Im Rahmen eines Urteils vom 31. Oktober 2012 hat sich der Bundesgerichtshof mit der Frage befasst, wie weit ein gewerblicher Mieter zur Duldung von Modernisierungsmaßnahmen des Vermieters verpflichtet ist und ob der Mieter trotz einer anderweitigen Abrede im Mietvertrag zu einer Kündigung des Mietverhältnisses und der anschließenden Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Vermieter im Falle einer starken Beeinträchtigung berechtigt ist.

Der Fall:

Im Jahr 2002 schloss die Klägerin mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten einen Mietvertrag über Räume in einem Gewerbekomplex zur Nutzung als Praxis für Neurologie und Psychiatrie. Ende des Jahres 2009 kündigte die Beklagte umfangreiche Sanierungsarbeiten in dem Gebäudekomplex zum zweiten Quartal 2010 an. Die angekündigten Um- und Ausbaumaßnahmen, welche etwa neun Monate dauern sollten, umfassten den Abriss der bestehenden Garagenanlage, den Neubau einer Tiefgarage, den Anbau von Aufzugsanlagen, den teilweisen Abriss und Neubau der Balkone, den Abriss der bestehenden Dächer und deren Neubau und Erweiterung, die eventuelle Modernisierung der Fenster, die Anbringung eines Wärmeverbundsystems und die Neugestaltung der Fassade und des Treppenhauses sowie die Neuinstallation sämtlicher Versorgungsleitungen für Gas, Wasser und Strom. In Ansehung der vorstehenden Bauarbeiten kündigte die Klägerin den bestehenden Mietvertrag außerordentlich und räumte die Mietflächen. Die ihr entstandenen Umzugs- und Renovierungskosten sowie die künftige Mietdifferenz für die Restlaufzeit des Mietvertrags der Parteien machte die Klägerin gegenüber der Beklagten als Schadenersatzanspruch geltend.

Die Entscheidung:

Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Klägerin im vorliegenden Fall nicht gehalten war, die angekündigten Baumaßnahmen zu dulden. Die Klägerin konnte den mit der Beklagten bestehenden Mietvertrag vielmehr entsprechend § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB außerordentlich kündigen und die ihr entstandenen Schäden gemäß § 536a BGB von der Beklagten erstattet verlangen.

Die von der Beklagten angekündigten Arbeiten stellten sich nach dem Dafürhalten des Gerichts als so umfangreich und langwierig dar, dass eine konkrete Existenzbedrohung der Klägerin zu befürchten war. Da die Klägerin ihren Praxisbetrieb während der neunmonatigen Dauer der Um- und Ausbaumaßnahmen nicht hätte aufrecht erhalten können, sah das Gericht in den baulichen Maßnahmen der Beklagten eine unzumutbare Härte der Klägerin im Sinne des § 554 Abs. 2 S. 2 BGB, die ungeachtet von vertraglichen Einschränkungen des Kündigungsrechts der Klägerin im Mietvertrag der Parteien eine einseitige Beendigung des Mietverhältnisses durch die Klägerin zuließ. Die Kündigungserklärung konnte dabei ohne vorherige Abmahnung oder Fristsetzung erfolgen.

Fazit:

Dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 31. Oktober 2012 ist zu entnehmen, dass gewerbliche Mieter bauliche Maßnahmen des Vermieters (zumindest) dann nicht dulden müssen, wenn die angekündigten Maßnahmen von ihrem inhaltlichen und zeitlichen Umfang so erheblich sind, dass die wirtschaftliche Existenz des Mieters bedroht ist. Sieht sich ein Mieter mit einer entsprechenden Situation konfrontiert, kann er den mit dem Vermieter bestehenden Vertrag ohne Einhaltung einer Frist außerordentlich kündigen und die mit einem Umzug in neue Gewerbeflächen verbundenen Kosten und Vermögenseinbußen gegenüber dem Vermieter als Mangelschaden erstattet verlangen.

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