger der Energie bzw. Fernwärmeversorgung ist (z.B. Gemeinden oder Energieversorgungsunternehmen), wird in den Grundstückskaufverträgen oft auch eine Verpflichtung des Käufers zur Abnahme von Energie bzw. Fernwärme vereinbart, die regelmäßig durch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit grundbuchlich gesichert wird.

 

Der Bundesgerichtshof hat durch Urteil vom 9. Juli 2002 (Az.: KZR 30/00) diese Praxis für wettbewerbs- und kartellrechtlich unbedenklich erachtet.

 

Zum Sachverhalt:

 

Die Gemeinde Börnsen, welche ca. 3300 Einwohner hat und im Osten von Hamburg liegt, ist Mehrheitsgesellschafterin der Gas- und Wärmedienst Börnsen GmbH, eines Energieverteilungsunternehmens, das die Gemeinde Börnsen mit Erdgas versorgt. 1998 errichtete der Gas- und Wärmedienst Börnsen ein eigenes gasbetriebenes Blockheizkraftwerk, welches ein Neubaugebiet in Börnsen mit Fernwärme versorgen sollte. Ein Teil der Grundstücke in dem Neubaugebiet stand im Eigentum der Gemeinde Börnsen und wurde von ihr an bauwillige Interessenten verkauft. Beim Verkauf verpflichtete die Gemeinde die Käufer zur Abnahme der Fernwärme des Gas- und Wärmedienstes Börnsen und ließ sich diese Verpflichtung durch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit sichern. Die entsprechende Bestimmung in den Kaufverträgen hat folgenden Wortlaut:

 

              „Der Käufer verpflichtet sich, den Energiebedarf für Raumheizung und Warmwasserbereitung in dem auf dem Grundstück zu errichtenden Wohngebäude ausschließlich durch das in Bebauungsplan Nr. 11 vorgesehene Blockheizkraftwerk (Gas- und Wärmedienst Börnsen GmbH) zu decken. Die Gemeinde kann Ausnahmen genehmigen. Der Käufer verpflichtet sich darüber hinaus, eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit …. eintragen zu lassen.“

 

Außerdem machte die Gemeinde die Vergabe von Aufträgen für die Erschließung des Neubaugebiets davon abhängig, dass der Erschließungsträger eigene Grundstücke in diesem Gebiet ebenfalls nur mit einer entsprechenden dinglich abgesicherten Verpflichtung zur Abnahme von Fernwärme des Gas- und Wärmedienstes Börnsen verkaufte. Der Kläger, ein Interessenverband von Brennstoff- und Mineralölhändlern, beanstandete dieses Verhalten der Gemeinde als wettbewerbswidrig nach § 1 UWG. Die Beklagte beeinträchtige den Wettbewerb auf diesem Markt in erheblicher und unzulässiger Weise dadurch, dass sie ihre Stellung dazu missbrauche, die Nachfrage der Bauplatzerwerber in den Neubaugebieten gezielt auf das in ihrem Mehrheitsbesitz stehende Fernwärmeversorgungsunter-nehmen zu lenken. Von den etwa 100 Wohneinheiten in dem fraglichen Neubaugebiet stünden fast alle im Eigentum entweder der Beklagten oder der Erschließungsträgerin. In dem Neubaugebiet finde daher kaum noch Wettbewerb zwischen den Anbietern fossiler Brennstoffe und dem Gas- und Wärmedienst statt, zumal die Beklagte zu Gunsten fossiler Brennstoffe auch keine Ausnahmen vom Anschluss- und Benutzungszwang genehmige. Der Kläger nahm die beklagte Gemeinde auf Unterlassung des beanstandeten Verhaltens in Anspruch und beantragte ferner, die Beklagte zu verurteilen, die in der Vergangenheit gebundenen Erwerber aus der Verpflichtung zu entlassen.

 

Die Beklagte trat der Klage mit der Begründung entgegen, von den im Gemeindegebiet belegenen 80 Baugrundstücken stünden lediglich 26 in ihrem Eigentum. Mit der Kopplung des Verkaufs an dem Bezug der Fernwärme verfolge sie übergeordnete kommunale Ziele. Denn die Belange des Klima- und Umweltschutzes ließen es als geboten erscheinen, dass bei der Schaffung von Neubaugebieten der Zuwachs umweltschädlicher Immissionen auf ein Minimum reduziert werde.

 

Nachdem das Landgericht die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung und Beseitigung verurteilt hatte und die Berufung erfolglos geblieben war, führte die Revision der Beklagten zur Klageabweisung.

