Bei dem Ausspruch einer Verdachtskündigung ist die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers bekanntlich Wirksamkeitsvoraussetzung. Dies gilt sowohl für ordentliche als auch für fristlose Kündigungen. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte sich aktuell mit der Frage zu befassen, welche Anforderungen diese Einladung zu einem Personalgespräch erfüllen muss (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 30.03.2012 – 10 Sa 2272/11). Das Landesarbeitsgericht hat sich für hohe Anforderungen entschieden. Bei dem Ausspruch einer Verdachtskündigung müssen Arbeitgeber daher besondere Anforderungen beachten, um nicht schon formal zu scheitern.
Der Fall (verkürzt):
Die klagende Arbeitnehmerin war bei dem beklagten Arbeitgeber als Sachbearbeiterin in der Wohnungsverwaltung tätig. Bei dem Arbeitgeber handelt es sich um eine Wohnungsgenossenschaft, die in Berlin ca. 6.500 Wohnungen verwaltet. Es werden rund 125 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Arbeitnehmerin ist mit einem Grad der Behinderung von 80 als schwerbehinderter Mensch anerkannt und 46 Jahre alt.
Am Dienstag, dem 31. Mai 2011 trug die Klägerin als Arbeitsende 16.00 Uhr ein. Tatsächliche beendete sie ihre Arbeit bereits um 15.30 Uhr. Am Mittwoch, dem 1. Juni 2011 trug die Klägerin als Arbeitsende 16.30 Uhr ein. Tatsächlich beendete sie ihre Arbeit bereits um 15.30 Uhr. Mitarbeiter des Arbeitgebers überprüften daraufhin ab Montag, dem 6. Juni 2011 die Arbeitszeit der Klägerin in weiteren Fällen und stellten auch hier weitere Abweichungen fest.
Am 14. Juni 2011 fand von 10.40 Uhr bis 11.08 Uhr ein Personalgespräch statt, zu dem der Arbeitgeber ein Protokoll fertigte. An diesem Gespräch nahmen auf Seiten des Arbeitgebers zwei Vorstandsmitglieder, ein Abteilungsleiter und eine Personalsachbearbeiterin teil. Der Themenkomplex des Gesprächs wurde der Arbeitnehmerin zuvor nicht mitgeteilt. Ob der Arbeitnehmerin eine Gelegenheit eingeräumt wurde, eine Vertrauensperson (Betriebsrat oder Rechtsanwalt) hinzuziehen, ist streitig.
Nach der Anhörung wurde die fristlose Kündigung ausgesprochen, sowohl als Tat- und hilfsweise auch als Verdachtskündigung. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben.
Die Entscheidung:
Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.
Wir möchten uns nachfolgend dabei nur mit den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zu den Anforderungen an die ausgesprochene Verdachtskündigung befassen.
I. Anhörung des Arbeitnehmers Wirksamkeitsvoraussetzung
Die Erfüllung der Aufklärungspflicht ist Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Verdachtskündigung. Dazu gehört vor allem die Anhörung des Arbeitnehmers. Der Umfang der Anhörung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Dennoch reicht es nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts grundsätzlich nicht aus, wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin im Rahmen einer Anhörung zu einer Verdachtskündigung lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Die Anhörung muss sich auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Die Arbeitnehmerin muss die Möglichkeit haben, bestimmte zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen zu bezeichnen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Allein um diese Aufklärung willen wird dem Arbeitgeber die Anhörung nach der Rechtsprechung abverlangt.
II. Gelegenheit zur Vorbereitung
Das bedeutet inhaltlich, dass der Arbeitnehmerin Gelegenheit gegeben werden muss, sich auf eine Anhörung vorzubereiten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich – wie hier – um täglich mehrfache Vorwürfe aus den vergangenen zwei Wochen handelt. Denn nur dann wird die Arbeitnehmerin in den Stand versetzt, ggf. zu recherchieren, ob in den vergangenen zwei Wochen an den einzelnen Tagen tatsächlich die Annahme der Arbeitgeberin zutrifft oder von einem anderen Sachverhalt auszugehen ist.
Hinweis für die Praxis:
Formal bedeutet das nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts, dass ein Anhörungsgespräch im Rahmen einer Verdachtskündigung nicht so ausgestaltet werden darf, dass eine Arbeitnehmerin sich allein einer größeren Gruppe von Vorgesetzten gegenüber sieht, ohne zuvor auf das Thema des Gesprächs hingewiesen worden zu sein. Die Arbeitgeberin hat bei der Einladung zum Anhörungsgespräch zumindest auf den Themenkreis wie etwa „Anhörung im Vorfeld einer beabsichtigten Kündigung wegen falscher Arbeitszeitaufzeichnungen“ hinzuweisen, damit die Arbeitnehmerin in den Stand versetzt wird, sich auch mental auf ein solches Gespräch vorzubereiten und ggf. eine Vertrauensperson wie bspw. ein Betriebsratsmitglied oder eine Rechtsanwältin hinzuzuziehen.
Fazit:
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts macht deutlich, dass in der Instanzrechtsprechung hohe Anforderungen an die formalen Voraussetzungen einer Verdachtskündigung gestellt werden. Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer nicht überraschen. Vielmehr muss er im Hinblick auf die Einladung zur Anhörung den Themenkreis grob umreißen. Der Arbeitnehmer muss sich ein Bild über den Inhalt der Anhörung im Vorfeld machen können. Nicht erforderlich ist es aber, detailliert bereits im Vorfeld Stellung zu nehmen. Diese Fragen sollen und können erst im Anhörungsgespräch selbst geklärt werden. Der Arbeitnehmer muss aber entscheiden können, ob er eine Person hinzuzieht oder nicht. Dies ist ihm nur möglich, wenn ihm zuvor die Bedeutung des Anhörungsgesprächs mitgeteilt wird.
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