29.09.2013 -

Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung sind nach § 78a BetrVG besonders geschützt. Sie können nach dieser Spezialvorschrift die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit (unbefristet) verlangen. Das Gesetz sieht dabei die Einhaltung einer Drei-Monats-Frist vor. Das Bundesarbeitsgericht hat nun für die Praxis klargestellt, dass die Versäumung dieser Drei-Monats-Frist das Weiterbeschäftigungsverlangen nach § 78a Abs. 2 S. 1 BetrVG unwirksam macht (BAG, Beschluss v. 05.12.2012 – 7 ABR 38/11). Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts schafft für die Praxis Rechtssicherheit. Bei Streitigkeiten mit Auszubildendenvertretern sollten immer auch die Fristen und deren Einhaltung genau geprüft werden.

Der Fall:

Der Arbeitgeber betreibt ein Unternehmen für technische Dienstleistungen zur Errichtung und Instandhaltung von Industrieanlagen. Es besteht eine Jugend- und Auszubildendenvertretung. Der beteiligte Auszubildende absolvierte ab 1. September 2007 bei dem Arbeitgeber eine Ausbildung zum Gerüstbauer. Im Jahre 2008 wurde er in die Jugend- und Auszubildendenvertretung gewählt. Während der Ausbildung wurde er verschiedentlich wegen Unpünktlichkeit sowie wegen verspäteter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung abgemahnt.

Mit Schreiben vom 29. Januar 2010 teilte der Arbeitgeber dem Auszubildenden mit, er werde ihn im Anschluss an seine Ausbildung nicht in ein Arbeitsverhältnis übernehmen. Der Auszubildende reagierte hierauf mit gewerkschaftlichem Schreiben und beantragte gem. § 78a BetrVG die Weiterbeschäftigung nach erfolgreichem Bestehen der Gesellenprüfung. Der Arbeitgeber antwortete dann mit Schreiben vom 8. März 2010. Er werde den Auszubildenden im Anschluss an die berufliche Ausbildung weiterbeschäftigen, behalte sich aber für den Fall erneuter Verstöße gegen Pflichten aus dem Ausbildungsverhältnis ausdrücklich vor, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu beantragen.

In der Folgezeit kam es dann mehrfach zu unentschuldigtem Fehlen und Verspätungen des Auszubildenden. Die Abschlussprüfung bestand der Auszubildende am 12. Juli 2010. Mit gewerkschaftlichem Schreiben vom 14. Juli 2010 erneuerte er sein Übernahmeverlangen. Der Arbeitgeber leitete daraufhin ein Beschlussverfahren mit dem Ziel ein, festzustellen, dass ein Arbeitsverhältnis nicht begründet worden ist.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben dem Antrag des Arbeitgebers entsprochen.

Die Entscheidung:

Im Rechtsbeschwerdeverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen voll bestätigt.

I. Drei-Monats-Frist

Nach § 78a Abs.  2 S. 1 BetrVG gilt zwischen einem Auszubildenden, der Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung oder eines der anderen dort genannten Betriebsverfassungsorgane ist, und dem Arbeitgeber im Anschluss an das Berufsausbildungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als begründet, wenn der Auszubildende in den letzten drei Monaten vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses vom Arbeitgeber schriftlich die Weiterbeschäftigung verlangt. Diese Übernahmeverpflichtung soll die Ämterkontinuität gewährleisten und den Amtsträger vor nachteiligen Folgen bei seiner Amtsführung während des Berufsausbildungsverhältnisses schützen. Durch ein form- und fristgerechtes Übernahmeverlangen des Auszubildenden entsteht zwischen dem Arbeitgeber und einem Mitglied der in § 78a Abs. 1 BetrVG genannten Arbeitnehmervertretungen ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis im Ausbildungsberuf.

Hinweis für die Praxis:

Der Weiterbeschäftigungsantrag hat fristgerecht innerhalb der letzten drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses zu erfolgen. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu klargestellt, dass die Sechs-Monats-Frist des § 12 Abs. 1 S. 2 BBiG keine analoge Anwendung findet. Eine Verlängerung der Frist auf sechs Monate findet daher nicht statt.

II. Ermittlung der Frist

Für die Berechnung der dreimonatigen Frist ist der Beendigungszeitpunkt des Berufsausbildungsverhältnisses maßgeblich. Nach § 21 Abs. 1 S. 1 BBiG endet das Berufsausbildungsverhältnis grundsätzlich mit Ablauf der Ausbildungszeit. Besteht der Auszubildende vor Ablauf der Ausbildungszeit die Abschlussprüfung, endet das Berufsausbildungsverhältnis nach § 21 Abs. 2 BBiG schon mit Bekanntgabedes Ergebnisses durch den Prüfungsausschuss. Um den Beginn der Drei-Monats-Frist zu ermitteln, ist von dem Zeitpunkt an, in dem die Abschlussprüfung bestanden wird, zurückzurechnen.

Hier endete das Berufsausbildungsverhältnis mit Bestehen der mündlichen Abschlussprüfung am 12. Juli 2010. Die Drei-Monats-Frist begann daher am 12. April 2010 zu laufen. Das Schreiben des Auszubildenden bzw. der von ihm beauftragten Gewerkschaft vom 23. Februar 2010 ging der Arbeitgeberin somit bereits vor Beginn der Drei-Monats-Frist zu und stellte kein fristgemäßes Übernahmeverlangen dar. Das im Schreiben vom 14. Juli 2010 geltend gemachte Übernahmeverlangen war hingegen verspätet.

Hinweis für die Praxis:

Der Arbeitgeber darf sich auf die Fristversäumung berufen. Dieses Berufen kann aber ausnahmsweise dann treuwidrig sein, wenn das Verhalten des Arbeitgebers darauf abzielt, den Auszubildenden von der form- und fristgerechten Geltendmachung abzuhalten. Für eine solche Treuwidrigkeit lagen hier keine Anhaltspunkte vor. Zudem war der Auszubildende gewerkschaftlich vertreten und daher kompetent beraten. Er durfte daher nicht darauf vertrauen, trotz Fristversäumung übernommen zu werden.

Fazit:

Die Vorschrift des § 78a BetrVG enthält zahlreiche Sondertatbestände und spezielle Voraussetzungen, die zwingend zu beachten sind. Besondere Sorgfalt muss dabei nicht nur der Arbeitnehmer aufwenden, sondern auch die Arbeitgeberseite. Gerade die Fristenberechnung sollte sehr sorgfältig erfolgen.

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