 

Aus den Gründen:

 

Die von der Beklagten praktizierte Kopplung des Verkaufs gemeindeeigener Grundstücke mit der Bezugsverpflichtung zu Gunsten des Gas- und Wärmedienstes Börnsen ist weder wettbewerbsrechtlich noch kartellrechtlich zu beanstanden.

 

1.   Nach Auffassung des BGH steht dem Kläger gegen die Beklagte kein Anspruch aus § 13 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 1 UWG zu. Zwar handelt die Beklagte im geschäftlichen Verkehr. Ein Wettbewerbsverstoß liege indessen nicht vor, denn weder die öffentlich-rechtliche Stellung der Beklagten noch die Kopplung des Baugrundstücks mit der Bezugsverpflichtung hinsichtlich der Fernwärme stellen einen Wettbewerbsverstoß dar. Auch ein Verstoß unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs kommt nicht in Betracht.

 

      a)   Allein der Umstand, dass die beklagte Gemeinde in ihrem Eigentum stehende Grundstück verkauft und sich als öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft über eine Beteiligungsgesellschaft am Wettbewerb der Energieversorger beteiligt, macht ihr Verhalten noch nicht wettbewerbswidrig. Die Beklagte nimmt durch ihre Beteiligung an dem Blockheizkraftwerk eine Aufgabe der Daseinsvorsorge in privatwirtschaftlicher Form war. Entsprechendes gilt für ihre Tätigkeit als Grundstückseigentümerin. Sie hat dabei im Wettbewerb grundsätzlich keine Vorzugsstellung, ist aber auch nicht generell strengeren Verhaltensregeln unterworfen als ein privater Grundstückseigentümer und ein privates Energieversorgungsunternehmen in gleicher Lage. Deshalb finden die für öffentlich-rechtliche Verträge geltenden Beschränkungen im Streitfall ebenso wenig Anwendung wie die Grundsätze, nach denen unter Ausnutzung einer hoheitlichen Stellung geschlossene Kopplungsgeschäfte nach § 138 BGB unter bestimmten Voraussetzungen nichtig sein können. Die öffentliche Hand, die sich privatwirtschaftlich betätigt, darf sich allerdings bei der Wahrnehmung ihrer erwerbswirtschaftlichen Betätigung nicht dadurch einen unsachlichen Vorsprung vor ihren Mitbewerbern verschaffen, dass sie ihre hoheitlichen Befugnisse zur Verbesserung ihrer privatwirtschaftlichen Interessen und zur Förderung ihres Wettbewerbs einsetzt oder die privaten Mitbewerber mit Mitteln verdrängt, die diesen nicht zugänglich sind, ihr dagegen aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Sonderstellung zur Verfügung stehen, etwa in dem sie eine öffentlich-rechtliche Monopolstellung ausnutzt.

 

      b)  Derartige Umstände sind im Streitfall nicht gegeben. Die Beklagte macht nach Auffassung des BGH lediglich von Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch, über die ein privater Grundstückseigentümer ebenso verfügt. Sie unterscheidet sich insofern nicht von einem privaten Erschließungsunternehmen, dass für ein Neubaugebiet eine Fernwärmeversorgung vorsieht und – damit sich die für ein Fernwärmeversorgung erforderlichen Infrastrukturmaßnahmen rentieren – in die Grundstückskaufverträge eine entsprechende Bezugsverpflichtung aufnimmt. Weder die Unterstützung einer solchen Maßnahme durch eine entsprechende Gestaltung der Bauleitplanung noch der Umstand, dass die Beklagte Grundstücke günstig erwerben kann und über vielfältige Kontakte zu bauwilligen Käufern verfügt, stellen einen Missbrauch hoheitlicher Befugnisse dar. Vielmehr bietet es sich an, dass eine Gemeinde, die die Verwendung fossiler Brennstoffe in einem bestimmten Gebiet durch eine Bestimmung des Bebauungsplans untersagt, für alternative Energiequellen sorge trägt.

