Viele Arbeitgeber verwenden bei der Ausgabe und Rücknahme von Arbeitsmitteln sogenannte Laufzettel. Der 1. Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte nun in einem Beschluss zu entscheiden, ob dem Betriebsrat hierbei ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Ordnungsverhalten) zusteht (BAG, Beschluss v. 25.09.2012 – 1 ABR 50/11). Das Bundesarbeitsgericht hat diese Rechtsfrage nun abschließend für die Praxis verneint und damit geklärt.
Der Fall:
Die Beteiligten, Arbeitgeber und Betriebsrat, streiten über die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Einführung eines Laufzettels „Arbeitsmittel und Berechtigungen“.
Nach der bei dem Arbeitgeber geltenden Richtlinie „Ausgabe, Verwaltung und Rücknahme von Arbeitsmitteln und Berechtigungen“ wird für jeden Beschäftigten ein „Laufzettel Arbeitsmittel und Berechtigungen“ angelegt. Darauf werden u.a. die ausgegebenen Arbeitsmittel, wie Mobiltelefon und Laptop, die Zugänge und Berechtigungen zu IT-Systemen, Diensten und Anwendungen einschließlich erforderlicher Belehrungen sowie Zutrittsberechtigungen zu Gebäuden, Räumen und Gegenständen (z.B. Schlüssel, Zugangs-/Codekarten usw.) vermerkt. Die Genehmigung der Arbeitsmittel, Zutrittsberechtigungen und Vollmacht wird auf dem Laufzettel durch Unterschriften des Kostenstellenverantwortlichen und des Beschäftigten dokumentiert. Der Laufzettel verbleibt im Original beim zuständigen Kostenstellenverantwortlichen, der Arbeitnehmer erhält eine Kopie. Bei einem Wechsel der Tätigkeit wird der Laufzettel aktualisiert. Zum Beschäftigungsende werden dem Mitarbeiter alle Arbeitsmittel und Berechtigungen vom Kostenstellenverantwortlichen auf der Grundlage des Laufzettels entzogen.
Der Betriebsrat hat geltend gemacht, die Einführung des Laufzettels sei nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig, weil dieser das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer berühre. Es gehe dem Arbeitgeber darum, dass sich Arbeitnehmer in bestimmter, standardisierter Weise verhalten sollen.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat im Beschwerdeverfahren den Anträgen entsprochen.
Die Entscheidung:
Im Beschwerdeverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts wiederhergestellt und ein Mitbestimmungsrecht verneint.
I. Unterlassungsanspruch des Betriebsrats
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Betriebsrat nicht nur die Beseitigung eines mitbestimmungswidrigen Zustands verlangen, sondern sich ebenso gegen zu erwartende weitere Verstöße des Arbeitgebers gegen ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 BetrVG unabhängig von den Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG im Wege eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs wehren. Die Rechte des Betriebsrats sind damit bei Verstößen im Rahmen von § 87 Abs. 1 BetrVG sehr weitgehend. Verstöße der Arbeitgeberseite können unmittelbar gerichtlich, sogar im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens, durchgesetzt werden. Die Anträge des Betriebsrats im gerichtlichen Verfahren waren damit grundsätzlich zulässig.
II. Ordnungsverhalten oder Arbeitsverhalten?
Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG in Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb mitzubestimmen. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer. Dieses kann der Arbeitgeber kraft seiner Leitungsmacht durch Verhaltensregeln oder sonstige Maßnahmen beeinflussen und koordinieren. Zweck des Mitbestimmungsrechts ist es, die Arbeitnehmer hieran zu beteiligen. Sie sollen an der Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens gleichberechtigt teilnehmen.
Aber: Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nur mitzubestimmen bei Maßnahmen, die das sogenannte Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer im Betrieb betreffen. Dagegen sind Maßnahmen, die das sogenannte Arbeitsverhalten regeln sollen, nicht mitbestimmungspflichtig. Dies sind solche Maßnahmen, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert und abgefordert wird.
Hinweis für die Praxis:
Das Bundesarbeitsgericht hat bereits in früheren Verfahren klargestellt, dass z.B. die Anordnung des Arbeitgebers, für Angaben der Beschäftigten über den Besitz von Wertpapieren ein vom Arbeitgeber vorgefertigtes Formular zu verwenden, mitbestimmungspflichtig ist. Gleiches gilt für die Anweisung, die Notwendigkeit eines Arztbesuches während der Arbeitszeit durch ein vorgegebenes Formular zu belegen. Entscheidend war hier, dass der Arbeitgeber den Nachweis einheitlich von allen Arbeitnehmern in einer bestimmten Form verlangt hat und damit eine Regel aufstellte, die für alle – unabhängig von der konkreten Arbeitsleistung – zu beachten war. Demgegenüber wurde ein Mitbestimmungsrecht in Bezug auf vorformulierte standardisierte Verschwiegenheitsvereinbarungen verneint.
Fazit:
Die in den Laufzetteln aufgenommenen Angaben über den Erhalt von Arbeitsmitteln und Zutrittsberechtigungen einschließlich erforderlichen Belehrungen stehen in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistung. Diese sind Voraussetzung für deren ordnungsgemäße Erbringung. Das verwendete Formular, der sogenannte Laufzettel, dient damit der Regelung des Arbeitsverhaltens und gerade nicht der Koordinierung des Zusammenlebens und Zusammenwirkens der Arbeitnehmer. Die bloße Standardisierung des Arbeitsverhaltens bewirkt noch keine Zuordnung zum Ordnungsverhalten.
Das Bundesarbeitsgericht hat damit klar und deutlich eine Mitbestimmung abgelehnt. Die inhaltliche Ausgestaltung von Laufzetteln unterliegt damit nicht der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.
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