Ein Mitarbeiter, der wegen langandauernder Erkrankung entlassen werden soll, kann sich in einem Kündigungsschutzprozess auch dann auf die ihm günstigen ärztlichen Aussagen berufen, wenn er vor dem Gerichtsverfahren nicht bereit war, die ihn behandelnde Mediziner von ihrer Schweigepflicht zu entbinden.
Das Bundesarbeitsgericht entschied damit zugunsten einer Mitarbeiterin, die nach mehreren Jahren Krankheit entlassen werden sollte. Ihrer Arbeitgeberin hatte sie verwehrt bei ihren Ärzten Auskünfte über ihren Gesundheitszustand einzuholen. Im Kündigungsschutzprozess berief sie sich dann aber auf die Aussage der Mediziner.
Das Gericht hat das Verhalten der Mitarbeitern insbesondere nicht als treuwidrig angesehen. Denn sie habe durch die zunächst unterbliebene Entbindung ihrer Ärzte von der Schweigepflicht die Beweislage des Arbeitgebers tatsächlich nicht verschlechtert. Schließlich kommt es für die Rechtfertigung der Kündigung allein auf die objektive Lage bei Ausspruch der Kündigung an.
Das Gericht hat zwar angedeutet, dass die Mitarbeiterin gegebenenfalls in vertragswidriger Weise eine Fehleinschätzung des Arbeitgebers über seine Erfolgsaussichten im Prozess verursacht habe. In einem solchen Fall bleibe dem Arbeitgeber aber stets die Möglichkeit, etwa vergeblich aufgewandte Rechtsverfolgungskosten als Schadensersatz von dem Mitarbeiter zu verlangen. Weitere Konsequenzen seien an ein solches Arbeitnehmerverhalten daher nicht zu knüpfen.
BAG, Urteil vom 12.4.2002, Aktenzeichen: 2 AZR 148/01
Verfasserin: Rechtsanwältin Ebba Herfs-Röttgen, Fachanwältin für Arbeitsrecht
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