 

2.   Die Verknüpfung zwischen dem Verkauf des Baugrundstücks auf der einen und der Versorgung mit Fernwärme auf der anderen Seite stellt auch keine unlautere Kopplung von zwei verschiedenen Wirtschaftsgütern dar: Es ist nicht unlauter, wenn ein Anbieter ein kombiniertes Angebot unterbreitet, in dem er eine bestimmte Wahre oder Leistung nur gekoppelt mit einer anderen Wahre oder Leistung abgibt. Lauterkeitsrechtlich von Bedeutung ist in solchen Fällen in der Regel nicht das Geschäft selbst, sondern die Werbung für das Angebot, und zwar immer dann, wenn die Gefahr besteht, dass die Verbraucher über den Wert des tatsächlichen Angebots, namentlich über den Wert der Teilleistungen, getäuscht oder sonst unzureichend informiert werden. Ob die gekoppelte Abgabe selbst zulässig ist, richtet sich dagegen in erster Linie nach kartellrechtlichen Bestimmungen, insbesondere bei Verträgen nach § 16 GWB. Danach unterliegen Kopplungsgeschäfte zwischen Unternehmen einer kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle und können unter bestimmten Voraussetzungen für unwirksam erklärt werden; Ansprüche Dritter können sich in diesem Fall aber erst ergeben, nachdem die Kartellbehörde eingeschritten ist.

 

      a)  Verstößt die Vereinbarung gegen ein derartiges gesetzliches Verbot, kann darin unter dem Gesichtspunkt eines Rechtsbruchs gleichzeitig auch ein Wettbewerbsverstoß nach § 1 UWG liegen. Im Streitfall schied ein solcher Verstoß jedoch aus. Denn dem Kläger stand kein Anspruch aus §§ 33, 20 Abs. 4 GWB zu. § 20 Abs. 4 GWB enthält ein Behinderungsverbot, das (anders als § 20 Abs. 1 GWB) nur zwischen Wettbewerbern, also im Horizontalverhältnis gilt. Bei § 20 Abs. 4 GWB müsste daher das behindernde und das behinderte Unternehmen im selben Markt tätig sein. In ihrer Eigenschaft als Verkäuferin von Bauland trat die Beklagte indes nicht in dem selben Markt auf, in dem die Mitglieder des Klägers tätig sind. Ein einheitlicher Markt für Wärmeenergie – unterstellt, die Beklagte wäre in einem solchen Markt tätig – besteht ebenfalls nicht, weil für die Marktgegenseite, also die Hausbesitzer die sich entweder für Fernwärme oder für eine Ölheizung entschieden haben, die beiden Formen der Wärmeenergie nicht austauschbar sind.

 

      b)  Selbst wenn man davon ausginge, dass die Beklagte auf dem allgemeinen Markt der Heizsysteme über eine überlegene Marktmacht im Sinne von § 20 Abs. 4 Satz 1 GWB verfügte, stellt das Verhalten der Beklagten aus den gleichen Gründen, aus denen ein lauterkeitsrechtlicher Anspruch nicht gegeben ist, keine unbillige Behinderung dar. Insbesondere ist von einem berechtigten Interesse der Beklagten auszugehen, in die Grundstückskaufverträge eine Bezugspflicht zu Gunsten des Gas- und Wärmedienstes Börnsen aufzunehmen.

 

3.   Auch die in den Verträgen zwischen der Beklagten und den Erschließungsträgern aufgenommene Verpflichtung, ebenfalls eine Bezugsverpflichtung zu Gunsten des Gas- und Wärmedienstes Börnsen mit Erwerbern der Grundstücke zu vereinbaren, stellt aus den genannten Gründen keinen Verstoß gegen wettbewerbs- oder kartellrechtliche Vorschriften dar.

 

Zusammenfassung:

 

Die Verknüpfung des Verkaufs eines Grundstücks mit der Verpflichtung, den Energiebedarf durch ein von einer verkäufereigenen Gesellschaft betriebenes Kraftwerk zu decken, ist grundsätzlich zulässig.

 

Potentielle Grundstückskäufer sollten vor Vertragsschluss abwägen, ob sie bereit sind, eine entsprechend langfristige Lieferantenbindung einzugehen. Die Aussichten, gegen eine solche Bezugsverpflichtung später vorzugehen, sind ohne Hinzuzutreten besonderer Umstände des Einzelfalls sehr gering.

 

Für öffentliche wie private Energieversorgungsunternehmen, die eigene Grundstücke/Wohnungen verkaufen wollen, besteht durch Vereinbarung einer Bezugsverpflichtung eine interessante Möglichkeit der langfristigen Kundenbindung. Bei der Gestaltung sollte allerdings anwaltlicher Rat eingeholt werden, um einen im Einzelfall denkbaren Verstoß gegen insbesondere kartellrechtliche Vorschriften zu vermeiden.

 

Verfasser: RA Alexander Knauss

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